Härteste Frage will sie nicht bejahenGrüne Kanzlerkandidatin Baerbock im Kreuzverhör

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Die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock wird ihre Partei als Kanzlerkandidatin in die Bundestagswahl führen. Am Tag ihrer Nominierung am Montag (19. April) gab sie ihr erstes Live-Interview bei ProSieben in ihrer neuen Funktion.

von Martin Gätke (mg)

Köln – Sie macht's: Am Montagvormittag (19. April) haben die Grünen zum allerersten Mal in ihrer Parteiengeschichte eine Kanzlerkandidatin vorgestellt. Annalena Baerbock zieht in den Wahlkampf. Schon am selben Tag gab sie auf ProSieben zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr live ihr allererstes Interview in dieser Funktion. Später war RTL dran.

  • ProSieben: Grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock gibt erstes Live-Interview
  • Später wird sie im „RTL Nachtjournal Spezial“ um 0.25 Uhr ein Interview geben
  • Gegen wen aus der CDU/CSU tritt sie an? Druck auf Laschet und Söder steigt

Die beiden Journalisten Katrin Bauerfeind (38) und Thilo Mischke (40) nahmen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock für ProSieben ins Kreuzverhör und stellten auch harte Fragen. Für das Interview hat der Sender seinen Tschernobyl-Themenabend inklusive der Sky-Serie „Chernobyl“ verschoben.

Was sagte Annalena Baerbock im ProSieben-Interview?

  • „Wo sehen sie sich in vier Jahren?“, lautet Bauerfeinds letzte Frage. „Erstmal sehe ich mich in sechs Monaten einen leidenschaftlichen Wahlkampf führen. Dafür werden wir unser Bestes geben.“
  • Mischke fragt kurz vor Ende etwas schnippisch: „Wie verhindern Sie, wie Martin Schulz zu enden? Erst extrem gehypt, dann schnell vergessen? “ Baerbock arbeitet mit nur zwei Worten: „Solides Arbeiten.“
  • Mit Blick auf den Fall Nawalny erklärt Baerbock: „Der Kreml lässt gerade jemanden sterben“. Die Bundesregierung sollte da eine klare Sprache sprechen, Nawalny sollte sofort behandelt werden, so Baerbock. „Ist Putin ein Mörder?“, fragt Mischke geradeheraus. Die wohl härteste Frage des Abends. Baerbock will das nicht so klar bejahen, weicht aus: „Putin ist für dieses Regime verantwortlich. Er ist Teil des Systems, die versucht hat, Herrn Nawalny zu ermorden.“
  • „Braucht man Eier oder Eierstöcke als Kanzlerin?“, fragt Bauerfeind. „Man braucht eine klare Haltung, gerade mit Blick auf China oder Russland“, so Baerbock. Das habe bisher gefehlt. Man brauche gerade dort „Härte und Dialog“.
  • „Wir müssen bei der Transformation im Digitalen und im Klimabereich unterstützend eingreifen, etwa durch Bildungsmaßnahmen für Arbeitskräfte, damit die qualifizierter werden“, erklärt Baerbock. Hartz IV sollte zudem ersetzt werden durch eine echte „Garantiesicherung.“ Die Sätze sollten deutlich angehoben werden.
  • „Die Welt hat sich radikal verändert“, deshalb müsse auch Politik anders werden. „Wenn wir den Wohlstand dieses Landes in die Zukunft führen wollen, geht das nur, wenn ‚Made in Germany' heißt, dass das klimaneutral hergestellt wurde“, so Baerbock.
  • „Dinge müssen sich zentral ändern“, so Baerbock. Viele Menschen forderten ein, „dass wir das, was gut und sauber ist, möglich machen.“ Man müsse daher aufhören, etwa Massentierhaltung zu subventionieren. „Ich will eine andere Politik, damit die Menschen die Möglichkeit haben, besser zu leben.“
  • Mischke fragt nach möglichen Verboten. „Ja, vieles muss sich ändern. Aber Verbote sind nicht alles.“ Stattdessen müsse man pragmatischer denken. Es gehe darum, etwa Produktionsweisen zu ändern, wie beim Fleisch. „Um das Leben immer klimaneutraler zu machen“ – das gehe auch ohne Verbote.
  • Bauerfeind geht auf die Klimakrise ein: Es würden Zumutungen auf uns zukommen, wie will Baerbock auch Nicht-Wähler begeistern. „Indem wir endlich ins Machen kommen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass so viele Menschen weiter sind. Auch die Industrie.“ Es gehe zum Beispiel darum, einen Co2-Preis zu schaffen, der nicht bestraft.
  • Pflegerinnen und Pfleger seien auch im Regen stehen gelassen, meint Bauerfeind. Hat Baerbock für sie ein Angebot? „Klatschen reicht nicht“, sagt sie. Bereits vor Corona war nicht alles gut, es gebe einen Sparkurs. „Die Arbeitsbedingungen sollten verbessert werden, mehr Geld ins Gesundheitssystem investiert werden, die Arbeit sollte reduziert werden.“ Baerbock fordert eine Tarifbindung in dem Bereich, damit auch Pflegerinnen und Pfleger von der Arbeit leben könnten.
  • Die Politik solle endlich mit „Plan und verlässlich handeln“. Man sei lange „auf Sicht gefahren“, anstatt zu sagen: „Wir packen an, wir legen einfach los.“ Deshalb habe die Politik derzeit ihren Kurs verloren. Viele wurden im Regen stehen gelassen, vor allen Dingen in der Kultur. Aber auch im Gesundheitswesen.
  • Kinder und Eltern stünden laut Baerbock derzeit nicht im Mittelpunkt von Politik. Politik sei nichts Abstraktes, sie wirke im Leben von Menschen. In Zeiten von Corona habe man viel in Schablonen gedacht. Aber Kinder seien „keine kleinen Erwachsenen.“ Regeln sollten viel pragmatischer werden.
  • Kann die Kandidatur auch angsteinflößend sein? Die politische Debatte werde immer härter, vor allen Dingen in sozialen Medien, so Baerbock. „Natürlich macht das etwas mit einem.“ Sie sei als Kanzlerkandidatin erstmals von Sicherheitskräften begleitet worden. Es gebe aber kein Rezept für solch eine Kandidatur, wie man mit solchen Fragen umgeht. „Da muss man seinen eigenen Weg finden.“
  • Bauerfeind will wissen: Wie hart war der Weg zur Kandidatur? „Ja, das war schmerzhaft. Man muss nicht drumherum gehen. Dinge sind nicht einfach.“ Es gehe aber darum, zu zeigen, dass man die Dinge ernst meint, die man seit Jahren predigt. „Wir haben es lange gemeinsam gemacht, aber einer muss den Schritt nach vorne machen“, sagt sie in Bezug auf Habeck.
  • Baerbock erklärt, dass Dinge „anders gemacht werden müssten und neu.“ Die Kandidatin weiter: „Ich glaube, mit einer Großen Koalition kommen wir mit den Herausforderungen der Zeit nicht klar. Die Schulen in unserem Land sind nicht auf der Höhe der Zeit. Es gibt  Fachkräftemangel in Zeiten von Corona. Eine Klimakrise. Im Land geht wahnsinnig viel, aber es braucht neue Antworten.“
  • Bauerfeind beginnt: Wie war dieser aufregende Tag? Baerbock, seit dem 27. Januar 2018 Bundesvorsitzende der Grünen, gemeinsam mit Robert Habeck, erklärt: „Vor drei Jahren wussten wir natürlich noch nicht, dass wir hier sitzen werden.“ Im Team habe man nun erreicht, dass man „mehr Schlagkraft hat“.

Annalena Baerbock: „Ich trete an für Erneuerung“

Parteichefin Annalena Baerbock will Deutschland grundlegend verändern, das sagte sie bereits kurz nach ihrer Nominierung: „Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass dieses Land einen Neuanfang braucht“, sagte sie am Montag nach der Entscheidung des Parteivorstands.

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Für die Bundestagswahl am 26. September formulierte sie einen klaren Machtanspruch: „Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere.“

Die anderen, das sind auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und NRW-Chef Armin Laschet (CDU). Dort herrscht noch immer ein großes Drama im Unions-Machtkampf um die K-Frage: Nach nächtlichen Beratungen der Rivalen legte die CSU zuletzt die Entscheidung allein in CDU-Hände. Die steht damit maximal unter Druck. Vor allem einer: Laschet.

Annalena Baerbock: Wer kann es besser mit ihr aufnehmen – Laschet oder Söder?

Der ging nach einer quälenden Woche in die Offensive, kündigt eine Schalte des CDU-Bundesvorstands für Montagabend an – und einen Vorschlag, „wie wir jetzt sehr schnell die nicht geklärte Frage zwischen CDU und CSU auflösen“. Er hoffe, dass man dann „sehr schnell in dieser Woche“ zu den erforderlichen Entscheidungen komme.

Söders Reaktion: Er gibt die Entscheidung über die K-Frage zurück zur CDU. Die Frage bleibt also noch offen: Wer von beiden – Laschet oder Söder – kann es wohl besser mit Baerbock aufnehmen? (mg/mit dpa)