Straflager wartetKein Erbarmen: Kreml-Kritiker Nawalny in Russland verurteilt

Alexej Nawalny im Gericht

Kreml-Kritiker Alexej Nawalny am 2. Februar 2021 im Gericht, bevor er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Moskau – Der russische Kremlgegner Alexej Nawalny muss nach einem Urteil eines Moskauer Gerichts dreieinhalb Jahre in ein Straflager. Der 44-Jährige habe mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen, teilte das Gericht am Dienstag mit. Deshalb wurde eine frühere Bewährungs- nun in eine echte Haftstrafe umgewandelt.

  • Prozess gegen Alexej Nawalny in Russland beendet
  • Kreml-Kritiker Alexej Nawalny zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt
  • Im Prozess erhob Gegner von Wladimir Putin schwere Vorwürfe

„Ich war in Deutschland in Behandlung“, hatte Nawalny dazu im Gerichtssaal vor dem Urteil der vom Kreml eingesetzten Richterin Natalia Repnikowa gesagt. Der Gegner von Präsident Wladimir Putin hatte sich in Berlin und Baden-Württemberg fünf Monate lang von einem Anschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok erholt.

Alexej Nawalny greift Wladimir Putin bei Prozess verbal an

Nawalny, der das Urteil still aufnahm, hatte zuvor deutlich gemacht, dass er sich deshalb nicht habe in Moskau persönlich melden können. Er nutzte seinen von Medien als „historisch“ bezeichneten emotionalen Auftritt vor Gericht für einen neuen Angriff auf Putin.

Alles zum Thema Wladimir Putin

Der Präsident werde als „Wladimir, der Vergifter der Unterhosen“ in die Geschichte eingehen, sagte Nawalny. Er erinnerte daran, dass er im August nur knapp einen Mordanschlag mit dem Nervengift überlebte. Für das Attentat macht er Putin und Agenten des Inlandsgeheimdienstes FSB verantwortlich. Das „Killerkommando“ soll seine Unterhose mit dem Gift benetzt haben. „Sein einziges Kampfinstrument ist das Töten“, sagte Nawalny über Putin.

Nawalny sieht den Prozess als Strafe des Kreml dafür, dass er nicht gestorben ist. Präsident Putin und der FSB hatten die Anschlagsvorwürfe zurückgewiesen.

Richterin Repnikowa forderte den Oppositionellen auf, vor Gericht keine Politik zu machen. Nawalny dagegen appellierte an die Menschen, ihre Angst zu überwinden.

Am Gerichtsgebäude agierte ein beispielloses Polizeiaufgebot. Hundertschaften der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON bewachten das Moskauer Stadtgericht und sperrten es weiträumig mit Metallgittern ab. Die Staatsmacht rüstete sich so gegen Proteste von Nawalnys Unterstützern.

Kritik am Nawalny-Verfahren: Russland wehrt sich

Viele Experten sehen in dem Prozess einen neuen Versuch, den prominentesten Gegner Putins zum Schweigen zu bringen. In der Zeit in Deutschland, als Nawalny sich von dem Attentat erholte, soll er sich – anders als in dem früheren umstrittenen Strafverfahren vorgeschrieben – nicht bei den russischen Behörden gemeldet haben.

Das Vorgehen der russischen Justiz hatte international Entsetzen ausgelöst. Die Bundesregierung forderte mehrfach die Freilassung Nawalnys. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte habe das Verfahren gegen Nawalny als „grob willkürlich beurteilt“.

Die internationale Kritik am Vorgehen gegen Nawalny wies Moskau erneut scharf zurück. Russland werde „Belehrungen“ der EU nicht hinnehmen, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, kritisierte bei Facebook die Anwesenheit mehrerer Diplomaten bei dem umstrittenen Prozess gegen Nawalny in Moskau als Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands. (dpa, so)