Angehende PolizistenAusgerechnet an dieser Prüfung scheitern viele Anwärter

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Unser Foto vom 15. Oktober 2019 zeigt junge Polizeianwärter in Erfurt.

Stuttgart – Hefte raus zum Diktat! Was wohl vielen Schülern den Angstschweiß auf die Stirn treibt, macht auch Polizei-Anwärtern mächtig zu schaffen. Um einen der begehrten Plätze im gehobenen Dienst zu ergattern, müssen die Prüflinge diese Hürde überstehen. Doch an einer Anforderung scheitern erstaunlich viele Bewerber.

So sind die Prüfungen der Polizei aufgebaut

Ein bisschen aufgeregt war er schon, gibt Reinhard Huber (Name geändert) zu. Der 21-Jährige erinnert sich an den dreitägigen Prüfungsmarathon, den er bei der Polizei in NRW durchlief.

Am ersten Tag wurden Rechtschreibung, Grammatik, Mathematik sowie Reaktionsschnelligkeit geprüft. „Eine Gleichung mit Symbolen statt Zahlen hatte es wirklich in sich“, erzählt der junge Mann. Am zweiten Tag musste er in 15 Minuten ein gesetztes Thema erarbeiten, zu dem er Material bekam, darüber fünf Minuten referieren und Fragen beantworten. 

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Polizeianwärter: Persönliches Gespräch mit dem Vorgesetzten

Für Huber stand danach ein persönliches Gespräch auf dem Programm. „Die wollen ja keine tickenden Zeitbomben einstellen“, sagt er.

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Am meisten fürchtete er sich vor der ärztlichen Untersuchung: „Denn da kann ich ja nichts beeinflussen, während man sich auf die anderen Prüfungsteile mit entsprechender Literatur vorbereiten kann.“

Polizei-Ausbildung: Die Nachfrage der Anwärter ist groß

Wer bei der Polizei anheuern will, muss viel im Kopf und starke Nerven haben. Und die Polizei kann sich die Besten rauspicken. Die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen ist fast überall um ein Vielfaches höher als das Angebot.

Im Jahr 2019 standen in Nordrhein-Westfalen 10.000 Bewerber für den gehobenen Dienst 2500 Plätzen gegenüber, in Hamburg konkurrierten in diesem Jahr mehr als 5000 Bewerber um gut 500 Plätze.

Als Faustregel gilt: Je höher der Schulabschluss, desto besser die Chancen, den Einstieg in den Traumberuf zu schaffen. Ohne Abitur geht etwa in Nordrhein-Westfalen gar nichts, weil dort der gehobene Dienst nur mit Studium und Bachelor-Abschluss angeboten wird. 

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Allerdings gibt es auch Länder, in denen das Interesse an dem Beruf nachlässt: Die hessische Polizei hat nach Gewerkschaftsangaben derzeit Probleme, Ausbildungsplätze zu besetzen. Bilder von Gewaltattacken gegen Beamte und Berichte über Pöbeleien und Beschimpfungen hätten natürlich Auswirkungen, sagt der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Hessen, Peter Wittig.

Die eigentlich zum September erhofften rund 500 Neueinstellungen werde man offenbar nicht erreichen.

Polizei-Ausbildung: Rechtschreibung oftmals die größte Hürde der Anwärter

Die Eignungstests in den Ländern sind aufwendig und personalintensiv. Die Prüfungen weichen voneinander ab, jedoch zeigt sich, dass die Rechtschreibung eine Achillesferse der Bewerber ist.

Beispiel Schleswig-Holstein: Die Durchfallquote beim Diktat lag im Schnitt bei gut 30 Prozent, gefolgt von Intelligenztest und Referat mit jeweils 27 Prozent.

Die sportlichen Anforderungen dagegen konnten nur sechs Prozent nicht erfüllen. In Schleswig-Holstein scheiterten 20 Prozent der Abiturienten und 45 Prozent der Bewerber mit Mittlerer Reife am Diktat. Auch in Hamburg heißt es: „Erfahrungsgemäß haben Bewerber unabhängig vom gewünschten Laufbahn-Abschnitt die größten Schwierigkeiten im Diktat.“ 

Deshalb ist Orthografie im Polizeialltag so wichtig

Doch warum ist Orthografie so wichtig? Jungpolizist Huber, der den Test bestanden und seine dreijährige Ausbildung fast beendet hat, kann ein Lied davon singen: „Die Hälfte der Arbeitszeit sitzt man im Büro und schreibt Anzeigen an Staatsanwaltschaft und Gericht – das ist schon sehr viel Papierkram.“ Und bei diesen Adressaten bemühe man sich natürlich, fehlerfrei zu formulieren.

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Von lästiger Büroarbeit eher verschont sei die Kriminalpolizei, wie sie das Bild der Polizei im Fernsehen und damit in der Öffentlichkeit prägt. Deshalb sei sie für viele Polizisten attraktiv.

Huber: „Die Bereiche, wo es Action gibt, sind am beliebtesten. Es ist aber nicht so leicht, da reinzukommen – schon gar nicht gleich nach der Ausbildung.“

Körperliche Fitness ist essentiell um Polizist werden

Neben kognitiven Fähigkeiten müssen die Bewerber auch mit Fitness aufwarten. Für Huber war der Sporttest ein Leichtes. Doch den Bewerbern wird einiges abverlangt. In Niedersachsen etwa umfasst die Prüfung einen 5000-Meter-Lauf in maximal 28 Minuten für Männer und 33 Minuten für Frauen.

Für Aspiranten, die die Mindestkörperlänge von 1,63 Meter nicht erreichen, gibt es einen Vortest. Der soll sicherstellen, dass die kleineren Bewerber Zwangsmaßnahmen durchsetzen und Menschen aus Gefahrenbereichen bergen können. Für fast jeden dritten Teilnehmer ist der Traum damit aus. In Baden-Württemberg muss jeder, der kleiner als 1,60 Meter, sich erst in einem Spezialtest beweisen. In Hessen liegt die Grenze bei 1,55 Meter.

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In Niedersachsen genügt bei etwa einem Viertel der jungen Frauen und Männer der Gesundheitszustand nicht den Anforderungen. Dabei sind unzureichende Sehkraft sowie Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems oder der Atemwege die häufigsten Ursachen für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Auswahlverfahren.

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In Sachsen müssen Bewerber den Kasten-Bumerang-Test bestehen. Dabei überwinden sie bestenfalls neun Kastenteile in höchstens 60 Sekunden. Überdies werden von Frauen mindestens fünf, von Männern mindestens 15 Liegestütze verlangt.

Wer dann noch nicht völlig aus der Puste ist, muss als Frau 2000 Meter, als Mann 2400 Meter in höchstens 12 Minuten rennen. 

Jobsicherheit ist für viele junge Menschen ausschlaggebend

Für den Jungpolizisten Huber steht bei der Berufswahl die Sicherheit als Beamter ganz vorn. Und er wollte keinen langweiligen, immer gleichen Neun-bis-fünf-Uhr-Job.

Einsatzmöglichkeiten gibt es bei der Polizei viele: Von der Wasserschutz- über die Kriminalpolizei bis zur Diensthundestaffel und der Verkehrspolizei. Überdies finden viele junge Menschen die Arbeit im Team toll. (dpa)