„Querdenken“-Demo in LeipzigPolizei zieht nach „Katz-und-Maus-Spiel“ Bilanz

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„Ihr seid nicht der Widerstand - Ihr lauft mit Nazis Hand in Hand“ und „Neben Nazis Frieden rufen?“ steht auf Transparenten von Teilnehmern einer Kundgebung des Aktionsnetzwerkes „Leipzig nimmt Platz“. 

Leipzig – Spontane Aufzüge, eingekesselte Demonstranten: In Leipzig hat die Polizei ein Großaufgebot eingesetzt, um Kritiker der Corona-Maßnahmen und Gegendemonstranten voneinander fernzuhalten.

Hunderte Menschen kamen am Samstag zu einer Kundgebung von Gegnern der Corona-Politik zusammen, die dann aber kurzfristig abgesagt wurde. In der Innenstadt trafen daraufhin die gegensätzlichen Lager immer wieder aufeinander, wie die Polizei auf Twitter mitteilte. Die Lage war zeitweise unübersichtlich.

Corona-Demo in Leipzig abgesagt: Trotzdem mehrere Zwischenfälle

„Genehmigte Versammlungen liefen friedlich und ruhig ab. Dann aber entwickelte sich eine dynamische Situation an mehreren Stellen der Innenstadt“, sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe. Das sei eine schwierige Situation für die Polizei gewesen. Bis zum Abend sei die Situation jedoch beruhigt worden.

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Laut Polizei gab es auch Angriffe auf Einsatzkräfte – Details wurden aber zunächst nicht genannt. Eine endgültige Bilanz sei wohl erst am Sonntag möglich, so der Polizeisprecher. Es sei jedoch zu Straftaten gekommen, vor allem im Bereich der Körperverletzung.

Leipziger Demo-Samstag: „Katz-und-Maus-Spiel“

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung sprach von einem „Katz-und-Maus-Spiel“. Der SPD-Politiker sprach aber von einer ganz anderen Situation als bei der Leipziger „Querdenken“-Demonstration vor zwei Wochen, die aus dem Ruder gelaufen war, und einer gut abgestimmten Strategie zwischen Polizei und Versammlungsbehörde.

Die angemeldete Kundgebung von Kritikern der Corona-Politik wurde am Nachmittag überraschend abgesagt, obwohl schon Hunderte Menschen vor Ort waren. Der Versammlungsleiter der Kundgebung zog seine Anmeldung zurück, nachdem die Versammlungsbehörde nach Polizeiangaben sein „unvollständiges Attest zur Maskenbefreiung“ nicht akzeptiert hatte.

Die Polizei hatte zuvor bereits den Zugang abgeriegelt, weil der Platz mit 500 Personen seine Maximalkapazität erreicht habe. Die Polizei war mit Beamten aus mehreren Bundesländern im Einsatz, sie hatte Wasserwerfer und Räumpanzer in Stellung gebracht. Am Nachmittag kreiste auch ein Polizeihubschrauber über der Stadt.

Leipzig: Vorläufige Bilanz der Polizei

Bis zum Abend hatte es laut vorläufiger Bilanz der Leipziger Polizei zwei Festnahmen gegeben, 18 Straftaten wurden festgestellt. Dabei ging es um Körperverletzungen und Landfriedensbrüche. Neun Tatverdächtige wurden den Angaben zufolge ermittelt. Die Polizei erteilte 44 Platzverweise und fertigte 113 Anzeigen wegen Verstößen gegen die Sächsische Corona-Schutzverordnung.

Nach einem Angriff auf einen Journalisten erfolgte laut Polizei von Amts wegen eine Anzeige gegen Unbekannt. Eine Beamtin sei leicht verletzt worden, hieß es.

Leipzig: Kritik aus der Politik

Am frühen Abend kam es zu nicht genehmigten Spontanversammlungen. Im Bereich des Marktes und der Großen Fleischergasse sowie der Windmühlenstraße beteiligten sich nach Angaben des Polizeisprechers mehrere Hundert Gegner der Corona-Politik.

In den angrenzenden Straßen versammelten sich laut Polizei Gegendemonstranten. „Unsere Kollegen trennen diese und unterbinden so ein Aufeinandertreffen“, teilte die Polizei per Twitter mit. Dabei setzte die Polizei nach Beobachtung eines dpa-Fotografen auch Pfefferspray ein. Später ließ sie schließlich die eingekesselten Teilnehmer abziehen.

Die Leipziger Linken-Landtagsabgeordnete Juliane Nagel kritisierte, dass die Corona-Maßnahmen-Gegner den unerlaubten Aufzug in der Großen Fleischergasse „freiwillig und ohne Sanktionen“ hätten verlassen können.

Leipzig: Lob von SPD und Grünen

Zwar habe die Polizei die Lage besser im Griff gehabt als noch vor zwei Wochen, dennoch habe sie teilweise überfordert und konzeptlos gewirkt, so Nagel. Die Linke kündigte an, die Innenausschuss-Sitzung im Landtag am nächsten Donnerstag für eine Aufarbeitung des Einsatzes zu nutzen.

Grüne und SPD-Fraktion lobten, dass vieles bei Polizei und Versammlungsbehörden besser gelaufen sei als bei der „Querdenken“-Demo. Die konsequenten Zugangskontrollen, die strikte Begrenzung der Teilnehmerzahl sowie die starke Polizeipräsenz hätten ein „deutliches Zeichen“ gesetzt, so Grünen-Politiker Valentin Lippmann. Dennoch müssten Innenministerium und Polizeiführung dringend ein Gesamtkonzept im Umgang mit „antidemokratischem Protest von Gegnern der Corona-Maßnahmen“ entwickeln.

Leipzig: Kritik von der CDU 

Die Leipziger CDU kritisierte hingegen die Demonstrationen. Jede größere Menschenansammlung sei derzeit ein „potenzieller Spreader“, erklärte Sprecher Eric Buchmann.

Die Bundespolizei war vor allem am Leipziger Hauptbahnhof sowie den umliegenden Haltepunkten und Bahnhöfen sowie in den Zügen unterwegs. Rund 1300 Versammlungsteilnehmer nutzten den Angaben zufolge die Bahn.

Die Beamten registrierten mehrere Straftaten, darunter Körperverletzungen, eine Beleidigung sowie ein Mal Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen, wie die Bundespolizei am Samstagabend mitteilte. Mehr als 600 Platzverweise wurden erteilt.

Bei der Anreise am frühen Nachmittag durchsuchte die Bundespolizei unter anderem 40 Versammlungsteilnehmer, bei denen Pyrotechnik vermutet wurde. Die Durchsuchungen ergaben unter anderem zehn Fahndungstreffer.

„Querdenken“-Demo am Sonntag in Stuttgart 

In Stuttgart haben etliche Menschen am Sonntag (22. November 2020) gegen die Corona-Politik demonstriert. Bislang sei alles ruhig, sagte ein Polizeisprecher am frühen Sonntagnachmittag in Stuttgart.

Für die Kundgebung waren laut Innenministerium 500 Teilnehmer angemeldet – wie viele es zu Beginn waren, blieb zunächst unklar. Bereits am Samstag waren Hunderte Menschen im Südwesten gegen die Corona-Politik auf die Straße gegangen.

Kundgebungen gab es etwa in Pforzheim und Göppingen. In Göppingen hatte es der Polizei zufolge auch einzelne Verstöße gegen die Hygieneregeln gegeben. Ansonsten verliefen die Proteste den Angaben nach aber friedlich. (dpa, so)