An Urin-Proben getestetHunde erschnüffeln Corona-Infektion beim Menschen

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Die britische Regierung hofft, Hunde demnächst zum Erschnüffeln von mit dem Coronavirus infizierten Menschen einsetzen zu können. Das Foto zeigt einen Hund bei einer solchen Übung in Großbritannien.

von Sieglinde Neumann ()

Köln – Hunde können Drogen, Bargeld, DNA-Spuren, aber auch Krankheiten wie Krebs und Diabetes anhand von Körperausdünstungen erkennen: Die britische Regierung hofft, die Super-Spürnasen demnächst auch zum Erschnüffeln von mit dem Coronavirus infizierten Menschen einsetzen zu können.

Das soll dann vor allem als Frühwarnsystem an Flughäfen, Bahnhöfen und Grenzen genutzt werden. Oder zum Screening bei öffentlichen Großereignissen. Bestenfalls schlagen die Covid-19-Hunde auch bei symptomfreien Erkrankten schon an, so die Idee. 

Noch ist das alles Zukunftsmusik. Aber sechs Medizin-Begleithunde, Cockerspaniel und Labradore (Asher, Storm, Norman, Digby, Jasper, Star) des britischen Vereins „Medical Detection Dogs“ absolvieren jetzt die Grundausbildung zu „Covid-19-Hunden“. 

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Britische Regierung bildet sechs „Covid-19-Hunde” aus

Wissenschaftler der renommierten London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) und der Universität Durham leiten das Projekt, mit 560.000 Euro Forschungszuschuss vom Staat. Die Hunde werden mit Geruchsproben von bis zu 3250 Menschen, die gesund, asymptomatisch infiziert oder am Sars-CoV-2-Virus erkrankt sind, trainiert. 

„Noch wissen wir nicht, ob Covid-19 einen speziellen Geruch hat, aber wir wissen, dass andere Atemwegserkrankungen den Körpergeruch verändern“, sagt LSHTM-Studienleiter Prof. James Logan.

Er ist aber überzeugt: „Falls es diesen Covid-19-typischen-Geruch gibt, werden Hunde ihn erkennen können.“ Nach acht bis zehn Wochen Training sollen die Covid-19-Hunde in der Lage sein, mit ihren bis zu 220 Millionen Riechzellen bis zu 250 Personen pro Stunde auf diese besondere Duftnote zu scannen. 

Erfreuliche Pilotstudie: Hunde erschnüffeln Corona-Urinproben

Rückenwind erhält der Ansatz durch die erfolgreiche vorherige Arbeit des Teams mit Duftproben von Malaria-Infizierten, und eine Mitte Mai veröffentlichte finnische Pilotstudie.

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Speziell trainierte Hunde konnten Urinproben von Covid-19-Patienten treffsicher von Urinproben gesunder Personen unterscheiden.

„Es war fantastisch zu sehen, wie schnell die Hunde diesen neuen Geruch zu erkennen lernten“, freute sich Studienleiterin Anna Hielm-Björkman von der tiermedizinischen Fakultät der Universität Helsinki. 

Psychologin Claire Guest: Hunde können „Krankheit“ erschnüffeln

Was genau die Hunde in Urin und anderen Proben der Patienten als typisch erschnüffeln, wie lange sich die noch unbekannte Geruchssignatur nach überstandener Infektion hält, ist noch nicht bekannt. 

„Wahrscheinlich riechen die Hunde eher die Krankheit und die Veränderungen im Organismus als das Virus an sich“, mutmaßt Psychologin Claire Guest, Mitgründerin der britischen „Medical Detection Dogs“ auf „Spiegel Online“.

An Orten, wo große Menschenmengen in Umlauf sind, könnten sie aber eine „zuverlässige Vorauswahl“ treffen. Schlägt Helfer Hund an, könnte man die Person mit herkömmlichen Methoden auf das Virus testen. 

„Es gibt viele Einschränkungen“

Zurückhaltend äußert sich Prof. Benjamin Lamp vom Institut für Virologie der Justus-Liebig-Universität Gießen, gegenüber EXPRESS. Er kennt viele Studien zur Krankheitserkennung durch Tiere und sagt: „Es ist durchaus möglich, dass Hunde und andere Tiere Covid-19-Infektionen am Geruch der Patienten feststellen können. Aber es gibt viele Einschränkungen.“ 

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„Selbst bei chronischen Infektionskrankheiten erkennen die Tiere nur einen Bruchteil der Infektionen, zum Beispiel 60 bis 70 Prozent bei Tuberkulose. Man muss mit sechs Monaten bis zwei Jahren Ausbildung rechnen, das kostet eine fünfstellige Summe“, so Prof. Lamp.

„Die Covid-19-Patienten sind zudem schon vor dem eigentlichen Erkrankungsbeginn, den das Tier vielleicht wahrnehmen kann, für andere Menschen ansteckend.“ Durch häufige falsch positive Meldungen der Tiere könnten größere ethische Probleme auftreten.

„Die Hunde werden nur bei starker wissenschaftlicher Evidenz eingesetzt“, will sich auch die britische Regierung noch nicht auf einen Start-Termin für die Covid-19-Hunde an Grenzen und Bahnhöfen festlegen. 

Auch deutsche Hunde könnten bald ausgebildet werden

Dennoch, auch Assistenzhunde-Trainer in Deutschland lassen sich aktuell von Virologen und Veterinären beraten. Ein ganz praktisches Problem seien für Mensch und Tier garantiert nicht ansteckende Geruchsproben, erklärt Petra Köhler aus Bad Kreuznach.

Sie leitet die Ende März gegründete Arbeitsgruppe Covid-19-Hunde beim Assistenzhund-Zentrum Deutschland. Die 33-Jährige unterstützt das Projekt ausdrücklich, „um die Welt für alle etwas einfacher zu machen“.

In „einigen Monaten“ sei ein bundesweiter ehrenamtlicher Einsatz geplant, verriet Mitstreiterin Luca Barrett auf EXPRESS-Anfrage. Wenn die Bundesregierung die Genehmigungen erteilt, wegen des Virus müsse unter hoher Sicherheitsstufe 3 gearbeitet werden.

Lägen die Hunde bei Corona zu 90 Prozent richtig, wäre das ein guter Ansatz zur Diagnose, meint Claire Guest von „Medical Detection Dogs“.