Wie cool ist das denn?Tätowiererin ist erst 13 – und hat einen Rat, den viele beherzigen sollten

Das Foto zeigt die 13-jährige Lena, die ihren Vater tätowiert. Sie trägt eine gelbe Jogginghose und ein schwarzes T-Shirt.

Die 13-jährige Lena, wie auf dem Foto abgebildet, hat bereits einige Tattoos gestochen.

Jung übt sich: Die 13-jährige Lena gehört zu den jüngsten Tätowiererinnen in Deutschland. Sie hat bereits mehrere Menschen tätowiert, darunter auch ihren Vater.

Tattoos, ja klar, sowas haben die schweren Jungs mit Pferdeschwanz und Rockerkutte, die Muskelpakete und Fußballspieler auch. Totenköpfe sind das oft, irgendwelche Schriftzüge, ein Anker vielleicht oder ein Herz. „Kenn ich, das ist ein reines Vorurteil“, winkt Lena Täuber müde ab.

Tattoos trägt die 13-Jährige zwar keine, aber sie hat bereits Spuren hinterlassen als eine der jüngsten Tätowiererinnen Deutschlands, vielleicht auch Europas. Seit einem Jahr greift die Realschülerin zur Nadel, wenn wieder eine Kundin oder ein Kunde einen Wunsch hat und Platz nimmt im Tattoostudio ihres Vaters in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg).

Lena Täuber hat außergewöhnliches Hobby

Bevor Lena eines ihrer meist farbigen Lebenswerke schafft, zieht sie sich ihre grellgelbe Jogginghose mit den Farbflecken an, setzt sich Kopfhörer auf und dreht die koreanische Popmusik ein bisschen stärker auf. Ist so ihr Ding, sagt die 13-Jährige, während sie behutsam die Oberfläche des Rolltisches abwischt. Bei K-Pop kann sie am besten abtauchen, um eines ihrer Kunstwerke auf fremde Haut zu stechen.

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Heute hat Despina Kalaitzidou einen der seltenen Termine in Lenas Kalender erhalten – selten, weil Lena als 13-Jährige nur unter strengen Auflagen arbeiten darf. Kalaitzidou trägt bereits einen strahlend blauen Schmetterling, eine kleine Hummel und zwei Blätter von Lena auf dem Schulterblatt, nun soll der dünne Halm eines Lavendelstrauchs das Ganze verbinden. „Das Alter und die Erfahrung spielen für mich keine Rolle“, sagt die 44-Jährige aus Ludwigsburg. Lena habe ein gutes Auge und Gespür, sie habe Talent und Vorstellungskraft. „Und für mich ist es auch etwas Besonderes, weil es eines der ersten Tattoos von Lena ist.“

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Das tatsächlich erste Tattoo hat sie vor knapp einem Jahr mit dem Weihnachtsgeschenk ihres Vaters gestochen. Auf dem Küchentisch zu Hause, blaue Mülltüten als Unterlage. „Ich war da noch sehr nervös, ich hab gezittert und mich die ganze Zeit gefragt, was ich hier bloß mache.“ Mittlerweile hat Lena ihrem Vater Dutzende Zeichnungen mit ihrer kleinen batteriebetriebenen Maschine auf der Haut hinterlassen, darunter ein buntes Werk des Pop-Art-Künstlers James Rizzi auf dem Schienbein.

„Leinwand“ nennt sie ihren Vater, Alexander Täuber sieht sich eher als menschliche Litfaßsäule. „Ich bin extrem entspannt, wenn sie sticht“, erzählt er. „Sie weiß, dass sie bei mir üben und Fehler machen darf. Lenas gute Tattoos findet man nicht bei mir, sondern bei den Kunden.“

Vor einem Jahr beschlossen die Eltern quasi über Nacht, das familienbetriebene Studio „Big Little Artists“ zu eröffnen, um Lena auch legal arbeiten zu lassen und ihr eine Plattform zu bieten. Nur zwei Stunden die Woche ist Lena im Familienbetrieb im Einsatz, meistens samstags, oft hat sie Lust, ab und zu auch nicht, dann fährt sie lieber in die Stadt oder trifft Freundinnen.

Viel redet sie nicht, während sie Despinas mitgebrachtes Internetfoto eines Halms mit ihrem Ipad abfotografiert und auf Matrizenpapier überträgt, das sie schließlich auf die Haut auffügt und behutsam nachsticht. Immer wieder wischt sie mit einem Tuch nach, damit sich die Farbe nicht mit Blut vermischt, dann pustet und prüft sie kritisch, wechselt ein Wort mit Despina und konzentriert sich erneut.

Zwei Liegen weiter tätowieren Igor Minkovskiy und Kateryna (Kate) Yatsenko zwei Stammkunden. Das Tätowierer-Paar aus der Ukraine musste sein zerbombtes Studio in Odesa verlassen und landete bei den Täubers, bald schon machen sie sich selbstständig. Einer ihrer heutigen Kunden wünscht sich neben den Tigern, Affen und Lianen einen fotorealistischen Frosch auf den Unterschenkel. Mehrere Sitzungen hat er bereits investiert für sein kunstvoll geschmücktes Bein, auf dem kaum noch blanke Haut zu sehen ist.

Lena schaut sich den Halm noch ein letztes Mal an, während ihr Vater sie filmt und in einer Live-TikTok-Schalte Fragen von Followerinnen und Followern beantwortet. Der Hype um sie in den sozialen Medien und auch auf ihrem eigenen TikTok-Account scheint an der 13-Jährigen abzuperlen. Sie ruht in sich, wenn sie sagt, dass sie da „ihr Ding“ macht und das „cooler ist als Reiten“. Fans, Herzchen, das scheint Lena nicht viel zu bedeuten: „Die Sachen schau ich mir kaum an“, sagt sie. „Es ist mir nicht wichtig, berühmt zu sein. Ich bin ganz und gar nicht fame-geil.“ Auch bei ihren Freundinnen seien ihre Tattoos nicht wichtig: „Das ist Teil der Freundschaft. Für sie spielt es auch keine Rolle, das ist wie Reiten oder Tennisspielen.“

Despina schaut zufrieden in den Spiegel. Aus dem Schmetterling, der Hummel und den Blättern ist ein kleines Gesamtkunstwerk geworden. „Und ich hab noch viel Platz an anderen Stellen“, sagt sie. „Vielleicht kommt bald noch etwas dazu.“

„Tattoos müssen eine Bedeutung haben“

Namen sollten es nicht sein, warnt Lena, erst recht nicht bei jüngeren Menschen: „Tattoos müssen eine Bedeutung haben, das sollte nicht irgendein Krimskrams sein“, rät sie. „Mit 18 mag man sehr verliebt sein, mit 20 ist man es vielleicht nicht mehr. Aber so ein Tattoo, das bleibt ein Leben lang.“

Zum Abschluss des heutigen Termins desinfiziert Lena Stuhl und Rolltisch, dann wickelt sie das schützende Klebeband von der Maschine ab. „Ich kann mir schon gut vorstellen, dass ich das mal als Job mache“, sagt sie dabei. „Man soll ja das machen, was man liebt und was gibt es Cooleres, als mit seiner Leidenschaft Geld zu verdienen.“ Und die Vorurteile? „Das wird weniger“, ist sie sicher. „Es tragen immer mehr Menschen Tattoos. Sie verbinden damit auch einfach Erinnerungen und keineswegs einen bösen Gedanken.“ Ihr großes Ziel ist es, später mit Fotorealismus in Farbe überzeugen zu können. „Das ist das Schwerste. Aber man muss ja groß denken.“ (dpa)