Schulen seit Wochen zuFeiern Lehrer jetzt eigentlich Corona-Ferien, oder was?

Füße hochlegen

Können Lehrer jetzt die Füße hochlegen? Im Gegenteil! Sie müssen völlig neue Aufgaben bewältigen und sind auch in den Ferien im Dienst.

von Jutta Doppke (dop)

Köln/ Düsseldorf – In den Schulen sind die Stühle sind hochgestellt. Die Schüler sitzen zu Hause am Schreibtisch (im besten Fall) und die Eltern drucken Blätter aus und erklären Mathe. Da fragt sich so mancher: Was machen jetzt eigentlich die Lehrer? Feiern die alle Corona-Ferien?

Corona-frei? Lehrer haben weiter Dienstpflichten

Nix da mit Füße hochlegen für die Lehrer! Arbeiten müssen sie trotzdem. Auf der Homepage des Schulministeriums Nordrhein-Westfalen findet sich eine lange Liste mit klaren Ansagen. Darunter: „Das Ruhen des Unterrichtsbetriebes entbindet die Schulleitungen und die Lehrkräfte nicht von den bestehenden Dienstpflichten.“ Sichergestellt werden muss  „in jedem Fall eine Erreichbarkeit der Schulleitungen und der Lehrkräfte“.

Sogar die Frage: „Können Lehrkräfte jetzt in Urlaub fliegen?“ ist abgedeckt. (Nicht, dass das derzeit möglich wäre.). Die Antwort des Ministeriums: „Nein, denn die Lehrkräfte befinden sich nach wie vor im Dienst. Sie erfüllen – soweit sie nicht in der Schule eingesetzt sind – ihre Dienstaufgaben am heimischen Arbeitsplatz.“

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Corona-frei? Schulleitung soll kontrollieren

Wer aber kontrolliert, dass alle Lehrer weiterhin fleißig sind?  Darauf heißt es aus dem Ministerium: „Die Schulleitung stellt sicher, dass die Lehrkräfte ihren Dienstaufgaben nachkommen. Grundsätzlich stehen die Lehrkräfte sowie die Schulleitung für Fragen und Anliegen der Eltern und Schülerinnen und Schüler zur Verfügung.“

Corona-frei? Arbeit in den Ferien

Dazu wurden sie zur Notbetreuung (Klasse 1-6) verdonnert  - auch an den Wochenende und in den anstehen Ferien. „Im Rahmen der tarifrechtlichen Bestimmungen“, so heißt es im Erlass. Aus dem Ministerium heißt es dazu: „Lehrerinnen und Lehrer sind trotz des Ruhens des Unterrichts im Dienst.“ 

Das Aufgabengebiet könnte sogar ausgeweitet werden. Im Ministerium heißt es auf Anfrage: „Eine Abordnung zur Unterstützung in Gesundheitsämtern oder anderen besonders belasteten Bereichen wird derzeit geprüft, kommt aber allenfalls freiwillig und nur nach Rücksprache mit den Bezirksregierungen in Betracht.“

Aber wie sieht das alles in der Praxis aus? Express hat bei Schulleitungen nachgefragt: 

Corona-frei? Nur wenige schwarze Schafe

Markus Klenner ist stellvertretender Schulleiter des Berufskolleg an der Lindenstraße (Berufsschule, Wirtschaftsgymnasium, höhere Handelsschule und Fachoberschule). Er hat gleich eine Videokonferenz mit seiner Klasse: „Wir haben regelmäßige Termine verabredet, zu denen wir uns sehen und sprechen können. Normaler Unterricht geht so aber nicht.“

Seine Schule hatte auch vor Corona schon ein funktionierendes Medienkonzept, er selber leitet eine iPad-Klasse: „Gott sei Dank! Die Schüler sind zwar nicht die ganze Zeit online, aber ich sehe immer, was sie geschrieben haben und kann Aufgaben stellen.“ Per se haben alle Schüler der Schule einen Zugang zu einer digitalen Plattform.

Auch die Kollegen wurden dafür geschult. Das Gute an der Situation sei, so Klenner, dass „sich jetzt auch Kollegen mit den digitalen Medien auseinander setzen, die das sonst weniger tun.“ Er war erstaunt, wie viele Kollegen sich in das distanz learning einarbeiten, von denen er das zuvor nicht erwartet hätte.

Corona-frei? Eher überfordert als faul

Es gibt aber Kollegen, da läuft nicht viel. Er weiß von Lehrern an anderen Schulen, „denen würde ich unterstellen, dass sie die Füße hochlegen.“ Allerdings, so schränkt er ein, „nicht unbedingt aus Böswilligkeit oder Faulheit. In vielen Fällen ist es auch einfach Überforderung“. Mit der Situation – aber auch mit der Technik: „Wenn man sonst immer nur Folien auflegt, ist es jetzt schwierig.“

Natürlich sei die Zeiteinteilung für Lehrer derzeit deutlich flexibler. Es gibt zwar Termine für Videochats mit Schülern oder dem Kollegium. „Aber nach dem Chat entlässt man die Schüler in ihre Arbeit.“ 

Wie sehr sich die Abiturienten um ihren Abschluss sorgen, lesen Sie hier.

Obwohl er seine Schüler regelmäßig mit Materialien versorgt, weiß er: „Wenn wir uns - hoffentlich - nach den Osterferien, wiedersehen, müssen wir den Stoff aufarbeiten.“ Er sieht den Berg an Arbeit, der auf die Lehrer zukommt: „Wenn es irgendwann wieder losgeht, dann geballt.“ 

Vom Arbeitsvolumen her habe sich für Lehrer derzeit kaum etwas geändert, sagt er, „wenn man es so macht, wie es sein sollte.“ Geändert habe sich die Art der Arbeit: Leistungskontrolle ist derzeit weniger seine Aufgabe als „die Schüler bei der Stange zu halten“. Und: „Statt des Präsenzunterrichts sind Lehrer nun deutlich stärker damit beschäftigt, schriftlich Aufgaben zu erstellen und auch schriftlich und individuell Feedback zu geben“. Für die Leitungsebene sei das Arbeitsvolumen deutlich gestiegen: „Jetzt kommt das Krisenmanagement noch hinzu.“

Dabei führt er sich wenig unterstützt vom Ministerium: „Beispielsweise vom Verschieben der Abiturprüfungen haben wir auch nur über die Presse erfahren. Wir stehen doof da! Da herrscht natürlich eine große Unsicherheit.“

Corona-frei? Klassen als Büroräume

„Die meisten Lehrer sind derzeit im Homeoffice“, sagt auch Johanna Schubert. Sie ist Leiterin der Montessori-Grundschule Gilbachstraße und der Außenstelle Stammheimer Straße in Köln Riehl. „Aber viele Lehrer kommen auch ins Haus und verteilen sich hier um zu arbeiten. Dafür ist die Schule ja auch da, es ist ja ihr Arbeitsplatz. Es gab noch keinen Tag, an dem keiner hier war.“ 

Die Arbeitszeit hat sich auch laut Johanna Schubert auch bei den Grundschullehrern kaum verändert. Auch dadurch, dass die Erlasse des Ministeriums immer sehr kurzfristig kamen und die Lehrer sich schnell auf neue Situationen einstellen mussten.

Corona-frei: Arbeiten an neuen Konzepten

„Es gibt derzeit zwar nicht viel Präsenzzeit. Aber wir sind immer im Austausch.“ Auf der Homepage gibt es jeden Tag eine „Idee des Tages“ für die Kinder. Die Lehrer halten Kontakt zu den Schülern. „Und wir arbeiten daran, wie es nach der Schulschließung weitergeht. Es gibt verschiedene Arbeitsgruppen, beispielsweise zur Medienausstattung.“

Dazu kommt die Notbetreuung. Johanna Schubert: „Auch während der Ferien sind alle dienstbereit: Wir haben einen Dienstplan, es ist klar geregelt, wer die Notbetreuung und wer Vertretung macht, wenn jemand krank wird.“

Corona-frei? Kein Druck wegen Lernstoff

Die Bereitschaft zu arbeiten sieht Johanna Schubert im gesamten Kollegium. Unterschiedlich sei nur die Einschätzung des Bedürfnisses der Kinder und Eltern. Zudem gäbe es eine große Spannbreite bei den Familien. Die Leiterin der Montessori-Schule: „Es gibt auch Familien, die keine Ausstattung und keine Kenntnisse haben, was digitale Medien angeht. Die dürfen nicht durch das Raster fallen. Auch daran arbeiten wir.“ Druck machen will sie für die drei Wochen Lernstoff daher nicht: „Da mache ich mir keine Sorgen.“

Corona-frei? Es ergeben sich Chancen

Die Leiterin der Montessori-Schule in Riehl sieht auch Chancen in dieser Zeit: Gerade im Bereich der Digitalisierung. Nicht nur, weil ihr Kollegium Themen angehen kann, für die im Schulalltag sonst keine Zeit ist.

Auch von Seiten des Ministerium gäbe es Hürden: „Es gibt zwar den Digitalpakt, aber die Gelder wurden gar nicht ganz abgerufen. Weil die Gebäude marode sind und wir zum Beispiel gar kein WLAN haben.“