Animal HoardingTiersammel-Sucht: So sehr leiden Tiere in der Messie-Hölle

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Unfassbare Zustände: Dieser Hund ist in einer völlig verdreckten Box eingepfercht. Insgesamt wurden in diesem Fall aus Wuppertal 54 Hunde und drei Katzen aus einem vollkommen verwahrlosten Messie-Haus samt vermülltem Nebenbau gerettet. 

Bonn/Kaarst/Wuppertal – Die Täter sind tierliebe Menschen, und doch quälen sie ihre Tiere – manchmal sogar bis zum Tod.

EXPRESS berichtete über den Fall von Dirk S., der in Kaarst mit seinen 18 Schutzhunden die Nachbarschaft mit Dreck und Gestank tyrannisiert (hier nochmal alles dazu nachlesen).

Das Krankheitsbild nennt sich „Animal Hoarder“, Menschen also, die eine unglaublich hohe Zahl an Tieren halten. 

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Der Deutsche Tierschutzbund beschreibt Animal Hoarding auch als Tiersammel-Sucht. Betroffene Menschen halten Tiere in einer großen Anzahl, versorgen sie aber nicht angemessen.

Animal Hoarding: 17.000 Hunde und andere Tiere betroffen in Deutschland

Die Lebensumstände sind fürchterlich. Der Deutsche Tierschutzbund hat seit 2012 über sechs Jahre lang die bekannt gewordenen Fälle von Animal Hoarding gezählt, insgesamt waren es 224.

„Es waren mindestens 17.055 Tiere betroffen. Im Durchschnitt haben die zuständigen Behörden in den Haushalten 76 Tiere vorgefunden“, sagt Henriette Mackensen vom Tierschutzbund in Bonn.

Die Tierschützer vermuten, dass die Dunkelziffer deutlich höher ist. Am häufigsten betroffen waren Katzen, gefolgt von Hunden. Auch Nutztiere und sogar Wildtiere wurden auf diese Weise gehalten.

Einen traurigen Rekord stellten die Bewohner eines Bauernhofes auf, in dem fast 1000 Schafe, Ziegen, Geflügel und Hunde lebten. In Wuppertal wurden 54 Hunde aus einem völlig vermüllten Haus herausgeholt. 26 davon konnte man im Düsseldorfer Tierheim unterbringen (hier noch mal die ganze Geschichte nachlesen).

Tierhorter: Katastrophale Zustände in den Wohnungen

Den Vierbeinern im Alter von vier Monaten bis 14 Jahren geht es mittlerweile schon viel besser. Die Zustände in den Wohnungen sind häufig so katastrophal, die Tiere in einem derart schlechten Zustand, dass Strafanzeigen wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz  geschrieben werden.

Doch gegen das Animal Hoarding erfolgreich und vor allem nachhaltig vorzugehen, ist schwierig. Zwar können die Halter bestraft und ihnen kann ein Tierhaltungsverbot auferlegt werden, doch damit ist die Wurzel des Übels nicht erreicht.

Ein Haltungsverbot kann der Betroffene ignorieren, indem er aus dem Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Behörde wegzieht. Am neuen Ort wird er weitermachen wie zuvor, denn Animal Hoarding ist das Symptom einer psychischen Störung, die nur mit Therapie heilbar ist.

Tiersammel-Sucht nicht als Krankheit anerkannt

„Es ist noch nicht als eigenständiges psychisches Krankheitsbild anerkannt. Deshalb ist es auch nicht leicht, Unterstützung für Betroffene zu gewährleisten“, erläuterte Mackensen. Zudem gehört zu den Symptomen, dass die Betroffenen überhaupt nicht erkennen, wie die Tiere leiden und sich in der Regel weigern, Hilfe anzunehmen.

„Sie haben keinen Leidensdruck und keine Einsicht“, erklärt auch Hans Onno Röttgers, leitender Psychologe des Uniklinikums Marburg. Ihre Störung beginnt im Jugend- oder dem frühen Erwachsenenalter, überwiegend sind Frauen betroffen.

Animal Hoarding: Gründe sind Bindungsstörungen, ungelöste Konflikte

Sie haben Bindungsstörungen und leben mit ungelösten Konflikten, wenden sich ab von Menschen. Die Tiere werden ihr Trost. Dies muss noch nicht krankhaft sein. Doch durch eine Lebenskrise wie Scheidung oder Arbeitslosigkeit kann die Situation außer Kontrolle geraten.

Dann vermehrt sich die Zahl der Tiere rasant. Die meisten Animal Hoarder sind zwischen 40 und 60 Jahre alt. „Meist wird nur gesehen, dass es den Tieren schlecht geht. Aber auch die Menschen sind Opfer“, erklärt die Psychologin und Tierschutzexpertin Prof. Andrea Beetz.

Schließlich sind sie krank, sie verwahrlosen, leben unter so katastrophalen Verhältnissen, dass Rettungskräfte sich nur mit Atemmasken in die Wohnung trauen. Die Tiere sind trotz allem ihr Halt. Wird ihnen dieser genommen, droht Suizidgefahr.

Doch wenn niemand von außen eingreift, hört das Leiden der Tiere erst mit ihrem Tod auf. Experten raten, vorsichtig das Gespräch mit  Betroffenen zu suchen. 

Drei Kriterien: Wie kann man Tierhorter erkennen?

Laut Deutschem Tierschutzbund gibt es Anzeichen, Tierhorter zu identifizieren. Wenn folgende drei Kriterien erfüllt sind, liegt eine beginnende Tiersammel-Sucht vor.

  • Es werden mehr Tiere gehalten, als in Deutschland im Durchschnitt üblich.
  • Auf dem vorhandenen Gelände bzw. in den vorhandenen Räumlichkeiten leben zu viele Tiere (nach Einschätzung des Amtsveterinärs auf Grundlage von Minimalanforderungen, die wissenschaftlich ermittelt und publiziert wurden)
  • Der Halter zeigt trotz überdurchschnittlich hoher Tierzahl und zu geringem Raumangebot keine Einsicht, dass der Tierbestand reduziert werden muss.