WuppertalBuchhändler trotzen der Krise mit genialen Geschäftsideen

Ronsdorfer Bücherstube Team

Das Team der Ronsdorfer Bücherstube deponiert die Bestellungen einfach beim Gemüsehändler nebenan.

Wuppertal/Solingen – Gartenarbeit, Homeoffice, die Steuer machen oder stricken lernen ­– in Quarantänezeiten werden plötzlich viele kreativ was die Tagesgestaltung angeht. Besonders ein Medium feiert zurzeit ein richtiges Comeback: Das Buch. Denn wenn alle Netflix-Serien durchgeschaut, alle Youtube-Videos und das gesamte Amazon Prime-Angebot ausgeschöpft sind, finden wir den Weg zurück zu klassischen Formen der Unterhaltung. Doch heißt das noch lange nicht, dass die Buchhändler im bergischen Städtedreieck deshalb jubeln.

So wie der gesamte Einzelhandel, haben natürlich auch Buchhandlungen mit Sorge auf die Wochen der Schließung geschaut, hier geht es für viele um die blanke Existenz.

Doch Not macht kreativ- und Solidarität wird zum wertvollen Krisenretter. Vier bergische Buchhandlungen erzählen wie es ihnen in Zeiten der Corona-Pandemie geht.

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Ronsdorfer Bücherstube: Gemüsehändler teilt das Lesefutter aus

Die Bücherstube ist normalerweise eine sichere Anlaufstelle für Literatur aller Art in Wuppertal Ronsdorf. Doch seit dem 17. März war klar: die Türen müssen geschlossen bleiben. Inhaberin Susanna Erb erinnert sich: „In die ersten beiden Wochen nachdem wir schließen mussten waren wir sehr verunsichert wie es weitergehen soll.“

Ein paar vereinzelte Bestellungen kamen rein und die Bücherstube machte online auf ihrer Webseite und bei Facebook darauf aufmerksam, dass weiter bestellt und geliefert werden kann. Und siehe da, seit etwas mehr als einer Woche brummt das Geschäft. Immer mehr Bestellungen gehen ein. Doch ein Problem gab es noch: das Verpackungsmaterial für den Versand fehlte!

Diese Lieferengpässe und der Zeitdruck so schnell es geht eine Lösung zu finden, führte zu einer ungewöhnlichen Idee: einige der bestellten Bücher werden nun mit Rechnung in Tüten gepackt und kurzerhand beim Gemüsehändler nebenan abgestellt. Dort kann man sich das Lesefutter dann abholen und per Überweisung bezahlen. Das klappt bisher ohne Probleme: „die Leute überweisen wirklich auf den Punkt genau, niemand nutzt es aus. Wir sind wirklich überwältigt von so viel Solidarität.“

 Buchhändlerin Susanna Erb und ihr Team sind stolz auf so viel Zusammenhalt. Sie tun alles damit die Stammkunden bleiben und sie vielleicht sogar einige neue Leseinteressierte gewinnen. Denn eines fällt auch in Ronsdorf besonders auf: Es wird wieder viel mehr gelesen. „Die Leute entdecken die Welt der Bücher jetzt für sich, das ist für uns natürlich großartig“.

Auf ihrer Homepage stellt die Ronsdorfer Bücherstube jetzt regelmäßig Buchtipps und ein Buch des Monats vor und der Gemüsehändler nebenan freut sich über regelmäßige Kundschaft- denn was passt besser zum neuen Schmöker als eine Schale frischer Blaubeeren? So ist gleich zwei Einzelhändlern in der Krise geholfen.

Buchhandlung Jürgensen trotz Krise richtig im Stress

So ähnlich läuft es momentan auch bei Gesa Jürgensen in der Buchhandlung Jürgensen in Wuppertal Vohwinkel. Wo Anfang des Jahres noch die Laufkundschaft ein und aus ging, ist nun alles auf den digitalen Betrieb umgestellt. Doch an Arbeit mangelt es auch hier nicht: „Wir haben richtig viel zu tun, sind richtig im Stress, aber es ist auch schön!“, sagt Gesa Jürgensen im Telefoninterview. Per Email oder Telefon bestellen Neu- und Altkunden Lesestoff für die Wochen der Quarantäne. „Normalerweise sind ja oft andere Medien wichtiger“ meint Gesa Jürgensen, aber das Lesen entschleunigt auch, das brauchen viele gerade. Das holt einen wieder runter.“

Buchhandlung Jürgensen Gesa Jürgensen

Gesa Jürgensen von der Buchhandlung Jürgensen in Vohwinkel hat auf digital umgestellt. An Arbeit mangelt es ihr trotz Corona nicht.

So eine Krise kann vor allem auch emotionale Folgen haben- das merkt nun auch das Team der Buchhandlung Jürgensen jeden Tag, an dem sie keinen Kundenkontakt haben: „Uns fehlt das ganz massiv gerade, dieser Kontakt zu unseren Kunden.“ Gleichzeitig erleben sie auch hier einen Sturm der Solidarität, den sie so nicht erwartet hätten: „Wir kommen gar nicht hinterher mit dem Ausliefern, obwohl wir schon zwei Studenten haben, die uns helfen.“ Auch in Vohwinkel hat man das Gefühl viele Menschen, die vielleicht sonst nicht so viel lesen, oder eher bei Amazon bestellt hätten, wollen in der schwierigen Zeit ihre lokalen Buchhandlungen unterstützen.

Buchhandlung Jahn: Es ist ein riesiger Verwaltungsaufwand

Ein Blick über die Wuppertaler Stadtgrenzen hinaus zeigt, auch in der Nachbarstadt Solingen hat sich der Alltag der Buchhändler grundlegend verändert. Egbert Stahlschmidt von der Ohligser Buchhandlung Jahn sitzt hinter geschlossenen Türen und versucht am Telefon die Kunden so gut es geht zu beraten. „Das ist gar nicht so einfach, viele können nämlich nur ganz schwer beschreiben was sie wollen.“

Buchhandlung Jahn

Der Telefon- und Lieferdienst wird aber auch von der Solinger Kundschaft der Buchhandlung Jahn gut angenommen.

Der Telefon- und Lieferdienst wird aber auch von der Solinger Kundschaft gut angenommen. Es gab zwar Umsatzeinbrüche, doch damit war zu rechnen- die Buchhandlung Jahn stellt sich auch noch auf eine längere Quarantänezeit ein. „Es ist vor allem ein riesiger Verwaltungsaufwand. Große Warenlieferung mussten wir stoppen, denn was wollen wir mit so viel Waren gerade im Geschäft? Die Verlage ändern ihre Programme, Druckstraßen fallen aus, das ist eine riesen Sache!“ Egbert Stahlschmidt ist unter normalen Umständen viel im Kundenkontakt. Der soziale Umgang fehlt auch ihm gerade am Meisten. Doch in der Buchhandlung Jahn siegt zurzeit vor Allem die Pragmatik. Man arrangiert sich eben: „Wir raffen uns zusammen. Es ist eine Umstellung aber philosophieren hat keinen Sinn. Ohne Agonie auch keine Hysterie!“

Glücksbuchladen liefert Bücher mit dem Rad aus

Glück aus Druckerschwärze und Papier gibt es im Glücksbuchladen in Wuppertal Elberfeld. Inhaberin Kerstin Hardenburg und ihr Team liefern in Corona-Zeiten ebenfalls ihre Bücher aus – und das ganz retro mit dem Rad.

„Wir fahren zu dritt unsere Bestellungen aus“, erzählt die Buchhändlerin, „wir waren einmal schon fast in Beyenburg.“ Diese Initiative ist aus der Not erwachsen, denn man hatte auch hier nicht damit gerechnet, dass die Wuppertaler so viel Lesestoff benötigen würden. „Viele Kunden sind nach unserer Erfahrung unzufrieden mit Amazon und möchten im Moment vor allem gerne ihre lokalen Buchhandlungen unterstützen“, meint Hardenburg.

Hochgeistige Literatur wird im Übrigen eher weniger gekauft. Krimis, Taschenbücher und leichte Lektüre werden in die Satteltaschen gepackt und vorneweg: Schulbedarf. Denn viele Eltern versuchen momentan ihre Kinder zuhause zu unterrichten. Was sehr schlecht läuft ist Osterbedarf, also vor allem Bastelbücher- die Eiersuche fällt bei den meisten Familien dieses Jahr eben leider flach. Wie einige andere Buchhandlungen hat auch der Glückbuchladen die Soforthilfe des Landes NRW beantragt und bewilligt bekommen. „Das ging wirklich ganz schnell“, erzählt Kerstin Hardenburg, „wir hatten zu Anfang schon mit Existenzangst zu kämpfen, damit können wir jetzt wenigstens erst einmal aufatmen.“

kerstin hardenburg Glücksbuchladen

Inhaberin Kerstin Hardenburg und ihr Team vom Glücksbuchladen liefern in Corona-Zeiten ebenfalls ihre Bücher aus – und das ganz retro mit dem Rad.

Denn Zeit zum Luftholen bleibt den „Glücksbuchhändlerinnen“ kaum noch. Von 7 Uhr am Morgen bis spät abends sind sie entweder im Laden oder mit dem Auto oder sogar auf dem Fahrrad unterwegs. „Wir haben mehr Stress als vorher, aber so schaffen wir es glaube ich gut durch die Krise.“ Kerstin Hardenburg ist zuversichtlich.

Die Wuppertaler besinnen sich in Zeiten von Corona also wieder auf das Lesen, das Buch als Unterhaltungsmedium wird wiederentdeckt. Und die bergischen Buchhandlungen reagieren – ob per Post, Telefon oder auf dem Rad.