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Corona-AusbruchTönnies darf nicht ins Schalke-Stadion, regionaler Lockdown möglich

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Clemens Tönnies (hier bei einer Pressekonferenz Mitte Mai) muss sich in Corona-Quarantäne begeben.

Rheda-Wiedenbrück – Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert um 11.26  Uhr am 20. Juni 2020. Corona-Alarm bei Schlachtriese Tönnies: Es gibt aktuell mindestens 803 infizierte Mitarbeiter beim Unternehmen in Rheda-Wiedenbrück (Stand: 19. Juni). Alle Mitarbeiter müssen nun in Quarantäne, auch die Konzernspitze. Nun schließt auch Armin Laschet einen regionalen Lockdown nicht länger aus. Am Sonntag will sich das Landeskabinett in einer Sondersitzung mit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies beschäftigen.

  • Alle Tönnies-Mitarbeiter müssen in Quarantäne – auch Konzernchef Clemens Tönnies
  • Armin Laschet schließt regionalen Lockdown nicht mehr aus
  • Corona-Ausbruch bei Tönnies mit jetzt 803 Infizierten
  • Wegen Corona im Schlachthof Tönnies Schulen und Kitas im Kreis Gütersloh geschlossen
  • Harte Vorwürfe gegen Clemens Tönnies – Rücktritt gefordert
  • Video aus Kantine aufgetaucht

Quarantäne für Clubchef: Tönnies verpasst letztes Schalke-Heimspiel

Clemens Tönnies, Aufsichtsratschef des FC Schalke 04, verpasst das letzte Saison-Heimspiel seines Clubs. Nachdem sich Hunderte von Mitarbeitern seines großen Schlachtbetriebs in Rheda-Wiedenbrück mit dem Coronavirus infizierten, schickten die Behörden am Freitagabend auch die Führungsspitze der Tönnies-Werke in eine sogenannte Arbeitsquarantäne. Das heißt, der 64 Jahre alte Unternehmensboss Tönnies darf sich vorerst nur zwischen seinem Wohnhaus und seiner Firma bewegen. Ein Besuch in der Veltins-Arena, wo Schalke am Samstag um 15.30 Uhr den VfL Wolfsburg empfängt, ist Tönnies somit untersagt.

Corona bei Tönnies: Armin Laschet schließt regionalen Lockdown nicht mehr aus

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) schließt nach dem massiven Corona-Ausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies mit Hunderten Infizierten einen regionalen Lockdown nicht mehr aus.

Alles zum Thema Corona

Das Infektionsgeschehen könne noch lokalisiert werden. „Sollte sich dies ändern, kann auch ein flächendeckender Lockdown in der Region notwendig werden“, sagte Laschet am Freitagabend in Düsseldorf. Er sprach von einem massiven Ausbruchsgeschehen: „Das größte, bisher nie dagewesene Infektionsgeschehen in Nordrhein-Westfalen.“

Nach Auftreten des Virus in einem Tönnies-Werk sind im Kreis Gütersloh bereits das Schließen von Schulen und Kitas angeordnet worden. Einen Lockdown will der Kreis nach bisherigen Angaben aber mit diesen und weiteren Maßnahmen abwenden.

Laschet sieht ein großes Problem in der breiten Streuung der Wohnorte der Tönnies-Beschäftigten. Er sprach von einer schwierigen Lage, weil die Mitarbeiter des Schlachtbetriebs neben dem Kreis Gütersloh auch in Warendorf, Soest, Bielefeld, Hamm und anderen Orten lebten. Diese Streuung berge eine enorme Pandemiegefahr.

Zudem soll die Quarantäneanordnung für die Mitarbeiter konsequent durchgesetzt werden. Das Land werde dazu alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, sagte der Ministerpräsident. „Wir müssen sicherstellen, dass in dieser Situation jeder sich an die Regeln hält.“ Einen Corona-Ausbruch habe es „in dieser Größe“ in NRW bisher nicht gegeben.

Das nordrhein-westfälische Landeskabinett will sich am Sonntag in einer Sondersitzung mit dem Corona-Ausbruch bei Tönnies beschäftigen. Dort werde die Landesregierung die Lage erneut bewerten, sagte Laschet. Gesundheitsminister Jens Spahn und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU) hätten zugesagt, so viel Personal bereitzustellen, wie erforderlich ist. „Es wird alles getan, was nötig ist – auch mit Unterstützung des Bundes“, sagte Laschet.

Corona-Ausbruch bei Tönnies mit jetzt 803 Infizierten

Nach dem hundertfachen Corona-Ausbruch in Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies in Rheda-Wiedenbrück hilft die Bundeswehr bei den angeordneten Massentests. Am Freitag trafen 25 Soldaten ein und nahmen erste Proben bei Mitarbeitern. Sie beteiligten sich auch an organisatorischen Arbeiten: „Es wurden Absperrungen und Zäune aufgebaut“, sagte der Sprecher der Bundeswehr in NRW, Uwe Kort. Die Soldaten kommen aus Augustdorf im benachbarten Kreis Lippe und aus Rheinland-Pfalz. „Der Kreis hat aber weiter die Verantwortung“, so der Bundeswehr-Sprecher weiter. „Wir unterstützen nur.“

Nach Angaben des Kreises Gütersloh wurden mittlerweile 3500 Tests bei der Firma Tönnies vorgenommen. Am Freitag seien allein 1450 Mitarbeiter getestet worden, berichtete der Kreis am späten Nachmittag. Bislang wurden insgesamt 803 Infizierte registriert. 463 Testergebnisse waren negativ. Die restlichen Befunde stehen noch aus.

Am Vorabend waren es noch 730 Infizierte.

Wirbel um Tönnies-Video auf Twitter

Unterdessen kursiert aktuell auf Twitter ein Video aus dem mittlerweile geschlossenen Tönnies-Werk – es erweckt den Eindruck, dass in der Fabrik während der Corona-Pandemie die Hygiene- und Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten würden.

Es zeigt die Kantine in dem Betrieb, in dem Arbeiter dicht gedrängt sitzen. Eine Frau fragt: „Wie sollen wir uns hier schützen?“

Ein Sprecher des Fleisch-Riesen bestätigte gegenüber der Nachrichtenplattform t-online.de mittlerweile zwar die Echtheit des Videos, betonte aber auch, dass die Aufnahmen dem Unternehmen bereits seit März 2020 bekannt seien.

Zu dem Zeitpunkt der Aufnahmen, das Datum ist Tönnies nicht bekannt, habe es noch keine Corona-Maßnahmen im Unternehmen gegeben. Diese seien erst später ergriffen worden. Das Video zeigt also offenbar ältere Missstände.

Tönnies rudert zurück: Video doch von April

Kurz darauf ruderte der Vorstand dann aber doch zurück. Gegenüber dem SWR korrigierte sich der Tönnies-Sprecher und bestätigte, dass es sich bei dem Video doch um Aufnahmen von Anfang April, also einem Zeitpunkt, zu dem die Corona-Pandemie längst im vollen Gange war.

Ein Sprecher des zuständigen Landkreises Gütersloh teilte mit, dass die Bilder „nicht dem Pandemiekonzept des Unternehmens entsprechen“. Es habe zudem keine Sondererlaubnis für das Unternehmen Tönnies gegeben, „die allgemeinen Hygieneregeln außer Kraft zu setzen.“

Fraglich ist aber weiterhin, ob Tönnies die Informationen um den Zeitpunkt der Aufnahme bewusst verschleiern wollte, also gegenüber der Öffentlichkeit gelogen hat, oder ob es sich um ein Missverständnis gehandelt hat.

Corona-Ausbruch in Tönnies-Fleichfabrik: Schulen im Kreis Gütersloh geschlossen

Damit der Ausbruch begrenzt bleibt, sind nicht nur seit Mittwoch (17. Juni) der Schlachthof, sondern auch Schulen und Kitas dicht. Bis zu den Sommerferien wird nur eine Notbetreuung angeboten. Auf diese Weise hoffen Kreis und Landesregierung, die Gefahr einer Ausweitung des Virus einzudämmen.

Fleischkrise durch Corona-Ausbruch in Tönnies-Werk in Rheda-Wiedenbrück?

Durch die Schließung seines Schlachthofes fehlen etwa 20 Prozent der Fleischprodukte auf dem deutschen Markt. Landrat Sven-Georg Adenauer in der „Bild“: „Das ist noch kein Grund, zu Hamsterkäufen zu greifen. Aber das ist schon eine deutliche, hohe Zahl.“ Je nach Lage bleibt das Unternehmen 10 bis 14 Tage dicht.

Corona in NRW: Aktuelle Fallzahlen und Entwicklungen (lesen Sie hier mehr)

Bislang gehen die Behörden von einem „lokalen Ereignis“ aus, das sich auf die Mitarbeiter des Schlachtbetriebs am Tönnies Hauptproduktionsstandort begrenzen lasse. Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU) sprach deshalb von einer „Vorsichtsmaßnahme“. Einen allgemeinen Lockdown wolle man nicht. Im ostwestfälischen Kreis Gütersloh leben rund 362.000 Menschen.

Am Mittwoch, 17. Juni, hatte Deutschlands Marktführer bei der Schlachtung von Schweinen einen deutlichen Anstieg von Infizierten-Zahlen unter den Beschäftigten vermeldet. Bis zum Abend war die Zahl der positiv auf das Corona-Virus getesteten Mitarbeiter auf 657 gestiegen, 326 negative Ergebnisse lagen ebenfalls vor. Ein Großteil der Ergebnisse der vom Kreis veranlassten Testungen auf dem Gelände der Firma Tönnies liege damit vor.

Landrat Adenauer hat Quarantäne für rund 7.000 Menschen verfügt. Dazu zählen nach seinen Angaben die Beschäftigten auf dem Werksgelände, die Infizierten sowie ihre unmittelbaren Kontaktpersonen.

Nach Corona-Ausbruch: Robert Tönnies fordert Rücktritt seines Onkels Clemens Tönnies

Der Corona-Ausbruch bei Deutschlands größtem Schlachtbetrieb Tönnies führt am 18. Juni zur nächsten Runde des seit Jahren schwelenden Streits der Inhaber: Robert Tönnies, Mitinhaber des Schlachtbetriebs mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück, hat in einem Brief nun den Rücktritt seines Onkels Clemens Tönnies aus der Geschäftsleitung gefordert. In dem Schreiben vom 17. Juni 2020 wirft Robert Tönnies der Geschäftsleitung und dem Beirat des Konzerns unverantwortliches Handeln sowie die Gefährdung des Unternehmens und der Bevölkerung vor.

Robert Tönnies (42) hält wie sein Onkel Clemens (64) 50 Prozent an dem Unternehmen. Seit Jahren streiten sich die beiden um die Führung und Ausrichtung des Tönnies-Konzerns. Robert, Sohn des verstorbenen Firmengründers Bernd Tönnies, wirft der Geschäftsleitung und dem kontrollierenden Beirat vor, seit 2017 geltende Unternehmensleitsätze zur Abschaffung von Werkverträgen nicht umzusetzen. Er sei mit seinen Hinweisen und Vorstößen stets abgeblockt worden, heißt es in dem Brief.

Ursache für Corona-Ausbruch in Tönnies-Werk gefunden

Für NRW bedeuten die positiven Tests einen starken Anstieg der Fallzahlen. In den vergangenen Tagen war die Zunahme von nachgewiesenen Infektionen geringer geworden und hatte meist um die Zahl 100 geschwankt.

Das Unternehmen Tönnies geht bislang davon aus, dass von Heimaturlauben in Osteuropa zurückkehrende Beschäftigte das Virus mitgebracht haben könnten. Ein weiterer Faktor für die Verbreitung seien die kalten Temperaturen in den Zerlegebereichen.

Corona in Tönnies-Fabrik in NRW: Massive Kritik an Fleischbranche

Reaktionen von Kritikern der Fleischbranche kamen prompt: Der Fraktionsvorsitzende der Grünen Anton Hofreiter nannte die Zustände unhaltbar: „Die Gesundheit der Beschäftigten wird für die Profite der Fleischbarone aufs Spiel gesetzt.“

Auch für die SPD sei nach dem massiven Ausbruch erneut in der Fleischindustrie klar, betonte die Vize-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Katja Mast: „Geschäftsmodell und Infektionsgeschehen hängen zusammen“, sagte sie. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Das Hygienekonzept muss komplett versagt haben.“

Auch Greenpeace kritisierte, Branchengrößen wie Tönnies nähmen massive Infektionsrisiken in Kauf und gefährdeten die ganze Region. „Die Politik verkennt die Dimension des Problems. Die Produktion von Billigfleisch funktioniert nur auf Kosten von Gesundheit, Tier und Umwelt“, teilte Stephanie Töwe von der Naturschutzorganisation mit.

Der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) kündigte an, erneut landesweit alle Schlachthofbelegschaften mit Werkvertragsarbeitern auf das Virus testen zu lassen, um festzustellen, ob es sich bei dem Ausbruch um eine Ausnahme handele oder nicht.

In den vergangenen Wochen war es an mehreren Standorten in Deutschland, darunter auch beim Tönnies-Konkurrent Westfleisch im Kreis Coesfeld, zu Ausbrüchen des Coronavirus gekommen. Im Mai waren auf Anordnung des Gesundheitsministers alle Beschäftigten in den Schlachtbetrieben auf eine Corona-Infektion getestet worden. (dpa/sp)