Ärzte in SorgeAusnahmezustand in Praxen im Pott: Ist die Überbelastung zu bewältigen?

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Bereits jetzt sind die Arztpraxen im Ruhrgebiet schon überfüllt. Die Grippesaison hat noch nicht begonnen. Das Foto zeigt viele Patienten, die am 5. Mai 2010 in einem Wartezimmer einer Arztpraxis in Briesen sitzen.

Viersen – Schon jetzt herrscht in den meisten Arztpraxen Ausnahmezustand. Corona-Tests, Impfungen und Atteste sorgen für überfüllte Wartzezimmer.

Dabei hat die Grippesaison noch nicht begonnen. Ärzte im Ruhrgebiet zweifeln daran, ob diese Herausforderung zu bewältigen ist. Das berichtet die „WAZ“.

  • Im Ruhrgebiet herrscht in vielen Arztpraxen Ausnahmezustand.
  • Wegen zunehmenden Corona-Untersuchungen und der Nachfrage nach Grippeschutzimpfungen sind die Praxen überfüllt.
  • Ärzte fordern eine andere Corona-Teststrategie.

Ärzte im Ausnahmezustand: Praxen schon vor Grippesaison überfüllt

Betroffen ist auch Kinderärztin Christiane Thiele. Tagtäglich ist ihre Praxis voll, denn die Patienten wollen sicher gehen, dass die leichte Erkältung, der Schnupfen oder der trockene Husten nicht doch durch das Coronavirus verursacht ist.

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Oder sie brauchen einen Attest – für Kita, Schule oder den Arbeitgeber. „Jeden Tag stehen bei mir etwa 20 Eltern, die sagen: Ich wäre ja nicht gekommen, aber …“

Die Ärztin aus Viersen ist mit dem Problem nicht alleine. Gerade Hausärzte haben zurzeit mit dem hohen Andrang von Patienten zu kämpfen.

„Die Niedergelassenen arbeiten schon seit Monaten im Ausnahmezustand, und die Belastung wird noch deutlich zunehmen“, erklärt Heiko Schmitz, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein gegenüber der „WAZ“.

Überbelastung in Arztpraxen im Ruhrgebiet: Hohe Nachfrage nach Grippeschutzimpfung

Der Grund dafür seien nicht nur die voraussichtlich steigenden Fallzahlen, sondern auch die zunehmend erkälteten Menschen und vor allem die große Nachfrage nach Grippeschutzimpfungen in den Hausarztpraxen. Große Unruhe herrsche aber trotzdem nicht, denn die Praxen hätten sich auf die Situation eingestellt.

Auch Allgemeinmediziner Eugen Breimann rechnet damit, „dass das Patientenaufkommen massiv zunimmt, sobald es etwas kühler wird.“ Trotzdem sei seine Praxis nicht „extrem voller“ als im letzten Jahr zu dieser Zeit.

Mittlerweile wenden Arztpraxen neben der Regelversorgung 25 Stunden pro Woche für pandemiebezogene Aufgaben auf. Das belegt eine Erhebung der Kassenärztliche Bundesvereinigung. „Den größten Aufwand machte das Testen und Beraten“, so Vorsitzender Andreas Gassen.

NRW: Grippeschutzimpfung gefragter als letztes Jahr

Die anlaufende Grippeimpfung wird dieses Jahr gerade für Risikopatienten und Angestellte in Praxen und Heimen empfohlen, auch weil eine Doppelinfektion mit Covid-19 besonders gefährlich wäre.

Daher rechnet die KV Nordrhein mit etwa 1,3 Millionen Menschen, die sich im Rheinland impfen lassen – das entspricht einer Erhöhung von 20 Prozent im Vergleich zum letzten Jahr.

Doch das Problem in den Praxen seien nicht die Grippeimpfungen, „denn die kann ich delegieren an meine Medizinische Fachangestellte“, so Christiane Thiele.

Ärzte im Ruhrgebiet: Überstunden durch Corona-Untersuchungen

Die vielen Überstunden kommen vor allem durch die Corona-Untersuchungen: „Ich beginne normalerweise um acht und mache bis halb sechs, im Winter eher bis sieben. Doch jetzt, bereits vor der Saison, wird es häufig halb sieben und ich arbeite meine zwei Stunden Mittagspause fast komplett durch.“

Deshalb wünschen sich gerade Kinderärzte, dass eine telefonsiche Anamese wieder möglich ist. So können Kita- und Schulkinder eine Freistellung erhalten, ohne den Arzt aufzusuchen.

Ruhrgebiet: Ärzte fordern andere Corona-Teststrategie

Vor allem aber fordern die Kinderärzte eine andere Teststrategie: „Wenn an einem Ort nur wenige Fälle auftauchen, können wir gelassener sein. Wenn die Zahlen hochgehen, müssen wir mehr testen“, sagt Thiele.

Eine andere Organisation der Corona-Testungen empfiehlt auch der Hausärzteverband Nordrhein: „Die Belastung ist schon hoch“, so Sprecherin Monika Baaken.

„Wenn wir jetzt noch den zunehmenden Andrang haben, stellt sich schon die Frage, ob das noch zu bewältigen ist. Es sind einfach Grenzen gesetzt, was Ärzte leisten können. Die Corona-Testungen müssen anders kanalisiert werden, etwa in Fieberzentren, damit wir uns auf den Regelbetrieb konzentrieren können.“ (sdm)