HammMutter darf sterbenden Sohn nicht mehr sehen, jetzt spricht das Krankenhaus

Krankenhaus_Krankenschwester

Eine Mutter durfte sich in Hamm nicht von ihrem sterbenden Sohn verabschieden. Unser Symbolbild entstand 2014.

von Mirko Wirch (wir)

Hamm – Es ist eine Nachricht, die auch Wochen nach dem Tod von Thomas Dragunski (†49) noch immer traurig macht.

Dragunski litt an dem Sharp-Syndrom, auch bekannt unter der Bezeichnung Mischkollagenose.

Krankheit verläuft bei Mann aus Hamm tödlich

Patienten wie er leiden dabei unter verschiedenen Arten von Bindegewebserkrankungen. Darunter fallen Krankheiten wie die sogenannte Schmetterlingskrankheit oder auch die rheumatoide Arthritis. Bei einigen Patienten verläuft die Krankheit mild. Bei anderen tödlich. Thomas gehört zu den anderen.

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Ihr Sohn habe unter den Schüben, welche die Krankheit mit sich bringt, sehr gelitten, sagt seine Mutter Marianne Jansen nun dem „Westfälischen Anzeiger“

Dennoch habe er so gut es ging gelebt und bis zuletzt bei einem Versandhändler gearbeitet. Verheiratet war Thomas auch. Kinder hat er keine, weil er seine Krankheit nicht vererben wollte.

Alles begann mit einer Blutvergiftung und Lungenentzündung

Zu Beginn dieses Jahres erleidet Thomas eine Blutvergiftung und Lungenentzündung.

Er kommt ins Krankenhaus, wird behandelt und kurz darauf wieder entlassen. Wenig später besucht ihn seine Mutter zu Hause. Will sehen, wie es ihrem Sohn ergeht. Nicht gut. Er hat Fieber und Erbrechen, ist sehr schwach.

„Ich habe den Rettungswagen gerufen, der ihn in die St. Barbaraklinik in Hamm-Heesen gebracht hat“, erinnert sich Marianne Jansen.

Besuche in St. Barbaraklinik in Hamm-Heesen

In den ersten paar Tagen darf sie ihn noch besuchen. Dann kommt das Coronavirus und mit ihm das Besuchsverbot.

Den einzigen Kontakt, den die beiden seitdem haben, ist telefonisch. Die Mutter ruft an und die Krankenschwester hält Thomas das Telefon ans Ohr. So auch am 6. April. Es sollte das letzte Gespräch zwischen Mutter und Sohn sein.

Marianne Jansen schildert ihr letztes Gespräch mit ihrem Sohn: „Ich habe ihn gefragt, was er habe, doch er konnte nicht richtig sprechen. Da wusste ich, es ist schlimm. Ich habe gedacht, dass er stirbt.“

Keine Ausnahmen des Besucherverbots wegen Corona

Nach dem Telefonat mit ihrem Sohn will sie sofort ins Krankenhaus. Bei ihm sein. Sie telefoniert mit den zuständigen Ärzten.

„Doktor, ich möchte sofort zu meinem Sohn“, flehte die 67-Jährige am Telefon die Ärzte an. Doch die lehnen ihren Wunsch ab.

Wegen des Coronavirus müsse man Patienten und Personal schützen. Eine Ausnahme könne man nicht machen, so die Antwort.

Zwei Stunden später ist Marianne Jansens Sohn tot

Die Ärzte versprechen jedoch, sich zu melden, falls sich der Zustand ihres Sohnes verschlechtern sollte.

Zwei Stunden später kommt der Anruf aus dem Krankenhaus. Thomas ist tot. Eine Krankenschwester habe ihn im Zimmer gefunden. „Den Gedanken, dass er allein sterben musste, kann ich nicht ertragen“, sagt die verzweifelte Mutter.

Barbaraklinik verweist auf Schweigepflicht

Laut einer Sprecherin der Barbaraklinik werden auch in der jetzigen Corona-Krise Ausnahmen für Besuche gemacht – wenn klar ist, dass der sterbende Patient nicht an Covid-19 leidet. Was auf Thomas Dragunski zutraf.

Wieso seine Mutter ihn trotzdem nicht besuchen durfte? Dazu gibt die Klinik mit Verweis auf die Schweigepflicht keine Auskunft.

Kein Corona, kein Tablet

Wegen des Besuchsverbots gibt es für Coronavirus-Patienten ein Tablet, mit dem sie über Video Kontakt mit ihren Familien aufnehmen können. Denn oftmals sterben die Patienten, noch bevor sie ihre Angehörigen nochmals sehen konnten.

Ähnlich wie bei Thomas. Nur, dass er nicht an dem Coronavirus erkrankt war. Somit gab es für ihn keine Möglichkeit, seine Mutter zu sehen und sich von ihr zu verabschieden.

Die St. Barbaraklinik kann nichts Weiteres zu Thomas und den Umständen seines Todes sagen. Auch nach dem Tod ist sie der ärztlichen Schweigepflicht verpflichtet.

Eine Kliniksprecherin sagt dem „Westfälischen Anzeiger“: „Für unsere Kolleginnen und Kollegen ist es immer schwierig zu sehen, wie sehr die Angehörigen, aber vor allem die Patientinnen und Patienten darunter leiden, von ihren Lieben getrennt zu sein“

„So kann man nicht mit Menschen umgehen“

Marianne Jansen will keinen Streit mit der Klinik. „Das bringt mir meinen Sohn auch nicht zurück“, sagt sie. Was sie jedoch will: „Ich will, dass die Leute wissen, dass sie mit Menschen so nicht umgehen können. Wo bleibt denn da die Menschlichkeit?“

Damit will die trauernde Mutter verhindern, dass andere Mütter dasselbe erleiden müssen, wie sie. Sich nicht von ihrem todkranken Kind verabschieden zu können. (mir)