RatingenTatverdächtiger soll Prepper-Szene angehören – Haftbefehl wegen Mordversuchs erlassen

Nach dem Anschlag in Ratingen wird wegen versuchten Mordes gegen den 57-jährigen Tatverdächtigen ermittelt. Zudem wurden weitere Details bekannt.

Nach der verheerenden Explosion in einem Ratinger Hochhaus haben Polizei und Staatsanwaltschaft am Freitag, 12. Mai 2023, neue Details zur Tat und zum Tatverdächtigen veröffentlicht.

Gegen den 57-Jährigen wurde am Freitagnachmittag Haftbefehl wegen versuchten Mordes in neun Fällen erlassen. Das gaben Polizei und Staatsanwaltschaft in Düsseldorf bekannt. Die Tat sei heimtückisch gewesen und mit gemeingefährlichen Mitteln verübt worden. Der Mann wurde noch am Nachmittag einem Haftrichter vorgeführt.

Explosion in Ratingen: Tatverdächtiger war Polizei bekannt 

Bei der Tat soll es sich um eine gezielte und „gut durchdachte Attacke“ auf die Einsatzkräfte gehandelt haben. „Die Situation in der Wohnung, die Verwendung von dieser brennbaren Flüssigkeit und die Art und Weise, wie diese Flüssigkeit dann gegen die eingesetzten Kräfte verwendet wurde, lassen darauf schließen, dass das durchaus gut durchdacht ist“, sagte Polizei-Einsatzleiterin Heike Schultz. „Die Tür war verbarrikadiert, das macht man auch nicht mal so eben.“

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Sie gehe daher nicht nur von einem gezielten Angriff aus, sondern dass die Tat seit „mindestens mehreren Tagen so durchdacht“ gewesen sei. „Das macht man nicht mal eben so spontan.“ Bei der Explosion am Donnerstag waren zahlreiche Einsatzkräfte verletzt worden, einige von ihnen lebensgefährlich.

Der 57-Jährige soll am Dienstag (9. Mai 2023) die Wohnungstür geöffnet und eine brennende Flüssigkeit auf die Kräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst geschleudert haben, sagte Dietmar Henning von der Polizei Düsseldorf am Freitag. „Die Einsatzkräfte haben dann, selber brennend, den Ort verlassen.“

Der Verdächtige war für Polizei und Justiz kein Unbekannter. Wegen eines nicht gezahlten Geldbetrags habe ein Vollstreckungshaftbefehl gegen ihn vorgelegen, sagte Laura Neumann, Sprecherin der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Er habe auch Voreintragungen, „aber nichts Einschlägiges, nichts Vergleichbares“, sagte sie.

Die Polizei sowie auch die Staatsanwaltschaft führen weiterhin Ermittlungen zu der Explosion durch. Das Problem: Die Spurensicherung konnte erst am Freitag durchgeführt werden, da zuvor noch die Löscharbeiten liefen, so der Polizeisprecher.

Der 57-Jährige soll nach Angaben der Ermittler der sogenannten Prepper-Szene angehören. Die Wohnung habe den Eindruck gemacht, dass viele Vorräte angelegt worden seien. Zudem ließen Ermittlungen den Eindruck zu, dass der Mann zurückgezogen gelebt habe.

Tatverdächtiger aus der Prepper-Szene: Er schweigt zu den Vorwürfen

In einer Befragung habe er sich noch nicht zu den Tatvorwürfen geäußert, sagte Heike Schultz von der Polizei Düsseldorf am Freitag. Ebenso habe der Mann auf anwaltlichen Beistand verzichtet. Ihm sei ein Pflichtverteidiger an die Seite gestellt worden.

Als Prepper, abgeleitet vom englischen „prepare“ (vorbereiten), werden Menschen bezeichnet, die sich individuell auf das Überleben im Katastrophenfall vorbereiten. Dazu gehört zum Beispiel das Anlegen von Vorräten und Schutzräumen.

Polizei findet mehrere Waffen in der Wohnung des Verdächtigen

Nach der Explosion hat die Polizei mehrere Waffen gefunden. Eine PTB-Waffe sowie mehrere Messer und Dolche seien sichergestellt worden, sagte Heike Schultz. Außerdem sei ein Gefäß gefunden worden, aus dem der Verdächtige die brennbare Flüssigkeit auf die Einsatzkräfte geschleudert haben soll. Bei der Flüssigkeit soll es sich nach ersten Erkenntnissen um Benzin gehandelt haben, möglicherweise seien auch weitere Stoffe dazugemischt worden.

Nach Angaben der Polizei von Donnerstagabend waren eine 25-jährige Polizistin und ein 29-jähriger Polizist lebensgefährlich verletzt worden. „22 weitere trugen leichte Verletzungen davon“, teilte die Polizei mit. Die Zahl der Verletzten könne aber noch variieren. Zudem war zunächst unklar, ob alle durch die Explosion verletzt wurden.

Emotionaler Appell von Herbert Reul: „Passen Sie gut auf sich auf!“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hat sich nach der Explosion in Ratingen bei Düsseldorf im Intranet der Polizei mit einem emotionalen Appell an alle Beamten und Beamtinnen gerichtet. „Für den Moment habe ich nur eine Bitte: Passen Sie gut auf sich und Ihre Kolleginnen und Kollegen auf!“ So steht es in dem Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Reul beschreibt in dem Eintrag vom Freitag (12. Mai 2023), wie er den Donnerstag erlebt hat: „Gestern – ich war gerade auf dem Weg in den Innenausschuss des Landtages – musste ich erfahren, wie ein vermeintlicher Routineeinsatz zu einer Bedrohungslage ungeahnten Ausmaßes wurde.“

Reul betont, wie er sich um die verletzten Einsatzkräfte sorgt. Dann schreibt er: „Dieser furchtbare Einsatz macht mich zutiefst betroffen – und ehrlich gesagt auch wütend. Alle Kräfte hatten nur Gutes im Sinn, sie haben sich dem Dienst für die Gesellschaft verschrieben und wollten nur helfen. Doch hier wurden Retter und Helfer selbst zu Opfern.“ Und weiter wird er wie folgt zitiert: „Der mutmaßliche Täter konnte zwar festgenommen werden, aber das ist nur ein schwacher Trost. Es sind noch so viele Fragen offen – allen voran die Frage nach dem „Wieso?“.“ (nmn, mit dpa)