Nazis, Kolonialisten, AntisemitenZwölf Düsseldorfer Straßen sollen umbenannt werden

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Nach Nazi-Kollaborateur Ferdinand Porsche benannt: Die Porschestraße in Flingern.

Düsseldorf – In der Vergangenheit war in Düsseldorf immer wieder über Straßennamen diskutiert worden, die nach Menschen benannt wurden, mit denen man heutzutage lieber nicht in Verbindung gebracht werden möchte.

So wurde zum Beispiel der Ex-„Wehrwirtschaftsführer“ und spätere Thyssen-Chef Hans-Günther Sohl in Flingern vom Straßenschild entfernt und durch die jüdische Schauspielerin und Oscar-Preisträgerin Luise Rainer, die aus Düsseldorf stammte, ersetzt.

Kulturausschuss beschloss 2018 die Überprüfung aller Straßennamen

Der Kulturausschuss beschloss daher im März 2018, einen wissenschaftlichen Beirat ins Leben zu rufen, der alle Düsseldorfer Straßennamen untersuchen sollte.

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Im Sommer 2018 nahm der Beirat unter der Leitung von Dr. Benedikt Mauer (Leiter Stadtarchiv) und Bastian Fleermann (Leiter Mahn- und Gedenkstätte) ihrer Arbeit auf.

Gestern wurden die Ergebnisse dieser Mammutaufgabe vorgestellt. „Wir haben durch ein mehrstufiges Verfahren die Zahl der untersuchten Straßen von 3500 erstmal auf 650 reduziert“, erklärt Dr. Mauer.

Von 3500 Straßennamen wurden am Ende 79 genau unter die Lupe genommen

Nach kürzeren Recherchen zu den einzelnen Persönlichkeiten kristallisierte sich dann heraus, dass zu 79 Straßennamen intensive wissenschaftliche Gutachten erstellt werden müssen.

Am Ende kam der Beirat zu dem Schluss: Zwölf Straßen sollten umbenannt werden. Die Entscheidung darüber fällt am Ende aber der Stadtrat.

Und das sind die Straßen:

Pfitznerstraße (Urdenbach/Benrath):

Hans Erich Pfitzner (1869-1949) war ein Komponist und Dirigent. Er war Senator der Reichskulturkammer der Nazis und glühender Antisemit. Seine Haltung änderte er auch nach 1945 nicht. Nicht das warum sei Hitler vorzuwerfen, sondern nur das wie, schrieb er nach Kriegsende.

Petersstraße (Urdenbach):

Dr. Carl Peters war ein deutscher Kolonialpolitiker und Reichskommissar für das Kilimandscharo-Gebiet. Seinen Spitznamen „Hänge-Peters“ verdankte er seiner Grausamkeit und den damit verbundenen vielen Hinrichtungen von Schwarzen. Peters wurde wegen seiner Brutalität sogar von der Regierung nach Deutschland zurückbeordert.

Wissmannstraße (Unterbilk):

Hermann Wilhelm Leopold Ludiwg von Wissmann (1853-1905) war ein deutscher Offizier und Kolonialbeamter, Er war Gouverneur von Deutsch-Ostafrika und befehligte die Niederschlagung des „Araber-Aufstands“. Über die brutale Praxis der von ihm befehligten Schutztruppe herrscht unter Historikern Konsens.

Porschestraße (Flingern):

Ferdinand Porsche (1875-1951) war der Chefentwickler des „Kraft-durch-Freude-Wagens“ der Nazis und hatte den Rang eines „SS-Oberführers“.

Münchhausenweg (Rath):

Börries Albrecht Conon August Heinrich Freiherr von Münchhausen (1874-1945) war ein deutscher Lyriker. Er war Antisemit und gehörte zu den Unterzeichnern des „Treuegelöbnisses“ der deutschen Schriftsteller für Adolf Hitler.

Lüderitzstraße (Urdenbach):

Franz Adolf Eduard von Lüderitz (1834-1886) war ein deutscher Kaufmann, der zu den frühen Wegbereitern des deutschen Kolonialismus gezählt wird. Er betrog beim Erwerb von ganzen Landstrichen in Südwestafrika die dortigen Einheimischen.

Woermannstraße (Urdenbach):

Adolph Woermann (1847-1911) war ein deutscher Kaufmann und Großreeder, der maßgeblich an der Gründung der deutschen Kolonien in Afrika beteiligt war. Bei der Kolonialisierung Kameruns setzte er eine Söldnertruppe ein, die Widerstand rücksichtslos niederschlug. In der Hafenstadt Swakopmund (heute Namibia) errichtete er eigene Konzentrationslager für Zwangsarbeiter.

Leutweinstraße:

Thodor Gotthilf Leutwein (1849-1921) war ein deutscher Kolonialpolitiker, Kommandeur der Kaiserlichen Schutztruppe und Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika.

Schlieffenstraße (Mörsenbroich):

Alfred Graf von Schlieffen (1833-1913) war ein preußischer Generalfeldmarschall, der den „Schlieffen-Plan“ entwickelte, der als Grundlage für die Westfeldzüge im ersten Weltkrieg gilt. Er tolerierte als Vorgesetzter im Generalstab das Massaker an den Herero in Deutsch-Südwest.

Wilhelm-Schmidtbonn-Straße (Garath):

Wilhelm Schmidtbonn (1876-1952) war ein deutscher Schriftsteller, der sich vom NS-Regime vereinnahmen ließ und antisemitisch äußerte.

Heinz-Ingenstau-Straße (Stockum):

Heinz Ingenstau (1910-1971) war Stadtdirektor von Düsseldorf (1964-1971), in der Nazi-Zeit aber kurzzeitig bei der SA und auch ansonsten als Jurist in exponierter Stellung.

Hans-Christoph-Seebohm-Straße (Hellerhof):

Hans-Christoph Seebohm (1903-1967) war ein deutscher Politiker (Bundesverkehrsminister von 1949-1966) und Vizekanzler der BRD (1966). Als Sohn eines sudetendeutschen Industriellen profitierte er von der Arisierungspolitik der Nazis und spendete Geld an die NSDAP. Nach dem Krieg fiel er immer wieder mit revisionistischen Parolen und Verherrlichung der Nazi-Zeit auf.

Joseph-Beuys-Ufer bleibt

Das ebenfalls im Beirat diskutierte Joseph-Beuys-Ufer fehlt auf dieser Liste. Beuys, der Wehrmachtssoldat und Hitlerjunge war, gilt wegen seines Gesamtlebenswerkes als unbelastet.

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Der prominenteste Name unter den belasteten Straßen, ist sicher der von Ferdinand Porsche.

Der Erfinder des KdF-Wagens der Nazis (später wurde daraus der VW Käfer) hat Zwangsarbeiter aus KZ für sich arbeiten und ausländische Kinder in Heimen einfach sterben lassen.

Die Porschestraße findet sich in Flingern als Seitenstraße vom Hellweg.

„Ich finde gut, dass dieser Name wegkommt, wenn er so belastet ist“, sagt Anwohnerin Bärbel Petzold (70).

„Kolonialsiedlung" der Nazis in Urdenbach soll komplett umbenannt werden

Die Häufung von Straßen, die umbenannt werden sollen in Urdenbach ist übrigens kein Zufall: 1937 bauten die Nazis dort eine neue Siedlung, in der jede Straße nach einem deutschen Kolonialisten benannt wurde.

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Die Entscheidung, ob die Straßen am Ende wirklich umbenannt werden, trifft einzig und alleine der Stadtrat. Die Liste des Beirats ist dafür nur die Grundlage.