Kardiologe im GesprächProf. Lichtenberg: „Einen von zehn retten, ist ein Erfolg“

Aufgeräumt und ruhig: Prof. Lichtenberg direkt nach einer OP.

Aufgeräumt und ruhig: Prof. Lichtenberg direkt nach einer OP.

Düsseldorf – Er kommt gerade aus dem OP. Von einer Herztransplantation. Einer der schwierigsten Eingriffe überhaupt. Trotzdem wirkt er aufgeräumt und ruhig.

Professor Artur Lichtenberg (45), Direktor der Klinik für Kardiovaskuläre Chirurgie. Im EXPRESS-Interview spricht der angesehene Herzchirurg über seine Arbeit, seine Tipps für ein gutes Herz und den Standort Düsseldorf:

Ist Düsseldorf ein guter Ort, um einen Herzinfarkt zu kriegen?

Na ja, so etwas will ja ernsthaft niemand bekommen. Aber wenn es schon passiert, ist Düsseldorf in Sachen Versorgung ein sehr guter Platz. Es gibt neben unserem Herzzentrum einige kardiologische Kliniken und viele gute Praxen mit kardiologischer Spezialisierung. Dazu stehe auch verschiedene Rettungsdienste der Stadt Düsseldorf zu Verfügung – solche wie die Feuerwehr, das Rote Kreuz, andere Retter. Nebenbei: In Düsseldorf kann man gut leben, deswegen lassen sich auch die Ärzte gern hier nieder. Alle sind sehr gut miteinander vernetzt.

Woran machen Sie das fest?

Falls ein Patient mit einem Herzinfarkt eine herzchirurgische Behandlung benötigt und sich in einer Klinik ohne Herzchirurgie befindet, kann ein Herzchirurgen-Team mit einer kleinen Mini-Herz-Lungen-Maschine zum Patienten rausfahren, ihn dort stabilisieren und in die Uni-Klinik zur weiteren Behandlung holen. Durch die Herzchirurgie der Uniklinik sind soweit alle herzchirurgischen Notfälle in der Stadt und Umkreis ausreichend abgedeckt. Das Gesamtpaket solcher standardisierten Maßnahmen bringt eine hohe Sicherheit für Herzpatienten in der Region, vor allem in einer akuten Situation.

Können Sie sagen, wie viele Menschenleben Sie im Jahr retten?

Das ist schwierig zu sagen. Bei vielen Patienten verbessert sich durch unsere Arbeit primär die Lebensqualität. Vielen hätten aber auch ohne unsere Eingriffe nicht überlebt. Wir haben etwa mit der mobilen Herz-Lungen-Maschine in den letzten drei Jahren etwa 150 Patienten reingeholt, von denen 30 bis 40 Prozent gerettet werden konnten. Das klingt vielleicht wenig, aber ohne den Eingriff hätte wahrscheinlich keiner überlebt. Die Medizin hat auch ihre Grenzen. Und wenn wir von zehn nur einen retten, lohnt sich unsere Arbeit schon.

Auf der nächsten Seite spricht der Kardiologe über Verantwortung und Fehler.

Sie sprechen die Grenzen an. Wie gehen Sie mit der Verantwortung um, dass Fehler bei Ihnen tödlich sein können?

Das belastet uns natürlich physisch und mental. Mit einem kleinen Fehler kann ein Patient verloren sein. Deswegen müssen wir immer maximal konzentriert sein. Irgendwann muss man sich aber auch etwas lösen, unsere Arbeit als Handwerk betrachten. Ich empfinde dennoch jede Komplikation auch als persönliche Niederlage.

Wie geht man dann mit Fehlern um?

Offen und transparent, das verlange ich von mir und von meinen Mitarbeitern. Das bewährt sich auch. Selbst im Gespräch mit Patienten und Angehörigen wird man verstanden, wenn man offen über Fehler spricht und nicht versucht, etwas zu vertuschen und Geschichten zu erzählen. So etwas merken Angehörige und Patienten.

Und was macht besondere Freude am Job?

Dass man den Menschen wirklich helfen kann. In den Anfängen meiner Ausbildung hatte mich mal ein Patient beeindruckt, der eine Herzklappe ersetzt bekommen hat. Nach seiner Operation sagte er nur: „Toll, ich habe das Gefühl, ich kann fliegen.“ Man sieht den Erfolg. Das ist ein besonderes Gefühl.

Wie schaffen Sie es, junge gute Ärzte in Düsseldorf zu halten?

Man muss am eigenen Ruf ständig hart arbeiten. Die jungen Leute müssen wissen, dass sie gut betreut werden und Perspektiven haben. Wenn ein Chefarzt nicht mal weiß, wie die jungen Assistenten heißen, haben sie das Gefühl, nicht wertgeschätzt zu werden und nicht weiterzukommen. Ich denke, dass wir das in Düsseldorf ganz gut hinbekommen.

Wie oft wird hier transplantiert? Im Jahr 2014 haben wir zwölfmal transplantiert. Und wir würden gerne öfter. Denn es gibt viel mehr Bedarf an Organen als Spender – deren Zahl ist durch Skandale der letzten Zeit leider weiter gesunken. Das ist schade. Man muss den Menschen klar machen, wie wichtig das Thema ist. Dabei zu betonen: Man wird statistisch viel eher zum Empfänger als zum Spender von Organen!

Was kann man tun, um Sie und Ihre Kollegen möglichst nicht als Patient kennenzulernen?

Das wichtigste ist, gesund zu leben. Also nicht Rauchen, auf den Blutdruck achten, dieser darf nicht zu hoch sein. Und bei ersten Anzeichen der Kreislaufschwäche zum Arzt gehen.

Was ist schlimmer: Rauchen, Übergewicht oder Alkohol?

Alkohol kann in gesundem Maßen, also mal ein Glas Wein, sogar gut sein sein. Auch leichtes Übergewicht ist besser als zu mager sein. Rauchen ist anerkannt als Risiko Nummer Eins für die Entstehung von Herzproblemen, weil dadurch die Gefäßverkalkungen begünstigt werden.

Immer weniger Menschen rauchen. Sie müssten weniger Patienten haben?

An sich ja. Dafür haben aber Stressfaktoren und Umweltbelastungen zugenommen. Außerdem werden die Menschen heute älter. In der industriellen Welt steigt also die Zahl der Herzerkrankungen dennoch weiter an.

Viele Patienten schauen heute erst im Internet nach, bevor Sie zu Ihnen kommen. Stört sie das?

Nein, aber es verwirrt manche Patienten, weil man im Netz zu jedem Stichwort die Informationen nicht immer objektiv und zum Teil widersprüchlich sind. Es ist schon wichtig, dass man uns Ärzten noch vertraut.

Was machen Sie für Ihre Herzgesundheit?

Ich versuche den Stress abzubauen. Dabei hilft mir meine Familie und insbesondere mein Sohn, der im Februar zehn Jahre wird. Und ich setze mich immer wieder auf den Ruder-Heimtrainer. Ich bin aber manchmal auch undiszipliniert und schlafe lieber länger als zu trainieren.

Haben Sie eine Lieblings-Arztserie?

Ich gucke manchmal mit meiner Frau „Grey’s Anatomy“ – da stimmen die medizinischen Fakten zumindest einigermaßen. Und „Dr. House“ schauen wir auch gelegentlich.

Gehen Sie im Karneval als Arzt verkleidet?

Nein. Für uns war Karneval anfangs fremd. Wir sind ins Rheinland zugereist. Wir haben erst in Düsseldorf festgestellt, dass unser Sohn sogar an einem Rosenmontag, allerdings in Hannover, geboren ist. Letztes Jahr waren ich und mein Sohn „Astronauten“.