SchwarzfahrerinDüsseldorferin Gisa wanderte in den Knast – jetzt spricht sie über die „Horrorzeit“

Schwarzfahrerin Gisa nach ihrem Gefängnisaufenthalt

Schwarzfahrerin Gisa nach ihrem Gefängnisaufenthalt

Gisa Merz wurde in Düsseldorf beim Schwarzfahren erwischt und saß mehr als 100 Tage im Gefängnis. Jetzt hat sich die 56-Jährige zu dem Horror im Knast geäußert.

von Michael Kerst (mik)

Genau 116 Tage hat Gisa Merz hinter Gittern verbracht – weil sie in Düsseldorf schwarzgefahren ist.

Jetzt hat die 56-Jährige den Leitartikel für die am Donnerstag (27. April 2023) erscheinenden Ausgabe des Obdachlosen-Magazins „fiftyfifty“ geschrieben, berichtet in bewegenden Worten von ihren Erlebnissen – und richtet einen flammenden Appell an die Verantwortlichen.

Schwarzfahrerin Gisa: Darum war sie ohne Ticket unterwegs

Zweimal sei sie ohne Ticket mit der Rheinbahn zu ihrem Methadon-Arzt gefahren. „Aber warum bin ich eingefahren? Nicht, weil ich böse bin oder eine Verbrecherin, sondern, weil ich arm bin, weil das Geld vom Jobcenter nicht reicht, um ein Ticket zu kaufen, nicht einmal ein Sozialticket“, schreibt Gisa.

Sie wurde von der ganzen Härte des Gesetzes getroffen: „Ich wurde zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt – nach vier Monaten kam ich wegen guter Führung frei.“

Viele, darunter auch Düsseldorfer Prominenz, hatte sich für die ehemalige Obdachlose eingesetzt und ihre Begnadigung gefordert, „wie der Karnevalswagenbauer Jacques Tilly oder Breiti von den Toten Hosen, den ich persönlich kenne.“

Die bekannte Schriftstellerin Ingrid Bachér und Dominikanerpater Wolfgang Sieffert hatten das Gespräch mit Justizminister Benjamin Limbach gesucht – letztlich vergeblich!

Also musste Gisa Merz die vier langen Monate durchleben und durchleiden: „Der Aufenthalt im Knast war die Hölle“, sagt sie und beschreibt: „Ich saß zusammen mit Schwerverbrecherinnen. Da waren auch alte Frauen eingesperrt, die offenbar psychisch krank waren. Die haben jede Nacht geschrien und mit Sachen um sich geworfen.“

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Ein Ereignis hat sie besonders schwer getroffen: „Für mich persönlich am schlimmsten war die Einsamkeit. Und als Oliver Ongaro, mein Sozialarbeiter bei ‚fiftyfifty‘, mich besuchen kam, habe ich erfahren, dass mein langjähriger Freund, der Peter von der Kö, gestorben ist. Ich konnte mich noch nicht einmal auf der Trauerfeier von ihm verabschieden, weil ich ja eingesperrt war.“

Körperlich schwer zu schaffen machte der ehemaligen Drogenabhängigen, dass sie in der JVA nur am Anfang Methadon bekommen habe: „Danach haben sie das Drogenersatzmittel, das ich ja brauche, brutal abgesetzt. Ich habe tagelang am ganzen Körper gezittert und Angst gehabt.“

Gisas Appell: „Wir müssen aufhören, Armut zu bestrafen“

Aus ihren Erfahrungen zieht sie eine deutliche Forderung: „Wir müssen aufhören, Armut zu bestrafen“, so Gisas Appell. „Das Erschleichen von Leistungen, wie Schwarzfahren amtlich heißt, darf keine Straftat mehr sein, sondern muss, so wie Falschparken auch, eine Ordnungswidrigkeit sein, für die Menschen nicht eingesperrt werden.“

Dass sie zur Wiederholungstäterin wird, ist inzwischen ausgeschlossen: „Ich selbst werde nicht mehr schwarzfahren, weil ein Spender mir ein Ticket für fünf Jahre gekauft hat.“