„Schon Leute umgekippt“Corona-Anstieg lässt Gesundheitsämter in NRW verzweifeln

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Die Gesundheitsämter vieler Städte und Kreise kommen nach dem jüngsten Anstieg der Corona-Infektionen an ihre Grenzen. Unser Symbolfoto vom 8. Oktober zeigt das Gesundheitsamt in Wuppertal.

von Béla Csányi (bc)

Düsseldorf – Die dramatisch ansteigenden Corona-Zahlen der vergangenen Wochen bringen auch die Gesundheitsämter an ihre Grenzen. Besonders in Nordrhein-Westfalen, wo mit teilweise mehr als 2000 täglichen Neuinfektionen Höchstwerte verzeichnet werden, ist die Lage kritisch. Kontakte können kaum nachverfolgt werden.

  • Corona bringt Gesundheitsämter an ihre Grenzen
  • Fehlende Mittel und Mitarbeiter für Kontaktverfolgung
  • Warnung vor Corona-Kollaps in Gesundheitsämtern

Ein Bericht des WDR zeigt auf, dass die Kontaktverfolgung, eines der wichtigsten Instrumente bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie, von den Behörden vielerorts nicht mehr vollständig gewährleistet werden kann.

Corona-Anstieg in NRW: Gesundheitsämter kollabieren bei Nachverfolgung

Zwei Mitarbeiterinnen von Gesundheitsämtern in NRW berichten dabei anonym, wie sehr sich die Arbeit vor ihnen auftürmt. „Wenn ich zehn Kontakte angerufen habe, liegen 40 neue in meinem Fach“, erzählt eine von ihnen. Sie spricht aus, was Gesundheitsexperten bereits befürchtet hatten.

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Schließlich kommen auf jeden neuen Corona-Fall auch diverse Kontaktpersonen, die benachrichtigt werden müssen. Teils sind es nur eine Handvoll, teilweise aber auch dutzende. Durch die immer stärker ansteigenden Zahlen reicht die Zahl der Mitarbeiter in vielen Gesundheitsämtern nicht mehr aus, um die Infektionsketten nachzuverfolgen.

In der Not sind daher auch kreative Lösungen willkommen. In Dortmund, dem Kreis Ahrweiler und vielen weiteren Kreisen ist derzeit auch die Bundeswehr im Einsatz – Soldaten kämpfen plötzlich am Telefon. Der Gegner: Corona. In Düsseldorf sollen außerdem Mitarbeiter der am Samstag (17. Oktober) geschlossenen Kaufhof-Filiale künftig im Gesundheitsamt eingesetzt werden.

NRW-Gesundheitsämtern fehlt oft technische Ausstattung im Kampf gegen Corona

Doch nicht überall ist Hilfe zur Stelle. „Ich habe im Moment das Gefühl, dass dieses System der Kontaktverfolgung kollabiert“, sagte eine der besorgten Mitarbeiterinnen daher dem WDR.

Schließlich ist die Digitalisierung in manchen Gesundheitsämtern noch immer Zukunftsmusik. Mit Stift und Papier oder per Fax ist die Arbeit entsprechend deutlich beschwerlicher als mit modernen Computersystemen.

Außerdem kommt ein Faktor hinzu, den selbst Computer nicht beeinflussen können: In Restaurants oder bei Veranstaltungen geben Personen oft falsche oder unvollständige Daten an. Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker erklärte bereits vergangene Woche, dass dadurch etwa 40 Prozent aller Infektionsketten nicht vollständig geprüft werden könnten.

Überforderung in Gesundheitsämtern sorgt für Kritik an Corona-Politik

Mehrere Gesundheitsämter veröffentlichten konkrete Zahlen und bestätigten diese Aussage. Bein paar Beispiele:

  • In Düren lag die Quote der nicht zu ermittelnden Kontakte bei 46 Prozent
  • in Bonn bei 40 Prozent
  • in Neuss bei 35 Prozent

Entsprechend deutlich ist die Warnung einer weiteren anonymen Mitarbeiterin. „Wenn das so weitergeht, können wir nicht nur die Kontakte nicht mehr verfolgen, sondern dann auch die Infektionsketten nicht mehr aufhalten“, fürchtet sie. Die Überforderung belaste viele Kollegen: „Bei uns sind auch schon Leute umgekippt.“

Aus den Gesundheitsämtern gibt es daher auch Kritik an der Politik. Schon der Frühling hatte gezeigt, dass die gewaltige Herausforderung Corona nur mit deutlich mehr Personal in den Griff zu bekommen ist. Zwar wurden viele neue Stellen geschaffen, der Bedarf nach Verstärkung bleibt dennoch akut. (bc)