Wirbel in BornheimSpargel Ritter: Vorwürfe auch gegen Erntehelfer – Polizei ermittelt

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Viele Saisonarbeiter hatten sich in den vergangenen Tagen an den Protesten gegen Spargel Ritter beteiligt. Doch nun gibt es vom Insolvenzverwalter auch Vorwürfe gegen einige von ihnen.

von Béla Csányi (bc)

Bornheim – Nächstes Kapitel rund um die Proteste der Erntehelfer des insolventen Bornheimer Erdbeer- und Spargelhofs von Claus Ritter.

Nachdem die zuständige Insolvenzverwaltung in den vergangenen Tagen viel Kritik einstecken musste, wehrt sie sich jetzt gegen viele der erhobenen Vorwürfe. EXPRESS liegt dabei ein Dokument vor. Daraus geht hervor, dass Erntehelfer mehr Lohn erhalten haben sollen, als in den vergangenen Tagen behauptet.

Inzwischen werden zudem auch Vorwürfe gegen die Erntehelfer, die protestiert haben, laut. Die Polizei hat Ermittlungen aufgenommen.

Spargel Ritter in Bornheim: Vorwürfe von Erntehelfern und Gewerkschaft zurückgewiesen

Die Wut der rumänischen Erntehelfer ist groß. Seit vergangenem Freitag protestierten viele von ihnen immer wieder gegen angeblich nicht gezahlte Löhne und gravierende Mängel bei Verpflegung und Unterbringung im Containerdorf nahe des Bornheimer Klärwerks.

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Unterstützt wurden die Proteste vor allem von der Gewerkschaft FAU Bonn als auch von Abgeordneten der Linkspartei. Der stellvertretende Landesprecher der Linkspartei NRW, Hans Decruppe, hatte mit Blick auf die Zustände von einem „Skandal“ gesprochen.

Der heftig kritisierte Insolvenzverwalter Dr. Andreas Schulte-Beckhausen setzt sich jetzt gegen die Vorwürfe zur Wehr. Er hatte stets versprochen, dass alle Erntehelfer auch ihren vereinbarten Lohn erhalten sollten, nachdem erst die Spargel-Ernte und zuletzt auch die Erdbeerernte abgebrochen worden waren.

Abrechnung soll zeigen: Erntehelfer verdiente bei Spargel Ritter in Bornheim mehr als behauptet

EXPRESS liegt die siebenseitige Lohnabrechnung eines Erntehelfers vor, der öffentlich behauptet hatte, lediglich 350 Euro für seine seit Mitte April geleistete Arbeit erhalten zu haben. Viele Saisonarbeiter hatten sich über ähnliche oder sogar noch niedrigere Löhne beklagt.

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Die Abrechnung zeigt, dass dem Mann, der am 17. April aus dem rumänischen Cluj eingeflogen worden war, für insgesamt 47,5 geleistete Arbeitsstunden ein Nettolohn von 1200 Euro zustand. Dieser setzt sich aus dem vereinbarten Stundenlohn sowie dem sogenannten Akkord zusammen, einer Zusatzzahlung abhängig von der erreichten Erntemenge.

Nach Abzügen von insgesamt 390 Euro für Miete (6 Euro pro Tag) und Verpflegung (7,50 Euro pro Tag für drei Mahlzeiten) blieben noch 810 Euro übrig. Die öffentlich genannten 350 Euro waren der Abrechnung zufolge lediglich eine letzte Tranche, nachdem zuvor bereits Vorschüsse und Gehaltszahlungen geleistet worden waren.

Auszahlung von Mitarbeitern bei Spargel Ritter in Bornheim einen Tag nach Kündigung

In vorigen Gesprächen hatte der Insolvenzverwalter EXPRESS erklärt, dass der Großteil des Lohns erst am Ende der Ernte ausgezahlt und zwischenzeitlich lediglich kleinere Vorschüsse gezahlt werden.

Da viele Arbeiter ihren Lohn in bar ausgezahlt bekommen wollen, würden sonst während der Erntesaison größere Summen Bargeld in den nicht gerade als Hochsicherheitstrakt ausgebauten Containerunterkünften (hier lesen Sie mehr) ungesichert liegen.

Nachdem am Wochenende rund 100 Saisonarbeitern gekündigt worden war, erfolgten am Montag die viel diskutierten Auszahlungen. Am Dienstag wurde weiteren 124 Arbeitern wegen des Abbruchs der Erdbeerernte gekündigt. Ihre Gehaltsauszahlungen fanden am Mittwoch statt. Vor Ort war dabei auch die rumänische Arbeitsministerin Violeta Alexandru, die am Dienstag über die Lage informiert worden war.

Kritisierte Auszahlung der Erntehelfer bei Spargel Ritter in Bornheim mit Polizei abgestimmt

Die Auszahlungen wurden in Abstimmung mit der Polizei in Kleingruppen vorgenommen. „Wir wollten verhindern, dass sich wieder so große Menschenansammlungen bilden wie am Montag“, teilte ein Sprecher des Insolvenzverwalters mit. Er sprach von „abenteuerlichen Vorwürfen“, die in den vergangenen Tagen erhoben worden seien.

Da es sich bei den Auszahlungen um viel Bargeld handelte, wurden die Orte der Auszahlung bis zuletzt geheim gehalten. Die Gewerkschaft FAU hatte die Auszahlungen auf Feldern als „Wildwest-Manier“ kritisiert.

Laut der Insolvenzverwaltung habe das Vorgehen gut funktioniert und die überwiegende Mehrheit der Arbeiter habe sich für alles bedankt. „Das lief sehr ruhig ab“, bestätigte auch die Polizei auf Nachfrage.

Polizei ermittelt wegen Bedrohungen bei Protesten gegen Spargel Ritter in Bornheim

Schon in den vergangenen Tagen hatte Insolvenzverwalter Schulte-Beckhausen erklärt, dass es sich bei den protestierenden Saisonarbeitern nur um einen Teil der insgesamt über 200 Erntehelfer handle.

Viele weitere Erntehelfer wollten demnach ihrer Arbeit unverändert nachgehen, seien dabei aber vereinzelt von Kollegen und Gewerkschaftsmitgliedern beleidigt und bedroht worden.

Bereits frühzeitig sei daher auch das Sicherheitspersonal aufgestockt worden. Die Polizei bestätigte auf EXPRESS-Anfrage, dass wegen der Vorwürfe Ermittlungen aufgenommen wurden.