„Ich muss es ja gewesen sein“Mutter greift Lebensgefährten mit Messer an

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Die angeklagte Irina K. wird am 4. Juni 2020 in den Verhandlungssaal des Bonner Schwurgerichtes geführt.

Bonn/Euskirchen – Am Anfang schien alles gut zu laufen. Mit dem Einzug des Lebensgefährten in ihre Wohnung erfüllte sich fast ein Traum: nämlich endlich eine ganz „normale Familie zu sein“. 

Aus erster Ehe hatte Irina K. (33, Name geändert) eine zehnjährige Tochter und mit dem neuen Freund (40) ein gemeinsames Kind. „Wir hatten gemeinsame Pläne, haben die Wohnung renoviert und freuten uns auf das Weihnachtsfest.“

Trinkerei, Spielsucht, Gewalt: Junge Mutter verzweifelt

Zunehmend jedoch hatten sich wieder alte Muster eingeschlichen, die die junge Mutter bereits aus ihrer ersten Ehe kannte: Exzessive Trinkerei des Partners, Spielsucht und auch Gewalttätigkeit gegen sie und die Kinder.

Am Abend des 13. Dezember 2019 – kaum drei Monate nach dem Einzug – passierte das Furchtbare. Irina K. verlor nach einem Streit offenbar völlig die Kontrolle über ihr Verhalten.

Wut und Verzweiflung: Mutter sticht auf Partner ein

Die maßlose Wut über die Lieblosigkeit der Männer und die Verzweiflung über ihr Leben, sollen sie dazu gebracht haben, dass sie den Freund mit einem gewaltigen Messerstich in die Brust töten wollte. Aber der 40-Jährige überlebte durch schnelle Nothilfe und Operation.

Tieftraurig und voller Schuldgefühle sitzt Irina K. auf der Anklagebank des Bonner Schwurgerichts, wo sie sich seit Donnerstag wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten muss. 

Bonner Schwurgericht: Angeklagte kann sich nicht erinnern

Die Angeklagte kann sich an die Tat nicht erinnern. „Ich muss es ja wohl gewesen sein, aber ich weiß nichts von einem Messer, auch nicht, dass ich zugestochen habe“, erklärt sie den Tränen nah am ersten Prozesstag.

Dann berichtet sie über den heftigen Streit am Abend. Dass er wieder mal eine Gelegenheit gesucht hatte, mit einem Nachbarn saufen gehen zu können. Dass sie am Tag zuvor erst operiert worden war. Dass sie ihn gebeten hatte, zu bleiben. Aber er sei gegangen, habe 200 Euro aus ihrem Portemonnaie eingesteckt und war über Stunden verschwunden – offenbar in einer Spielhalle. 

„Wollte so nicht leben“: Angeklagte handelte aus Verzweiflung

„Ich wollte so nicht mehr leben“, erinnert sich die Angeklagte an ihre verzweifelten Gefühle. Schließlich hatte sie seine Klamotten in einen Koffer und einen Plastiksack gepackt und alles aus der Haustür in den Hof geworfen. Dann hatte sie versucht, ihren ohnmächtigen Zorn mit Bier und Whisky Cola (1,76 Promille ergibt später die Blutentnahme) zu betäuben.

Aus ihrem Gedächtnis gelöscht hat Irina K., dass sie an dem Abend den Lebensgefährten und seinen Saufkumpan bis zu hundert Mal versucht hat, auf dem Handy zu erreichen oder ihn in kurzen WhatsApp-Nachrichten beschimpft hat („Ich möchte dich nicht mehr sehen, du zerstörst alles!“ oder „Verabschiede dich du Schwanz“). Alles gelöscht.

Totschlag-Prozess am Bonner Schwurgericht: Angeklagte erinnert sich nicht

Sie will sich nur noch daran erinnern, dass sie die Tür erschrocken zuschlug, als sie den heimgekehrten Freund plötzlich rauchend im Hausflur entdeckte: „Aus Angst, dass er mir etwas antut“.

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Dann weiß sie nur noch, dass ein Polizist neben ihr im Schlafzimmer stand und ihr die Handschellen anlegte. Seitdem sitzt die Mutter in Untersuchungshaft. Der Kontakt zu dem Lebensgefährten jedoch ist nicht abgerissen: „Wir schreiben uns regelmäßig Briefe“, berichtet sie und gestand gestern: „Ich liebe ihn immer noch!“ (ucs)