Schüsse auf SPD-Politiker in BonnWallow: „Es war ein Kampf auf Leben und Tod“

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SPD-Politiker Hans Wallow mit seiner Anwältin 'Dr. Susanne Selter am Mittwoch vor dem Gerichtssaal

Bonn – Doppelt vermummt erschien der mutmaßliche Attentäter am Mittwoch im Gerichtssaal: Mit Mundschutz, schwarzem Eminem-Kapuzenshirt wirkte der 44-Jährige durchaus bedrohlich.

Erst als der Angeklagte aufgefordert wurde, seine Kapuze abzunehmen, um sein wahres Gesicht zu zeigen, offenbarte sich hinter einer spießigen Brille ein verzagter, fast ängstlicher Mann. Keiner jedenfalls, der offenbar aus Wut und diffuser Verachtung für die alte Politiker-Elite einen Attentatsversuch im Bonner Domizil des ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Hans Wallow gestartet haben soll.

Seit Mittwoch muss sich der studierte Informatiker wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung sowie Verstoß gegen das Waffengesetz vor dem Bonner Landgericht verantworten.

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Angreifer von Hans Wallow äußerte sich vor Gericht nicht zu den Vorwürfen

Zu den Vorwürfen wollte der 44-Jährige nichts sagen, auch nichts zu seinem Lebenslauf. Allerdings hatte der Angeklagte bereits nach dem Anschlag am 18. Dezember 2019 seine Tat beim Ermittlungsrichter eingeräumt. Unter einem Vorwand - er müsse zur Toilette - hatte er sich Zutritt zur Wohnung des früheren Politikers verschafft.

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Der Angeklagte mit Mundschutz und Kapuzenshirt

Auch damals trug er ein schwarzes Kapuzenshirt, als er schließlich mit den Worten „Endlich erwische ich mal einen von euch Scheiß-Politikern“ mit einem geladenen Gasrevoler auf den Oberkörper des 80-Jährigen gezielt und auch zwei Mal abgedrückt hat.

Dabei sei es nur „ein Zufall gewesen; dass sich kein Schuss gelöst hat“, so der Angeklagte damals. Er hätte durchaus in Kauf genommen, den Mann, der ein Freund seines Vaters ist, zu verletzen.

SPD-Politiker Hans Wallow verspürt bei Angriff im eigenen Haus „Todesangst“

„Ich hatte Angst. Todesangst“, gestand Hans Wallow im Zeugenstand, der sich bis heute von dem Trauma nicht erholt hat. „Ich kriege in den schlaflosen Nächten das Klick, Klick nicht mehr aus dem Kopf“ Und was die Anklage als „Gerangel“ mit dem Attentäter beschreibt, sei viel zu verharmlosend. Gerangel gäbe es im Kindergarten, das hier sei „ein Kampf um Leben und Tod“ gewesen.

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Seine Lebensgefährtin hatte die Gefahr, die von dem seltsamen Menschen ausging, gespürt. Aus dem Schlafzimmer hatte sie noch ein Pfefferspray besorgt, dann betrat die „Tigerin“ (Wallow) das Kampffeld, sprang den 44-Jährigen von hinten so an, dass er zu Boden fiel.

Gemeinsam gelang es dem Paar, sich auf den Angreifer zu setzen - er auf den Hintern, sie auf seine Schulter - und ihn so lange zu fixieren, bis die alarmierte Polizei erschien. Dabei wurde der 38-Jährigen zweimal in den Arm gebissen. 

Angeklagter war zwischenzeitlich in psychiatrischer Klinik untergebracht

Wallow - immer noch von dem Geschehen erschüttert - fasste es deutlich zusammen: „Ich habe es ganz klar als einen Mordversuch empfunden“. Auch der Angeklagte hatte in einem späteren Knast-Brief an einen Freund eingeräumt, dass der Politiker „nur durch das technische Versagen der Pistole überlebt“ habe. 

Von der Version des Attentäters hingegen, er habe Wallow erpressen wollen, ein Schriftstück zu unterschreiben, in dem er sich von der Schriftstellerin Simone de Beauvoir und dem Philosophen Jean Paul Sartre distanzieren sollte, wusste der 80-Jährige nichts. Die Existenzialisten seien kein Thema gewesen, auch habe es keinerlei Schriftstück gegeben.

Allein wegen dieser seltsamen Äußerungen des 44-Jährigen nach der Tat war er zunächst in eine psychiatrische Klinik untergebracht worden. Einen Monat später bereits kam der Sachverständige in einem vorläufigen Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Angeklagte voll schuldfähig ist. Seitdem sitzt er in - ganz normal - er in der JVA Köln. (ucs)