Prozess gegen Dealer in BonnTränen-Urteil nach Verwechslung bei „Aktenzeichen XY“

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Der Angeklagte mit seinem Verteidiger vor dem Bonner Landgericht.

Bonn/Waldbröl – Ein Gerichtsfall mit Happy End – und dicken Tränen der Erleichterung! Denn ein 25-jähriger Waldbröler war letztlich auf der Anklagebank des Bonner Landgerichts gelandet, weil er nach der Fahndung in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ im Verdacht stand, ein Tankstellenräuber zu sein.

Ein Zuschauer glaubte hinter dem großen, kräftigen und vermummten Räuber auf dem gesendeten Tankstellen-Video den 25-Jährigen identifizieren zu können. Bei einer Hausdurchsuchung bei dem Verdächtigen zwei Wochen später, bei der die Fahnder hofften, Indizien für den Überfall zu finden, stießen sie auf 500 Ecstasy-Pillen sowie eine kleine Menge Marihuana.

In dem Versteck befanden sich zudem eine elektrische Feinwaage, ein Teleskopschlagstock und ein Messer. Wegen Drogenhandels mit Waffen drohten dem 25-Jähigen mehr als fünf Jahre Haft.

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Angeklagter geriet zufällig ins Visier – Fahnder enttarnten ihn als Drogendealer

Aber der Angeklagte hatte Glück: Die 1. Große Strafkammer hat für den geständigen und reumütigen Mann eine milde Strafe ausgeworfen. Wegen Drogenhandels im minderschweren Fall wurde er nur zu einem Jahr und acht Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Die Richter erkannten an, dass der junge Mann kein eiskalter Drogendealer, sondern eher durch unglückselige, durchaus auch unüberlegte Umstände zum Kriminellen geworden war: So hatte er mit dem Dealen der Ecstasy-Tabletten versucht, die Mietschulden seiner schwerkranken, im März verstorbenen Mutter in Höhe von 7000 Euro zu begleichen. Eine, wie er im Prozess selber gestanden hatte, „ausgesprochen dumme Idee.“ 

Angeklagter dankt Richter in Bonn für mildes Urteil

Schließlich auch war der Angeklagte nach dem falschen Verdacht von „Pech verfolgt“, hieß es im Urteil: Sein Lehrherr hatte dem angeblichen Tankstellenräuber  - aus Angst vor einem schlechten Ruf - gekündigt; damit konnte er auch seine Ausbildung nicht mehr abschließen. Dann wurde er mit den Drogen erwischt und die geliebte Mutter ein Pflegefall. Bis zu ihrem Tod im März hatte er sich ganz alleine um sie gekümmert.

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„Vielen Dank, dass Sie mir noch so eine Chance geben.“ Den Angeklagten übermannte es nach dem Urteil; er kämpfte mit den Tränen. Auch mit den Bewährungsauflagen war der 25-Jährige „voll zufrieden“: Ein Bewährungshelfer soll ihm bei seinen Schulden- und Drogenproblemen helfen; zudem muss er 100 Sozialstunden ableisten. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.

Tankstellenüberfall aus Fahndung bei „Aktenzeichen XY“ noch immer nicht aufgeklärt

Der Tankstellenüberfall vom 17. August 2019 ist bis heute nicht aufgeklärt. Aber die Ermittler sind sicher, dass es der Angeklagte es nicht gewesen sein kann; Alibizeugen hatten ihn entscheidend entlastet. (ucs)