Was, schon zwei Jahre?Malentes füllen ’ne Lücke in Bonn, die vorher keiner kannte

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Dank der malente Familie haben sich Dieter Bohlen und Thomas Anders wieder als „Modern Talking“ vereint.

von Stefan Schultz (stz)

Bonn – High Heels, Federboas und klimpernde Wimpern: In Malentes Theater Palast regieren mal wieder die „Divas“. Zum zweiten Mal gibt es die irrwitzige Travestie-Show zu sehen und Hausherrin Loco Flanel hat nochmal eine Extraportion Rouge aufgetragen. Doch die Wieder-aufnahme ist zugleich auch Wiedereröffnung und Jubiläum. Denn nach einem halben Jahr Pandemiesperre sind Malentes jetzt wieder in ihren Theater Palast zurückgekehrt und feiern Zweijähriges.

Malentes Theaterpalast: Idee entstand in Schottland

„Wir können es kaum glauben, dass wir jetzt schon zwei Jahre in Bonn sind“, staunen Knut Vanmarcke und Dirk-Vossberg-Vanmarcke und erinnern sich für den EXPRESS an die letzten 24 Monate. Angefangen hatte alles mit einem Festivalbesuch in Schottland: „Wir hatten eigentlich genug vom Tourneeleben und wollten sesshaft werden. Als wir dann in Edinburgh dieses glamouröse Spiegelzelt entdeckten, wussten wir sofort, so muss unser Theater aussehen.“

Es sollte nicht lange dauern, bis das Zelt gefunden war – ein belgisches Familienunternehmen baut die transportablen Veranstaltungshallen seit vier Generationen.

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Die Suche nach einem passenden Grundstück sollte länger dauern, nicht anders der Genehmigungsprozess bei der Stadt: „Obwohl es sich um einen fliegenden Bau handelt, wurden wir nach der Quadratmeterzahl des Kellers gefragt.“ Für die „Malentes“ (so der Künstlername der beiden Entertainer) eher Grund zum Schmunzeln. Skurril ging es bei den beiden schon immer zu.

Malentes Theaterpalast: Sowas hatte Bonn noch nicht gesehen

Am 20. September 2018 war es dann soweit. Malentes Theater Palast öffnete seine Türen und versprach bunte Shows voller Schlager, Nostalgie und witziger Parodien. Das erste Programm ein Malente-Klassiker: „Mit 17 hat man noch Träume“, eine Revue mit den Schlagern und Stars der bundesdeutschen 60er. Winnetou und Edgar Wallace, Howard Carpendale und Vico Torriani, das Aktuelle Sportstudio und die ZDF-Hitparade. Immer im Zentrum: die Hausherren selbst, von einer Rolle in die andere schlüpfend, aufwendige Kostümwechsel inklusive. Eddie Arent, Heinz Drache, Howard Carpendale, Pierre Brice, die Beatles. Am Ende des ersten Abends in Malentes Theater Palast hielt es niemanden mehr auf den Sitzen. Der Startschuss war geglückt.

Doch statt sich auf dem Anfangserfolg auszuruhen, wagten die Theatermacher ein weiteres Risiko: eine malente-typische Neuinterpretation des Singspiel-Klassikers „Im weißen Rössl“. Großes Ensemble mit 12 Darstellern, aufwendige Kulissen und 81 geplante Vorstellungen. Knut Vanmarcke übernahm die Rolle der viel umgarnten Rössl-Wirtin. „Wir haben von vielen Seiten Bedenken zu hören bekommen: zu teuer, zu altmodisch und vor allem viel zu viele Vorstellungen.“ Zu allem Überfluss nahm das Kölner Schauspiel zeitgleich eine eigene „Rössl“-Inszenierung ins Programm. Doch die Unkenrufe verstummten schon bald. Zur Abschlussvorstellung am 28. Februar 2019 blickten Malentes auf einen echten Sensationserfolg zurück: Fast alle 81 Vorstellungen hatten vor vollständig ausverkauftem Haus stattgefunden.

Zum Finale der ersten Spielzeit hieß es dann „Sie sahen noch nie etwas, so wie DIVAS!“ Erneut ein Wagnis: Die Hausherren hatten eine Travestie-Show konzipiert, die man so eher in Hamburg oder Köln vermuten würde. Wie würden die Bonner reagieren? Im Zentrum eine Kunstfigur, wie sie sich nur Malentes ausdenken können: Loco Flanel, Erfindung und Paraderolle von Knut Vanmarcke. Wenn sie in voller Montur die Bühne betritt, muss sie sich erstmal bei ihrem Publikum entschuldigen: Sie habe leider keine Zeit gehabt, sich ordentlich zurecht zu machen.

„Aber ein schlichtes Alltagskleid, ein leichtes Tages-Makeup, einmal mit der Bürste über das Haar und Voilà! C’est moi!“ Ihr Ensemble ist nicht weniger selbstverliebt: Liza Minelli und Zarah Leander, Andrea Berg und Helene Fischer, Josephine Baker und Marlene Dietrich. Selbst Karl Lagerfeld steigt noch einmal aus dem Fashion-Himmel herab, um festzustellen, dass es in Bonn modetechnisch aussieht wie in Bitterfeld.

Malentes Theaterpalast: Corona unterbrach den Traum

Weitere Erfolge begleiteten die erste Hälfte der zweiten Spielzeit, darunter die bunter 80er-Revue „99 Luftballons“ und „Schlager gibt es immer wieder“, eine typische Malente-Zeitreise in die 70er. Nichts scheint den Erfolg der Malentes ausbremsen zu können – bis am 13. März alle Theater in NRW schließen müssen. Mitten in die Wiederaufnahme der „Divas“ bricht die Corona-Pandemie ein und verriegelt die Türen des Spiegelzelts für mehr als Monate.

Doch Malentes legen die Hände nicht verzweifelt in den Schoß. Im Gegenteil: Mit hochgekrempelten Ärmeln wird die nächste Spielzeit vorbereitet und zugleich nach Lösungen für die aktuelle Lage gesucht. Als größere Versammlungen im öffentlichen Raum wieder erlaubt sind, eröffnen die beiden kurzerhand das weltweit erste und einzige Autoscootertheater.

Malentes Theaterpalast: Mit Autoscooter Corona ein Schnippchen geschlagen

Auf dem hauseigenen Parkplatz hinter dem Spiegelzelt baut die Schaustellerfamilie Kipp ihr Fahrgeschäft auf und ersetzt die kirmestypischen Fahrzeuge  durch Palastbestuhlung. 100 Personen finden nun Platz und nehmen das Angebot mit Begeisterung an. Auf der Bühne gibt es den ganzen Sommer über noch einmal die Schlagerrevue der 70er zu sehen. Dann geht es endlich wieder nach drinnen. „Es war eine lustige und verrückte Zeit und eine einmalige Erfahrung, in einem Autoscooter zu spielen, aber am Ende schlägt unser Herz eben doch am meisten für unseren Palast.“

Am 10. September 2020 wurde in Malentes Theater Palast nach einem halben Jahr wieder Theater gespielt. Doch der Wiederaufnahme der „Divas“-Show gingen einige notwendige Umbauarbeiten und Änderungen voraus. Zwischen den Logen und im Hochparkett wurden eigens konstruierte Plexiglasbaueinheiten installiert, die zwar einzelne Gästegruppen voneinander trennen, dabei aber nicht den Blick auf Bühne und Saal beeinträchtigen. Die Anzahl der Sitzplätze musste von 199 auf 150 reduziert werden, um die Abstandsvorgabe von vier Metern zwischen Schauspielern und erster Reihe erfüllen zu können. Die kostspieligste Neuerung war jedoch die Anschaffung von vier Luftfilteranlagen, die – einem Test der Bundeswehr gemäß – 99-prozentige Viren- und Aerosolfreiheit ermöglichen. Schwere Geschütze für eine vergleichsweise kleine Spielstätte. Doch: „Wir wollen unseren Gästen ein unbeschwertes Theater-Erlebnis ermöglichen. Jeder soll sich bei uns sicher fühlen und ganz auf die Show einstellen können.“

Malentes Theaterpalast: Hausherren blicken optimistisch in die Zukunft

Längst blicken Knut Vanmarcke und Dirk Vossberg-Vanmarcke aber auch über den Tellerrand der laufenden Spielzeit hinaus. Pläne für neue Shows haben sie zuhauf. „Wenn es nach uns geht, können wir ewig so weitermachen“, und der Erfolg gibt ihnen Recht, selbst und vielleicht erst recht in den schwierigen letzten Monaten. „Der EXPRESS hat einmal den Satz geprägt, wir hätten in Bonn eine Lücke gefüllt, von der vorher niemand wusste, dass es sie gab. Offenbar ist das tatsächlich so.“