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Udo JürgensDer traurige Junge im goldenen Käfig

Udo Jürgens. Als Kind plagten ihn Alpträume.

Udo Jürgens. Als Kind plagten ihn Alpträume.

Alpträumen zu entfliehen, die einen plagen – in einem eigentlich behüteten goldenen Käfig mit Park und Pool?

Udo Bockelmann ist ein kränkliches Kind. Er leidet oft an einer Mittelohrentzündung, nachts wacht er schweißgebadet auf, weil er schlecht geträumt hat in diesem großen Haus.

Er ist ein mageres Bürschchen mit abstehenden Ohren, der in der Schule als Schwächling gehänselt wird. Der oft den Rohrstock zu spüren bekommt.

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Eine harte Welt für ein sensibles Kind, das schon mit drei Jahren hingebungsvoll Beethoven lauscht, wenn dessen Symphonien im Radio gespielt werden.

Udos Stunde schlägt in jenen jungen Jahren, wenn die Sonne untergeht, erinnert sich sein Bruder Manfred.

Wenn er Akkordeon oder Mundharmonika spielt, die er im zarten Alter von fünf Jahren geschenkt bekommen hat – oder wenn er am Klavier sitzt. All das hat er sich selbst beigebracht.

Dieses Wunderkind spürt nämlich sehr früh: Wenn es musiziert, übersehen andere seine Schwächen. Dann fliegen ihm die Herzen zu. Dann hat es eine Heimat.

Ja, das wird er später oft erzählen. Und es erklärt auch, warum er die Musik nie aufgegeben hat. Das war sein Lebenselixier. Gehen wir 80 Jahre zurück. Nach Österreich der 30er Jahre.

In Deutschland regiert bereits Hitler, 1938 wird sich Österreich ihm anschließen. Am 30. September 1934, einem Sonntag, wird Udo Bockelmann in Klagenfurt geboren.

Seine Mutter heißt Käthe, sie stammt aus Schleswig-Holstein, ihr Bruder ist der Dadaist Hans Arp. Der Vater Rudolf ist der Sohn des Bankdirektors Heinrich Bockelmann aus Bremen, der in Moskau zu Ruhm und Geld gelangt ist, beim Zaren ein und aus geht, doch dann nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs mit seiner Familie aus Russland flüchten muss.

Ja, großbürgerliche Verhältnisse. Die Bockelmanns leben bei Udos Geburt schon in dem 400 Jahre alten Schloss Ottmanach in Kärnten. Opa Heinrich Bockelmann hat es spendiert.

Eine fröhliche Familie, wird der Entertainer später sagen. Zwar Bürgertum, aber ohne Konventionen. Seine Mutter himmelt er an. Emanzipiert, schön, liebevoll und lustig sei sie gewesen. Er ist ein Muttersöhnchen.

Sein Vater ist ebenso musisch. Er hat Verständnis für den verträumten Sohn. Rudolf Bockelmann ist von 1938 bis 1945 Bürgermeister der Gemeinde Ottmanach. Später von 1954-1958 erneut. Doch seine erste Amtszeit fällt in die Naziherrschaft.

Die Familie passt sich mehr oder weniger an. Der kleine Udo geht in die Hitlerjugend, weil alle anderen, die das nicht wollen, schikaniert werden. Doch der schmächtige Junge wird auch dort drangsaliert. Ein Jungzugführer rastet aus, weil seine Uniform nicht sitzt, der Schuh nicht richtig gebunden ist.

Er prügelt auf den verängstigten Zehnjährigen ein – und verpasst ihm eine so brutale Ohrfeige, dass Udo Jürgens Hörvermögen dadurch dauerhaft beeinträchtigt bleiben wird.

Bis zum Ende seines Lebens hört er auf dem linken Ohr kaum etwas. Beinahe ist seine Musikkarriere hin.

Den Ende des Krieges verbringt die Familie in Barendorf, einem Ort bei Lüneburg, wo sie auf dem Gut des Onkels Gert untergebracht ist. Wieder eine schreckliche Zeit.

Der junge Udo muss mitansehen, wie belgische Besatzer einen Kollaborateur qualvoll mit Stacheldraht foltern und ihn schließlich hinrichten. Diese Bilder verfolgen ihn bis an sein Lebensende.

Bis ins hohe Alter plagen Udo Jürgens Schlafprobleme. Seinen Traum, Musiker zu werden, verfolgt er trotzdem. Das ist ja seine Heimat.

Seine vier Onkel sehen ihn allerdings als Nichtsnutz. Udo Jürgens: „Sie waren alle in extrem mächtigen Positionen. Die haben in mir den Loser der Familie gesehen, weil ich mit Tralala-Musik, wie sie genannt haben, auch meinem Vater zugesetzt habe.“

Onkel Werner Bockelmann ist in den 60er Jahren Oberbürgermeister von Frankfurt am Main. Gert führt wie gesagt ein großes Gut in Barendorf. Erwin ist Chef des Energieriesen BP – mit einem Anwesen an der Elbchaussee in Hamburg.

Einmal schickt er seinen Neffen abends in Kino, weil er feinen Besuch erwartet. Jahre später entschuldigt er sich bei Jürgens, besucht ihn bei einem Konzert.

Udo Jürgens hat mal erzählt, dass die Kriegs- und Nachkriegszeit für ihn bedrückende Jahre gewesen seien. Damals sei es wohl entstanden, jenes „unstillbare Harmoniebedürfnis“, zu dem er sich stets bekennen wird.

Und zu seiner Traurigkeit. Der Entertainer sagte einst: „Es ist wahrscheinlich das größte Glück, ein Leben so zu leben, wie ich dazu in die Lage gekommen bin.

Ich hatte eine unglückliche Kindheit, zum Leidwesen meiner Eltern, die alles für mich getan haben, die ich unendlich geliebt habe. Aber ich bin zu einer sehr unglücklichen Zeit Kind gewesen, nämlich in den Ausläufern der Nazi-Zeit.

Ich habe als Kind den ganzen Krieg miterlebt.“ Und weiter: „Da hat man Bilder gesehen, die nicht für Kinderaugen bestimmt sind. Und all das ist mir noch lange im Leben nachgegangen.

Und deswegen ist mein Leben eigentlich mit jedem Jahr, das ich älter geworden bin, souveräner und schöner geworden.“