Bei Anne WillPolitikerin bringt es auf den Punkt: Das sind die wahren Verlierer

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Annalena Baerbock, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, hier während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt am 9. Dezember 2020, stellte bei Anne Will am 14. Februar 2021 klar: Besonders die Kinder sind die großen Verlierer der Pandemie und des Krisenmanagements.

von Alexandra Miebach (mie)

München – Sendung mit Konfliktpotential. Bei Anne Will am Sonntag, 14. Februar 2021, 21.45 Uhr im Ersten waren einige Gäste geladen, zwischen denen das Konfliktpotential ausgesprochen hoch ist. 

Zu Gast bei Anne Will am 14. Februar 2021: 

  • Olaf Scholz (SPD, Bundesminister der Finanzen und Vizekanzler)
  • Markus Söder (CSU, Ministerpräsident von Bayern und Parteivorsitzender)
  • Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen, Parteivorsitzende)
  • Christian Lindner (FDP, Parteivorsitzender und Fraktionsvorsitzender im
  • Melanie Amann (Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros)

Anne Will: Wie angemessen und sinnvoll sind die Corona-Beschlüsse?

Bund und Länder haben den Corona-Lockdown bis zum 7. März verlängert. Öffnungen von Kitas und Schulen bleiben in der Verantwortung der Bundesländer. Einzig Friseursalons dürfen bundesweit ab 1. März unter Hygieneauflagen wieder öffnen.

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Im Vorfeld hatten verschiedene Bundesländer Stufenpläne für eine generelle Öffnungsperspektive erarbeitet, doch diese Ergebnisse vermissen die Kritikerinnen und Kritiker in den Beschlüssen.

Stattdessen gilt eine neue, niedrigere Inzidenzzahl von 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern als Bedingung, dass weitere Maßnahmen gelockert werden.

Opposition und Wirtschaft reagieren enttäuscht. Schulen, Kitas und Friseurbetriebe öffnen, alles andere bleibt geschlossen – wie angemessen und sinnvoll sind die Beschlüsse? Haben Bund und Länder eine gemeinsame Perspektive für die Zeit nach dem Lockdown? Werden die Leidtragenden des Lockdowns genug unterstützt?

Anne Will: Wie soll die Republik aus Überzeugung hinter den Maßnahmen stehen?

Im Talk mit den Politkern stellte Anne Will heraus: Wie soll die Bevölkerung hinter den Beschlüssen stehen, wenn es sogar in der Politik Unstimmigkeiten gibt? Im Konkreten bezog sie sich auf den neuen Richtwert einer Inzidenz von 35. 

Bayerns Ministerpräsident Söder erklärte: „Die Einschätzung der Kanzlerin über das Jahr hinweg waren bisher richtig und notwendig.“ Die neuen Mutationen des Coronavirus brächten nun ein zusätzliches Risiko mit, dem man sich stellen müsse.  

„Es ist jetzt ganz entscheidend, dass wir einen kühlen Kopf bewahren. So viel Freiheit wir möglich, so viel Sicherheit wie nötig“, so Söder.

Anne Will: Öffnung der Friseure sei ein wichtiger Schritt

Die Friseure dürfen ab dem 1. März wieder öffnen, auch wenn der Wert von 35 bis dahin noch nicht erreicht ist. Olaf Scholz: „Die Öffnung der Friseure sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.“

Es zeige, dass wir Schritt für Schritt mit den verbesserten Ansteckungszahlen vorankommen, so der Vizekanzler. 

Anne Will: Besonders die Kinder leiden

Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock betonte, dass besonders die Kinder unter der aktuellen Situation leiden. Sie erklärte, dass es eigentlich schon im Sommer absehbar war, dass im Winter ein erneuter Lockdown komme und das man sich in den Schulen darauf hätte vorbereiten müssen, was nicht der Fall war. 

„Am schlimmsten ist, dass vor allem die Kinder unter die Räder geraten“, so die Politikerin. Der Lockdown habe psychische Folgen für die Kinder, die noch nicht absehbar seien. „Das ist das größte Desaster“, betonte sie.

Söder ist der Meinung, der Distanzunterricht funktioniere gut. Dem stimmten Baerbock und Linder nicht zu, was der bayrische Ministerpräsident nicht verstehen konnte. 

Annalena Baerbock bei Anne Will: „Diese Kinder finden nicht statt“

Baerbock geht es dabei besonders um die Kinder, die kein eigenes Zimmer haben oder beispielsweise in einer Flüchtlingsunterkunft leben. „Diese Kinder finden in den letzten Wochen nicht statt“, so die Parteichefin der Grünen. 

Annalena Baerbock, selbst Mutter von zwei Kindern, will mehr Hilfen für Kinder, Schnelltest an den Schulen und eine Garantie, das alle Kinder regelmäßig erreicht werden müssen. 

„Wir müssen sehr sensibel sein, wie wir die Lage schildern“, findet Lindner. Ihn störe besonders die „Alternativslosigkeit“ zwischen Lockdown und Öffnung. „Ich frage mich, ob das dauerhaft durchsetzbar ist.“

Christian Lindner bei Anne Will: „Gibt auch ein Bedürfnis nach Kultur“

Der Fraktionsvorsitzender im Bundestag betonte auch: „Es gibt auch ein Bedürfnis nach Kultur.“ Es sei wichtig, dass wir Zugang zu Kultur bekämen, selbst wenn dies nur mit Tragen von FFP2-Masken, Luftfiltern und Schnelltest möglich wäre. 

Annalena Baerbock forderte zudem die selbst durchführbaren Schnelltests an den Schulen – ähnlich wie in Österreich.

Melanie Amann bei Anne Will: „Wir wurden nicht regiert“

Die Leiterin des „Spiegel“-Hauptstadtbüros, Melanie Amann, äußerte harte Kritik an der Regierung: „Wir wurden nicht regiert. Das Regieren war ein reines Reagieren.“ Auch ihr geht es unter anderem um die Schnelltest, die laut Scholz teilweise noch zugelassen werden müssen.

„Die Schnelltest werden europaweit schon das ganze Jahr verwendet und deswegen gehe ich davon aus, das die auch funktionieren. Die Tatsache, dass er noch nicht für alle Bürger greifbar ist, ist ein Skandal.“

Amann bemängelte: Es scheint keinen klaren Plan zu geben, was in welchem Fall passiere muss, um das Virus weiter einzudämmen. „Es ist niemand wirklich für das verantwortlich, was unterlassen wurde.“

Söder bei Anne Will: Kontakte müssen reduziert werden

Söder betonte, dass die Länder, die noch Konsequenter als Deutschland agieren, natürlich besser dastehen. Die einzige Möglichkeit sei nach wie vor, Kontakte zu reduzieren und sich an die Maßnahmen zu halten.

„Wir müssen eine absolute Vorsicht halten“, betonte auch Baerbock. Aber: Alles müsse besser organisiert werden, seien es die Maßnahmen, die benötigten Materialien wie Masken und Co., der Impfstoff und die Impfkapazität und eben auch die dringend benötigten Schnelltests.

Anne Will: „Warum zeigt sich Deutschland nicht als die Organisationsweltmeister?“

„Warum zeigt sich Deutschland nicht als die Organisationsweltmeister, die wir sonst immer sein wollen?“, wollte Anne Will von Olaf Scholz wissen. Er stimmte zu, dass die Bevölkerung Klarheit brauche. Trotzdem blieben auch zum Ende der Sendung hin viele Fragen offen.

Denn wenn sich schon die Politiker uneinig sind, wie lange zum Beispiel der neue Richtwert von 35 gehalten werden muss – bei Marietta Slomka sprach Angela Merkel von 14 Tagen, in der Pressekonferenz zuvor von drei bis fünf Tagen, die auch Olaf Scholz eher für realistisch ansieht – wie soll die Bevölkerung dann Klarheit und Verständnis für die Maßnahmen haben? (mie)