TV-Star beschreibt Horror-Jahr 1989„Erst habe ich gevögelt, dann wurde ich gefoltert”

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Daniel Krause passte so gar nicht ins Bild der DDR-Bonzen: Er war ein Punk – bunt und unangepasst.

von Martin Gätke (mg)

Berlin/Köln – 30 Jahre ist es her, als die Deutschen am 9. November 1989 die Mauer einrissen, die sie so lange gespaltet hat. Auf dem Beton wurde getanzt, Ost und West umarmten sich, grenzenloser Jubel. Eine friedliche Revolution, einmalig in der Geschichte.

Doch die Mauer steht nach wie vor, in den Köpfen vieler Menschen: Die einen fühlen sich abgehängt und suchen im Rechtspopulismus ihr Heil, die anderen würden am liebsten wieder einen Betonwall errichten. Unser Land ist gespalten.

Der „Berlin - Tag & Nacht“-Star Daniel Krause (50) will die Deutschen jetzt daran erinnern, welche abscheulichen Seiten die DDR hatte. Und wie wichtig es ist, die Freiheit, die wir uns erkämpft haben, zu verteidigen.

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In seiner Autobiografie „Freiheit unterm Ladentisch“ (Riva Verlag, 14,99 Euro) beschreibt der 50-Jährige, wie gnadenlos die DDR mit denjenigen umging, die nicht nach ihrer ideologischen Pfeife tanzten. Neun Monate saß er als junger Erwachsener im Stasi-Knast – und erlebte Psycho-Terror, Folter und Erniedrigungen.

Daniel Krause passte so gar nicht ins Bild der DDR-Bonzen: Er war ein Punk aus Berlin – unangepasst, bunt, laut, widerspenstig. Er hat gesoffen und gefeiert, eine Pumuckl-Frisur und keinen Bock auf die grauen Spießer des Sozialismus. Das hatte Konsequenzen.

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Serien-Star Daniel Krause 1989: Erst Sex, dann Prügel, dann Knast

Es war ein grauer Sonntagmorgen im Februar 1989, als Daniel mit einer Frau im Bett seiner kleinen Berliner Wohnung lag, die er in der Nacht zuvor auf einer Party kennengelernt hat. „Wir hatten gevögelt und waren anschließend besoffen und befriedigt weggedöst“, so beschreibt es der Schauspieler in dem Buch. Plötzlich wurde die Wohnungstür eingetreten, vier Volkspolizisten (Vopos) stürmten mit Waffen im Anschlag ins Schlafzimmer und verhafteten Daniel. Er wehrte sich nicht, als er an die Wand gestellt wurde, an den Kopf geschlagen und anschließend verhaftet wurde. Da war er gerade 20.

„Pure Angst mischte sich mit der Frage: Was ist hier eigentlich los? Ich wusste nicht, warum ich verhaftet wurde“, erklärt Daniel Krause EXPRESS. „Aber du hältst die Fresse. Jedes Mal, wenn du was sagst, kriegst du einen weiteren Schlag.“

DDR-Punk Daniel Krause kam in die Zelle einer Polizeiwache

Er wurde in die düstere Zelle einer Polizeiwache verfrachtet. Dort begann der Psycho-Terror: Immer wieder kamen die Vopos in die Zelle, schalteten ein grelles Scheinwerferlicht ein, schlugen ihm mit Knüppeln auf den Kopf. Dutzende Male musste er sich an die Wand stellen.

Und ohne zu wissen, warum er überhaupt im Knast saß, sollte er Namen und Geburtsdatum sagen – und warum er festgenommen wurde. „Weil ich Punk bin“, improvisierte Daniel. Alle halbe Stunde ging das so, einen ganzen Tag, eine ganze Nacht lang Dauerbeschuss. Bis der junge Mann in der Zelle körperlich am Ende war.

Daniel Krause über DDR: „Ich war unbequem und sollte aussortiert werden”

„Ich war jemand, der in ihren Augen aussortiert werden musste. Ich war unbequem, hatte Kontakt zur Kirche, zu Künstlerkreisen, hatte viele Vermerke in meiner Akte“, erklärt Daniel Krause. „Mir war klar: Ich komme so schnell nicht mehr raus.“

Vom Haftrichter erfuhr er dann endlich, warum er offiziell im Knast saß: Er soll in einem Jugendklub FDJ-Mitglieder 20-mal geschlagen und 30-mal getreten haben. „Das war natürlich Blödsinn. Es wurde etwas geschubst, das war’s. Es ging vielmehr darum, an mir ein Exempel zu statuieren.“

Daniel Krause wurde in Haftanstalt Rummelsburg gebracht

Anschließend ging es in die Haftanstalt Rummelsburg. Hier wurde schon seit dem Kaiserreich drangsaliert und hingerichtet, die Nazis verschickten von hier aus Homosexuelle und „Asoziale“ in KZs, später wurden Zehntausende DDR-Häftlinge hier untergebracht. „Das war’s dann wohl. Mir wurde schlagartig klar, dass ich die Welt jenseits des Tores für eine sehr lange Zeit nicht mehr zu Gesicht bekommen würde“, schreibt Krause in seinem Buch.

Daniel Krause kam in den Stasi-Knast: „Ich war 20 und frisch verliebt”

Er sah eine neue Welt vor sich, „voller Härte und Brutalität“. „Ich war einfach verzweifelt“, erklärt Krause. „Dabei war ich doch nur 20 und frisch verliebt.“

Auch im Stasi-Knast wurde Krause nächtelang stündlich geweckt. Tagelang bekam er keinen Schlaf, kaum Essen, er sollte gebrochen werden. Und nicht nur die Herren „Obermeister“ machten ihm zu schaffen, auch seine Zellengenossen.

Daniel Krause über Stasi-Knast: „Jeglichen Kontakt zur Menschlichkeit verloren”

Krause beschreibt im Buch, wie er sich Tag für Tag prügeln musste, wie er schikaniert wurde und dafür Strafen von den Wärtern bekam. „Als ich auf meinem Bett lag und an die Wand starrte, fühlte ich mich, als hätte ich jeglichen Kontakt zur Menschlichkeit und ihren Gesetzen verloren“, schreibt Krause.

Erst nach neun Wochen sah er das erste Mal seine Mutter wieder – natürlich wurde das Treffen zensiert. „Statt zu sprechen winkte mir meine Mutter durch die Plexiglasscheibe zaghaft und mit Tränen in den Augen zu“, beschreibt Krause die Szene im Buch. „Es brach mir das Herz, sie so hilflos und verzweifelt zu sehen.“

1989: Daniel Krause im Knast, die Welt drehte sich weiter

Doch während Krause 1989 in seiner kleinen Zelle saß, in einem „zähen grauen Brei aus Ungewissheit, Angst und Langeweile“, drehte sich die Welt weiter. „Du hast schon gemerkt, dass da draußen etwas rumort“, erklärt er. Der Knast füllte sich noch weiter, es wurde unruhig. „Der monotone graue Brei fing an zu blubbern.“

Sieben Monate nach seiner Verhaftung kam es zum Gerichtstermin, es war September 1989. „Die Leute, meine Freunde, meine Mutter standen mit Tränen in den Augen im Gerichtsgebäude, raunten mir zu: Krause, die Mauer fällt. Die Leute hauen alle ab, hier ist die Hölle los. Bald können die hier gar nichts mehr. Halte durch!“

Daniel Krause kam frei: „Wollte nur saufen, ficken, feiern”

Zwei Jahre Haft ohne Bewährung – für ein paar Schubser. So lautete das Urteil. Doch die Haft dauerte keine sechs Wochen. Dann wurde Krause aus der Zelle geholt, ihm wurden seine Sachen übergeben, „Raus“ hieß es nur. Er war frei. „Ich habe meine Haare verloren, die Hälfte meiner Zähne, nur noch 58 Kilo gewogen, Stress und Vitaminmangel. Doch ich war frei“, sagt er rückblickend.

„Saufen, ficken, feiern – das war alles, worauf es mir nach dem Knast ankam“, sagt Krause ehrlich. Und drei Tage nach der Entlassung, gerade als er mit einem Kumpel „hackedicht“ war, hörte er im West-Radio: Die Mauer ist offen.

9. November 1989: Die Kumpels preschten auf die andere Seite

„Wo sonst Straßenbahnen, Busse und U-Bahnen fuhren, war jetzt alles voller Menschen“, erinnert sich Krause. Mit seinem Freund lief er Richtung Grenze, dann berührte sein Kumpel ihn kurz an der Hand, schaute Krause an und rief „Los“.

Damit preschten sie auf die andere Seite, auch in der Angst, alles sei nur ein Missverständnis und es könnte doch geschossen werden. „Wir waren Helden. Helden dieser Nacht.“

Daniel Krause, der Punk, der dafür im Knast saß, weil er die DDR bunter machen wollte – heute ist er einer der bekanntesten Tätowierer in Berlin, war lange Zeit bei „Berlin – Tag & Nacht“ zu sehen, bekam letztes Jahr eine Tochter.

Daniel Krause: „Wir müssen stolz auf die Freiheit sein”

„Wir haben uns friedlich befreit, ohne Steine, ohne Feuer, ohne Waffen und Gewalt“, erklärt Krause. „Darauf müssen wir stolz sein.“ Doch die Freiheit sieht er wieder bedroht. „Die Grenze liegt jetzt woanders: Sie betrifft die krassen Lohnunterschiede für Ostdeutsche, höhere Arbeitslosigkeit, eine riesige Unzufriedenheit“, erklärt Krause. „Und die Politiker haben jahrzehntelang dabei zugesehen, wie Menschen hilflos in der Ecke stehen. Sie nehmen ihre Probleme nicht ernst. Für die AfD ist es leider ein Leichtes, diese frustrierten Menschen für sich zu gewinnen.”

Sein Appell: „Gerade jetzt ist es wichtig, dass wir alle zusammen auch 30 Jahre nach der Mauer unsere Freiheit verteidigen.“