Intensivmediziner frustriert bei „Lanz”„Befürchte, dass es fast schon zu spät ist”

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Intensivmediziner Stefan Kluge mahnt die Politik bei „Markus Lanz” am Donnerstag (15. April) zu schnellen Maßnahmen.

von Martin Gätke (mg)

Köln – Vier Wochen ist es her, als Deutschland die bundesweite Pandemiebekämpfung eingestellt hat. So zumindest wirkt es für viele. Damals sorgte das Oster-Debakel für Wirbel, Merkel bat um Verzeihung – seitdem ist wenig passiert. Ein Intensivmediziner klagt deshalb bei „Markus Lanz“ (ZDF) am Donnerstagabend (23.15 Uhr) an: Er fürchtet, es könnte schon zu spät sein.

  • „Markus Lanz“ am Donnerstagabend: Intensivmediziner Stefan Kluge klagt über die Corona-Politik
  • Der Mediziner mahnt: Sollte die Politik so weitermachen, dann ist der knallharte Lockdown nur eine Frage der Zeit
  • Kluge fordert außerdem eine Ausgangssperre

Die Corona-Zahlen schnellen immer weiter nach oben, die Intensivmediziner kommen immer mehr an ihre Belastungsgrenze. Doch statt schnell und entschieden zu handeln, debattiert die Bundesregierung tagelang über die „Bundes-Notbremse“, die wird wohl nach bisherigem Plan frühestens Ende kommender Woche einsetzen. Statt Kampf gegen Corona gibt es einen Machtkampf zwischen Armin Laschet und Markus Söder. Haben sich die Prioritäten in die falsche Richtung verschoben?

Die Gäste bei „Markus Lanz”

  • Peter Ramsauer
  • Katja Leikert
  • Markus Feldenkirchen
  • Sahra Wagenknecht
  • Prof. Stefan Kluge

Geht es nach dem Intensivmediziner Stefan Kluge, dann ja. Der Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mahnt bei „Markus Lanz”: Sollte sich die Corona-Entwicklung so fortsetzen wie bisher und sollte die Politik nicht langsam entschieden einschreiten, dann ist der knallharte Lockdown nicht mehr aufzuhalten.

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„Markus Lanz”: Intensivmediziner erklärt frustriert die Lage auf den Intensivstationen

Zum Zeitpunkt der Aufzeichnung von „Markus Lanz“ werden 4.700 Covid-Patienten auf den Intensivstationen behandelt, Kluge erklärt ruhig: „35 Prozent werden hundertprozentig sterben.“ Eine Ansage, die erstmal sacken muss. In der dritten Welle seien diesmal außerdem nicht nur vulnerable Gruppen betroffen, „das sind jüngere Menschen, die sterben. Der Altersschnitt bei uns beträgt 56 Jahre.“ Ein weiteres Problem: „Das Personal brennt uns aus.“ Wegen schlechter Bedingungen hätten während der Pandemie bereits 9000 Pflegekräfte den Beruf schon verlassen.

Und auch wer genesen ist, sei nicht wirklich gesund. Zwei Drittel der Überlebenden kämpften nach dem Aufenthalt auf der Intensivstation mit den Langzeitfolgen, dem sogenannten „Long Covid“. Selbst Extremsportler hätten noch Monate nach der Entlassung mit Symptomen zu kämpfen.

Stefan Kluge bei „Markus Lanz”: „Da platzt einem der Kragen”

Schon lange warnen Intensivmediziner wie Kluge die Politik vor einer Überlastung der Intensivmedizin in Deutschland. Auch Kluge wirkt frustriert: „Da platzt einem der Kragen, wenn sich die Politik nicht langsam auf einheitliche Regeln für Deutschland einigen kann.“ Der Arzt ist sich sicher: Die dritte Welle, in der sich Deutschland gerade befindet, werde schlimmer als die zweite.

Die Folgen, so Kluge, könnten für jeden einzelnen verheerend werden. Der Intensivmediziner warnt: „Wenn das wirklich exponentiell weitergeht nächste Woche, dann wird irgendwann der komplette Lockdown, den wir alle nicht haben wollen, alternativlos sein.“ Dann müssten Schulen und Geschäfte vollends dicht machen. „Ich fürchte, wenn man den Kolleginnen und Kollegen glaubt, die die Rechenmodelle machen, dass es fast zu spät ist. Weil wir seit vier Wochen nichts richtig tun.“

Mediziner bei „Markus Lanz”: „Private Kontakte sind die Hauptursache”

Harte Worte eines Menschen, der die dramatische Situation in den Covid-Stationen hautnah miterleben muss. Kluge ist sich, ähnlich wie die meisten Virologen und Experten, sicher: „Die privaten Kontakte sind die Hauptursache.“ Trotz der Verbote treffen sich die Menschen weiterhin, ein falscher Negativbefund nach einem Selbsttest könnte ebenfalls darunter sein. „Die Leute unterschätzen die britische Variante. Die Leute verstehen es nicht.“

„Markus Lanz”: Stefan Kluge fordert Ausgangssperre

Also doch die Ausgangssperre? Auch Kluge kennt die Argumente der Aerosolforscher, die sagen, dass die Gefahr vor allen Dingen in den Innenräumen liege. Dass Ausgangsbeschränkungen kaum etwas brächten.

Der Hamburger Arzt aber ist sich ähnlich wie auch Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) sicher: „Es ist klar, dass die Ausgangssperre etwas bringen wird.“ Draußen sind Ansteckungen zwar durchaus seltener, aber es gehe vor allen Dingen um die geringere Mobilität der Menschen.

„Wir brauchen jetzt klare Ansagen und bundeseinheitliche Regelungen. Dringend“, fordert Kluge. (mg)