Annette Frier über „intimen” Moment„Habe mich etwas geschämt und bin rot geworden“

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Annette Frier konnten wir in Coronazeiten leider nicht Face-to-Face interviewen. Das Gespräch mit ihr war trotzdem lustig. Das Doto stammt aus dem Jahr 2019.

Köln – Eine Frau auf dem Weg nach ganz oben: Die Kölnerin Annette Frier (46) kann Theater und Film, Tragödie und Komödie, Spaß und Ernst, Lachen und Weinen.

Gerade erleben wir sie in der Ehe- und Trennungs-Comedy „Merz gegen Merz“ (ZDF) im Mai wieder als Asperger-Autistin „Ella Schön“, sie hat Senioren für die Doku „Der Demenz-Chor“ begleitet und jetzt auch noch einen Podcast bei Argon.lab gemacht („Liebe Grüße, Dein Engel!”), in dem sie Kinderbuchautor Kai Lüftner (45) über ihr privates Leben berichtet.

Lange Briefe sind in Zeiten von Whatsapp & Co. selten geworden. Wie kam es zu Ihrem Briefwechsel? Annette Frier: Kai, ein sehr guter Freund in Berlin, hatte genug von der Hauptstadt, packte seine Sachen und zog auf die dänische Insel Bornholm. Als er mich anrief, um von seinem Start zu berichten, war ich mal wieder in Hektik, hatte keine Zeit und Muße, richtig zuzuhören und bat ihn: „Schreibst du mir einen Brief?“ Das hat er gemacht – damit war die Sache besiegelt. So kam eine bei mir fast in Vergessenheit geratene Sache in mein Leben zurück.

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Sind es Briefe auf Papier? Briefeschreiben auf Papier ist im Zuge der Digitalisierung, die auch bei den Friers angekommen ist, leider verloren gegangen. Wir machen es per Mail, ist aber trotzdem schön. Das Öffnen des Briefkastens erfolgt rituell durch eine begleitende SMS: „Pling, Briefkasten-Emoji, Post ist da...“. Ist was anderes als eine knappe Mail, in der ich über Geschäftliches informiert werde.

Handschrift wird bei vielen Menschen fast nur noch beim Tagebuch-Schreiben gepflegt. Machen Sie das auch? Nein, ich war noch nie eine große Tagebuchschreiberin. Ich habe es mal probiert, aber schnell festgestellt, dass das, was ich für die Ewigkeit festhalten wollte, mir doch sehr banal vorkam. Ich hatte etwas Intimes oder Geheimnisvolles erwartet, fand es dann aber nur bemüht. Deshalb ist das Schreiben an eine Person, die sich eventuell für meine Kleinigkeiten interessiert, so schön – und nach meinem Empfinden auch befreiend.

Intimes geben Sie trotzdem preis – Sie berichten sogar darüber, wie Sie sich in die Hose gepinkelt haben… Ich fand das zu lustig, um es für mich zu behalten. Klar ist es ein intimer Moment, aber es gibt Schlimmeres. Die meisten Frauen kennen das übrigens, sie sind in ihrem Leben schon öfter zwischen zwei Autos verschwunden und kamen erleichtert zurück. Ich gebe zu, ich habe mich beim Schreiben etwas geschämt und bin beim Vorlesen rot geworden.

Was war passiert? Ich hatte auf dem Weg nach Hause die ganze Zeit per Handy ein sogenanntes wichtiges Telefonat geführt und nicht bemerkt, wie sich in mir der Druck aufbaute. Als ich es dann spürte, war es mir zu unangenehm, mich mitten in Berlin über einen Gully zu hocken – zumal die ganze Straße wie ein Festplatz illuminiert war. Während ich noch verzweifelt über meine Notlage nachdachte, ist es passiert… Wie gesagt, gibt Schlimmeres!

Sie hätten Grund für eine Jubiläumsfeier: Sie sind in 20 Jahren vom Mitglied der Comedy-Gesellschaft zum Star geworden, dem man zugucken möchte, egal, was er spielt. Zufrieden mit der Entwicklung? Vielen Dank, das klingt ja super! Ich empfinde es auch als großes Privileg, das spielen zu können, auf das ich Lust habe – das ist vielleicht das Schönste, was man in meinem Beruf sagen kann. Aber ich steck’ ja mittendrin in meinem Leben, mir fallen noch viele Dinge ein, die ich spielen möchte – gerne auch öfter die Antagonistin.

Nervt es Sie, wenn man Sie trotzdem noch in die Schublade „Comedy-Star“ steckt? Es hat mich früher gestört und mehrere Jahre gedauert, bis mir klar wurde, dass es doch ein Riesenkompliment ist. Auf einem ZDF-Plakat mit Andrea Sawatzki, Anja Kling und mir werden die Kolleginnen als „wild“ und „tiefgründig“ bezeichnet, bei mir steht „witzig“ – das geht voll in Ordnung, finde ich. Solange man mich nicht unter Druck setzt, witzig sein zu müssen, bin ich damit vollkommen einverstanden. Hauptsache, ich muss nicht alle fünf Minuten einen Witz erzählen... GRAUENHAFT!

Sie kommen aus einem christlichen Haushalt, Ihre Mutter war Religionslehrerin. Wie sieht das Ostern bei Ihnen aus? In diesem Jahr natürlich etwas anders, weil die katholische Religionslehrerin nicht dabei sein darf, das ist in der Tat nicht sehr schön. Aber wir leben die Werte, die uns meine Mutter vermittelt hat. Die sind Karfreitag und Ostern allgemeingültig, unabhängig davon, ob man Kirchengänger/in ist oder nicht. Wir werden diese Tage auf jeden Fall nutzen, um mit unseren Kindern über den Sinn des Osterfestes zu sprechen. Gerade in einer Zeit des Verzichtens, kann das sehr hilfreich sein.

Was haben Sie aus der bisherigen Corona-Zeiten gelernt? Es hat gedauert, bis Corona bei mir ankam. Ich bin nicht in wirtschaftlicher Not, habe ein Dach überm Kopf, wir haben genug Klopapier (lacht). Dass es mir auch in diesen Zeiten gut geht, löst eine Demut in mir aus. Ich weiß, dass viele Menschen verzweifelt sind, weil sie gesundheitlich oder wirtschaftlich betroffen sind. Ich schwanke permanent zwischen dem Mitgefühl mit allen Menschen, die zurzeit überall in Not sind, merke aber gleichzeitig, wie in mir auch eine Art Abschirmung passiert, weil ich mich dem nicht den ganzen Tag aussetzen kann.

Wie meinen Sie das? Ich bin überfordert, wenn ich zu viele Nachrichten und Informationen zu dem Thema inhaliere, ich werde dann unruhig, bin schlecht drauf, motze meine Kinder an, ohne dass ein Grund vorhanden ist. Ich hoffe nur, dass es bald vorüber ist, und dass wir alle aus dem, was uns jetzt passiert, etwas lernen werden und nicht einfach so weitermachen wie bisher…

Annette Frier: Mit Sister-Power im Gepäck

Annette Frier (geboren am 22. Januar 1974 in Köln) besuchte die „Schauspielschule der Keller“. Von 1997 bis 2001 war sie in „Hinter Gittern – der Frauenknast“ (RTL) zu sehen, von 2000 bis 2002 in „SK Kölsch“ und in der „Wochenshow“ (Sat.1). Von 2004 bis 2009 in der „Schillerstraße“ dabei, 2010 bis 2014 spielte sie „Danni Lowinski“, 2017 in „Das Pubertier“ mit und mischte bei der Satiresendung „Kroymann“ mit. Viele TV-Dramen und Komödien kamen hinzu.

Seit 2002 ist sie verheiratet mit Drehbuchautor und Regisseur Johannes Wünsche (62). Sie ist Mutter der Zwillinge Josefina Fritzie und Bruno Maria (9). Ihre Schwester Caroline Frier (37) ist ebenfalls Schauspielerin, ihre andere Schwester Sabine ist ihre Managerin.