„Hart aber fair“Bewegender Auftritt: Sohn half seiner Mutter beim Sterben

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Eine ergreifende Szene: Olaf Sander begleitete seine Mutter beim Suizid.

von Susanne Scholz (susa)

Köln – Sterbehilfe – es war schwere Kost, die die ARD am Montagabend, 23. November, zur besten Sendezeit mit „Gott“ von Ferdinand von Schirach über den Bildschirm flimmern ließ.

Die Frage: Unter welchen Umständen darf man einem Menschen helfen, sich das Leben zu nehmen?

Das intensive Kammerspiel mit Schauspielgrößen wie Lars Eidinger, Matthias Habich, Anna-Maria Mühe, Ulrich Matthes, Götz Schubert und Barbara Auer hinterließ Spuren.

Darum geht es in „Gott“ von Ferdinand von Schirach

  • Der 78-jährige ehemalige Architekt Richard Gärtner (Matthias Habich) möchte seinem Leben ein Ende setzen.
  • Das soll ganz legal mit der Hilfe seiner Hausärztin geschehen.
  • Für Dr. Brandt (Anna Maria Mühe) kommt es aus persönlicher Überzeugung nicht infrage, ihrem zwar betagten, aber gesunden Patienten ein todbringendes Präparat zu besorgen.
  • Richard Gärtners Fall wird exemplarisch vor dem Deutschen Ethikrat diskutiert.
  • Strittig ist dabei nicht die Frage, welche Formen von Sterbehilfe für Ärzte straffrei sind, sondern ob Mediziner dem Patientenwunsch eines Lebensmüden gerecht werden müssen – egal ob jung, alt, gesund oder krank.
  • Die Verfassungsrechtlerin Prof. Litten (Christiane Paul) und der Anwalt von Richard Gärtner (Lars Eidinger) stehen Bischof Thiel (Ulrich Matthes) und Ärztekammerchef Sperling (Götz
  • Schubert) dabei mit unterschiedlichen Meinungen gegenüber.
  • Am Ende richtet sich die Ethikrat-Vorsitzende (Barbara
  • Auer) direkt an das Publikum: Soll Richard Gärtner das
  • tödliche Präparat bekommen, um sich selbstbestimmt das
  • Leben zu nehmen?

Das Voting der TV-Zuschauer war eindeutig:

  • 70,8% der Zuschauer in Deutschland sagen Ja
  • 29,2% der Zuschauer in Deutschland plädieren für Nein
  • 68% der Zuschauer in der Schweiz sagen Ja
  • 32% der Zuschauer in der Schweiz plädieren für Nein

Im Anschluss an die Verkündung des Zuschauervotings diskutierte Frank Plasberg die Entscheidung in seiner Sendung „Hart aber fair“ mit Experten.

Hart aber fair: Die Gäste am 23. November

  • Georg Bätzing: Bischof von Limburg, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
  • Dr. Susanne Johna: Internistin, Oberärztin im Sankt Josefs-Hospital in Rüdesheim, Vorsitzende des Marburger Bundes, Vorstandsmitglied der Bundesärztekammer
  • Bettina Schöne-Seifert: Professorin für Medizinethik an der Universität Münster
  • Olaf Sander: Begleitete seine Mutter beim Suizid

Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, es spaltet die Gesellschaft. Und man kann die Argumente der Befürworter ebenso nachvollziehen wie die der Menschen, die das aus moralischen Gründen ablehnen.

Das Verfassungsgericht hatte den umstrittenen Strafrechts-Paragrafen 217 im Februar 2020 gekippt. Er verbietet die professionelle Sterbehilfe.

Hart aber fair: Sohn schildert, wie er seine Mutter beim Suizid begleitete

Bei „Hart aber fair“ erzählte mit Olaf Sander ein Betroffener von seinem schweren Weg, seine erkrankte Mutter in den Tod zu begleiten. Die unter anderem an Kinderlähmung erkrankte Seniorin hatte sich bewusst für ein selbstbestimmtes Sterben entschieden: „Mich braucht keiner zu bedauern. Keiner weiß, wie es ist, ich hab Schluckstörungen, mir läuft der Speichel“, schilderte sie in einem eingespielten Film einen Teil ihrer Leiden.

Ihr Sohn Olaf half ihr, den letzten Weg zu gehen und sagt: „Es war niemand da, der mich aufgefangen hat.“ Damit meinte er nicht die Tatsache, seiner Mutter beim Sterben geholfen zu haben („Ich fühle mich gut. Ich habe überhaupt kein schlechtes Gewissen.“), sondern die Tatsache, dass Ärzte und Behörden ihn alleingelassen hätten.

Um sich nicht strafbar zu machen, sei er in eine Spielothek gegangen, nachdem er seine Mutter mit den todbringenden Medikamenten alleingelassen habe. Wäre er in den letzten Minuten bei ihr geblieben, hätte sich Olaf Sander wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht. „Ich wusste, in der Spielhalle sind Kameras, die beweisen, dass ich zum Zeitpunkt des Todes nicht bei meiner Mutter war.“

Was sich Sander in der Diskussion um Sterbehilfe wünscht, dass jemand das Thema mit den Augen der Leidenden sieht. „Wenn ein Mensch sagt, ich kann nicht mehr, ich will nicht mehr. Dann soll er das Recht haben, zu gehen.“

Sterbehilfe, ja oder nein? Die Frage bleibt.

So halten es andere Länder mit Sterbehilfe

In der Schweiz ist die Beihilfe zum Suizid legal. Man darf ein tödliches Medikament für einen Menschen mit Sterbewunsch besorgen. Allerdings muss derjenige es ohne fremde Hilfe selbst einnehmen. Organisationen wie „Exit“ ermöglichen das bereits seit Jahren. Allerdings ist es in Schweiz so, dass die Menschen krank sein müssen, nicht wie im ARD-Film einfach nur des Lebens überdrüssig.

In Belgien und den Niederlanden wurde die Sterbehilfe vor gut 20 Jahren weltweit als erste Länder erlaubt.

Beratung und Seelsorge in schwierigen Situationen

Ihre Gedanken hören nicht auf zu kreisen? Sie befinden sich in einer scheinbar ausweglosen Situation und spielen mit dem Gedanken, sich das Leben zu nehmen? Wenn Sie sich nicht im Familien- oder Freundeskreis Hilfe suchen können oder möchten – hier finden Sie anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:

Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreichen Sie rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen Sie Ihre Sorgen und Ängste teilen können. Auch ein Gespräch via Chat ist möglich. telefonseelsorge.de

Kinder- und Jugendtelefon: Das Angebot des Vereins "Nummer gegen Kummer" richtet sich vor allem an Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter 11 6 111 oder 0800 – 111 0 333. Am Samstag nehmen die jungen Berater des Teams "Jugendliche beraten Jugendliche" die Gespräche an. nummergegenkummer.de

Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch. mutes.de

Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention: Eine Übersicht aller telefonischer, regionaler, Online- und Mail-Beratungsangebote in Deutschland gibt es unter suizidprophylaxe.de

Voraussetzung in Belgien für aktive Sterbehilfe: es gibt aus medizinischer Sicht keine Heilung mehr. Gleiches gilt in den Niederlanden. Jeder einzelne Fall wird zuvor von einer Kommission überprüft. (susa)