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Vertuschung, Austrittswelle, ReformstauKatholische Kirche: Der Riss geht immer tiefer

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Vom Hoffnungsträger zum Blockierer: Rainer Maria Kardinal Woelki (Mitte) bei einer Messe im Kölner Dom. 

von Maternus Hilger (hil)

Köln – Es sind nur noch wenige Tage bis Heiligabend – einem Weihnachtsfest, das durch den Schrecken der Corona-Pandemie so ganz anders werden wird, als all die Jahre zuvor. Die Frohe Botschaft von der Geburt des Erlösers, die die Kirchenmänner von der Kanzel verkünden werden, dürfte so manchem gerade in dieser schlimmen Zeit Trost spenden.

Doch immer weniger Menschen fühlen sich von den weihrauchgeschwängerten Ritualen noch angesprochen – vor allem wenn sie von Steinzeit-Katholiken im bischöflichen Talar zelebriert werden.

Die Ursachen sind vielfältig in einer ohnehin zunehmend säkularisierten Gesellschaft. Da ist vor allem der Umgang mit den Opfern des Missbrauchsskandals, der jahrzehntelang vertuscht wurde, zu nennen – und das Weigern erzkonservativer Kirchenfürsten, endlich überfällige Reformen zu akzeptieren und auf den Weg zu bringen.

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Kirche: Der Riss geht immer tiefer

Der Rekordwert von 272.771 Katholiken, die 2019 ihre Kirche verließen, zeigt, dass der Riss immer tiefer wird. Das entspricht einem Anstieg von 26,2 Prozent! 2018 waren es 216.078.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass noch etwas mehr als die Hälfte der Bundesbürger einer der beiden großen Kirchen angehört. Viele, die noch dabei bleiben, haben sich innerlich längst verabschiedet.

Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki: Vom Hoffnungsträger zum Blockierer

Einer, der nicht begriffen hat oder begreifen will, was die Glockenstunde geschlagen hat, ist der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki (64). Einst als Hoffnungsträger nach der von vielen als bleierne Zeit empfundenen Meisner-Arä in Köln gefeiert, entpuppte er sich im Laufe der Jahre als Bruder im Geiste seines Vorgängers – ein Mann von gestern, gefangen in einem stockkonservativen Kirchen- und Weltbild.

Ein Kirchenfürst, der im Mittelalter gut zurechtgekommen wäre, als die Kirche noch mit ihrem Absolutheitsanspruch bestimmte, wie die Menschen zu glauben, zu leben, zu lieben und auch zu sterben hatten.

Sein selbstherrlicher Umgang mit dem Gutachten einer Münchner Kanzlei zum sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln und sein Herumgeeiere im Zusammenhang mit den Vertuschungsvorwürfen um einen als üblen Missbrauchstäter überführten Geistlichen, unterstreicht einmal mehr, wie Woelki tickt.

Rufe nach Woelkis Rücktritt werden immer lauter

Statt auf Transparenz zu setzen, blockiert er. Nach Ansicht des Münsteraner Kirchenrechtlers Thomas Schüller (59) sollte Woelki dem Papst seinen Rücktritt anbieten. Im „Deutschlandfunk“ sagte Schüller, Woelki habe bei dem 2015 nicht an den Vatikan gemeldeten Verdachtsfall von schweren sexuellen Straftaten wiederholt die Unwahrheit gesagt, um einen ihm gut bekannten Priester zu schützen.

Doch ein Rücktritt scheint unwahrscheinlich bei einem wie Woelki, der mit sich im Reinen ist, wie er kundtat. Anders als sein Kollege in Aachen hatte er die Veröffentlichung des Missbrauch-Gutachtens unter Verweis auf „methodische Mängel“ gestoppt und ein weiteres in Auftrag gegeben.

Glaubwürdigkeit der Kirche ist auf dem Tiefpunkt

Dass es auch andere, aufgeschlossene Kirchenmänner gibt wie Münchens Erzbischof Reinhard Kardinal Marx (67), der die Nichtveröffentlichung der Missbrauchsstudie im Erzbistum Köln als „verheerend“ für die gesamte Kirche anprangerte, ist lobenswert – ändert aber nichts an der tiefen Glaubwürdigkeitskrise der Kirche, die Männer wie Woelki weiter verschlimmern.

Dazu passt, dass er die Helfer verliert, die ihm beim Kommunizieren mit der Öffentlichkeit helfen könnten. Wenn die gehen – wie jetzt Kommunikationschef Markus Günther (55) – wird es bald noch einsamer um ihn.

Katholische Kirche und Reformen? Fehlanzeige

Die Woelkis der Katholischen Kirche – ein Männerbund von konservativen und beratungsresistenten Tradionalisten – sind es auch, die dem dringend notwendigen Reformprozess in der Kirche immer wieder Steine in den Weg werfen. Mit dem Synodalen Weg wurde zwar ein Schritt in diese Richtung gewagt – doch wer allen Ernstes glaubt, dass dabei Revolutionäres herauskommen wird, dürfte am Ende bitter enttäuscht werden.

Maria 2.0: Frauen mucken auf

Besonders umstritten ist die Rolle der Frauen, die mit Laienorganisationen wie „Maria 2.0“ unüberhörbar für mehr Mitsprache und Gleichberechtigung in der Kirche kämpfen – wobei auch die Weihe von Frauen kein Tabu mehr sein sollte.

Während diese bei Georg Bätzing (59), dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, und anderen liberalen Kirchenfürsten durchaus auf offene Ohren stoßen, hat auch hier Woelki bereits seinen Daumen gesenkt. Diese Frage sei vom Papst definitiv entschieden worden – basta.

Katholische Kirche: Enttäuschung über den Papst

Da sind wir beim entscheidenden Punkt. Ohne das Placet des Vatikans und vor allem des Papstes wird sich nichts bewegen. Und danach sieht es nicht aus. Auch der Argentinier Franziskus (84) galt einst als Hoffnungsträger, als er dem abgedankten Gralshüter der reinen Katholischen Lehre, dem Deutschen Benedikt XVI. (93) folgte – ein freundlicher Pontifex zum Anfassen, der kirchlichen Pomp verabscheut und ein Zimmer im Gästehaus des Vatikans bezog. 

Doch trotz seiner Lockerheit bewegt er sich auf den ausgetretenen Pfaden einer im Laufe der Jahrtausende erstarrten Kirche, die sich im Besitz der allein selig machenden Wahrheit wähnt. Keine positiven Signale: Die in ihn gesetzten hohen Erwartungen der Reformer konnte oder wollte Franziskus bis heute nicht erfüllen.

Weder zur möglichen Weihe von Frauen zu Priesterinnen oder Bischöfinnen noch zur Frage des Zölibat (die Ehelosigkeit von Priestern) oder zum Abschied von der antiquierten kirchlichen Sexualmoral gibt es Indizien für einen grundlegenden Sinneswandel.

Im Gegenteil: So sprach sich der Vatikan im Juli dagegen aus, die Leitung von Pfarreien gleichberechtigten Teams aus Priestern und Laien anzuvertrauen. Und auch zur Ökumene kam ein Stopp-Signal: Gegenseitigen Abendmahls- und Eucharistie-Einladungen von Katholiken und Protestanten erteilte man eine Absage. 

Kirche: Et bliev, wie et is – oder?

Die frohe Weihnachtsbotschaft mag zwar Erlösung versprechen, aber die kommt sicherlich nicht aus den verkrusteten Strukturen einer Katholischen Kirche, die nach dem kölschen Motto agiert: Et bliev, wie et is. Aufgeschlossene Christen wissen aber: Et bliev nur dat, wat sich auch ändert! Sonst gehen irgendwann die Lichter aus.