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ArbeitsrechtDarf mich mein Chef einfach so duzen?

Duzen oder siezen? - Bei diesem Thema sind sich viele Menschen unsicher. Manche Unternehmen schreiben die Umgangsformen aber eindeutig für Mitarbeiter vor.

Duzen oder siezen? - Bei diesem Thema sind sich viele Menschen unsicher. Manche Unternehmen schreiben die Umgangsformen aber eindeutig für Mitarbeiter vor.

Duzen oder siezen? Bei diesem Thema sind sich viele Mitarbeiter unsicher. Dürfen Unternehmen die Anrede unter Kollegen vorschreiben? Kann ich das „Du“-Angebot vom Chef ablehnen?

Früher war es üblich, dass sich Vorgesetzte und Kollegen siezen. Nur in bestimmten Bereichen – wie etwa Handwerkerberufen – war das Duzen am Arbeitsplatz von jeher gebräuchlich. Mittlerweile gibt es jedoch viele junge Firmen, zu deren Unternehmenskultur es gehört, dass man sich duzt. Damit wird angeblich unter anderem das Teamgefühl der Mitarbeiter gestärkt, und es soll für flachere Hierarchien im Betrieb sorgen.

Doch kann man wirklich dazu gezwungen werden, seine Chefs und Kollegen zu duzen bzw. sich von ihnen duzen zu lassen?

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Vertragliche Ansprüche beim „Duzen“

Zunächst einmal gilt: Sofern im Arbeitsvertrag nichts über die Umgangsformen festgelegt wurde, kann der Mitarbeiter auch nicht verlangen, (weiterhin) gesiezt zu werden. Selbst wenn jahrelang im Betrieb gesiezt wurde, bevor der Arbeitgeber das Duzen eingeführt hat, so ist darin wohl lediglich eine Gepflogenheit zu sehen, auf deren Einhaltung der Beschäftigte keinen Anspruch hat.

Chef muss auf das Mitarbeiter-Wohl achten

Dem Arbeitgeber steht demgegenüber ein Weisungsrecht nach § 106 GewO (Gewerbeordnung) zu. Das bedeutet, er darf die Arbeitsbedingungen einseitig – also auch ohne Einverständnis des Mitarbeiters – ändern, sofern sie im Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder Ähnlichem noch nicht explizit festgelegt worden sind. Hierbei darf der Chef jedoch nicht willkürlich handeln – er muss vielmehr auch die Interessen seiner Beschäftigten berücksichtigen.

Beim Thema Duzen kommen viele ins Grübeln: Jeder Vierte ist sich unsicher, wann es angebracht ist. Das geht aus einer GfK-Umfrage hervor. Mehr als jeder Zehnte sagte, er denke tagelang darüber nach, wie und wann er dem anderen am besten das „Du“ vorschlage. Fast drei von zehn Befragten gaben an, von sich aus noch nie diesen Schritt gemacht zu haben. Mehr als drei Viertel erklärten, bei Älteren immer abzuwarten, bis diese von sich aus das Du anbieten.

So muss er etwa seine Fürsorgepflicht beachten, also die Pflicht, unter anderem auf das Wohl seiner Angestellten Rücksicht zu nehmen. Würde eine Weisung etwa die Gesundheit der Beschäftigten gefährden, wäre sie unzulässig. Das Duzen an sich gefährdet prinzipiell jedoch nicht das Wohl der Mitarbeiter. Daher wäre eine entsprechende Weisung an alle Mitarbeiter, sich im Unternehmen zu duzen, grundsätzlich vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt.

Anderes könnte beispielsweise gelten, wenn das „Du“ am Arbeitsplatz nicht zur Unternehmenskultur gehört, sondern vielmehr dazu genutzt wird, einen einzelnen Mitarbeiter zu entwürdigen. Mobbing, Beleidigungen etc. muss der Arbeitgeber also verhindern. Er hat dann die „Täter“ – unter Androhung arbeitsrechtlicher Konsequenzen im Wiederholungsfall – anzuweisen, derartige Äußerungen zukünftig zu unterlassen.

Ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht?

Allerdings könnte das ungewollte Duzen zu einem Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten führen. Danach steht jedem (erwachsenen) Menschen ein Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der Art und Weise der Anrede zu. Er kann also selbst entscheiden, ob er geduzt oder gesiezt werden möchte. Möchte ein Chef daher im Betrieb das Duzen einführen, muss er seine eigenen Interessen mit denen des/der Beschäftigten abwägen.

Das Anrede-Selbstbestimmungsrecht gilt also nicht grenzenlos: Ein Mitarbeiter kann sich nicht darauf berufen, wenn die Interessen des Arbeitgebers, etwa die Aufrechterhaltung der Unternehmenskultur, überwiegen. Dies ist vor allem der Fall, wenn das Duzen im jeweiligen Kreis des betroffenen Mitarbeiters üblich ist, etwa bei Handwerkern, und seine Kollegen sich daran gewöhnt haben bzw. es sogar befürworten.

Im Job ist es manchmal besser, beim „Sie“ zu bleiben. Folge des pauschalen Duzens sei nämlich oft, dass Mitarbeiter den Nachnamen ihrer Kollegen nicht kennen, sagt Carolin Lüdemann, die auch Mitglied im Deutschen Knigge-Rat ist. Rufe dann ein Kunde an, der zu jemand anderes durchgestellt werden muss, werde es schnell peinlich. „Viele fragen sich dann zum ersten Mal: 'Wie heißt der eigentlich mit Nachnamen?'“, sagt Lüdemann.

Noch in einer zweiten Situation führe das generelle „Du“ oft zu Irritationen: Stellt sich jemand etwa einem neuen Kollegen vor, würde er konsequenterweise sagen: „Hallo, ich bin der Ralf“, so Lüdemann. Peinlich werde es immer dann, wenn die fremde neue Person in der Abteilung jedoch gar kein Kollege, sondern ein Kunde sei. „Der ist dann ziemlich konsterniert, wenn sich jemand gleich mit seinem Vornamen vorstellt“, so Lüdemann.

Ein Duz-Angebot ist immer nett gemeint. Doch nicht jedem Kollegen ist es Recht, am Arbeitsplatz vom förmlichen „Sie“ zum salopperen „Du“ zu wechseln. Wollen Mitarbeiter einem Mitstreiter daher das „Du“ anbieten, sollten Sie dem Gegenüber immer einen Fluchtweg lassen, sagt die Etikette-Trainerin Lis Droste. Eine gute Frage sei etwa: „Wir arbeiten nun schon mehrere Monate im selben Büro, und ich finde, wir könnten uns duzen. Ich hätte aber auch Verständnis, wenn Ihnen das Sie lieber ist.“ Durch den Nachsatz kann der Kollege ablehnen, ohne den Fragenden bloßzustellen oder zu kränken.

Ein Fehltritt in Sachen Etikette ist es, jemanden zu duzen, ohne vorher zu fragen: Passiert einem das, müssen sich Arbeitnehmer das nicht bieten lassen. Droste empfiehlt als höfliche Absage: „Ich weiß Ihr Vertrauen zu schätzen, würde in der Firma aber gerne beim Sie bleiben.“ Manche Mitarbeiter lassen sich jedoch auch von so einer Abfuhr nicht beeindrucken. „Es gibt auch solche Kollegen, die einen ständig duzen, obwohl man dazu Nein gesagt hat.“ Hier rät sie zum konsequenten Siezen. Irgendwann sei es dem Gegenüber dann hoffentlich zu blöd - und er gehe von sich aus wieder zum „Sie“ über.

„Hey Chef, meinst du nicht...?“ Mit voreiligem Duzen können sich neue Mitarbeiter schnell ins Abseits schießen. Auch wenn Neulinge aus einem jugendlichen Unternehmen kommen, sollten sie die Umgangsformen nicht in die neue Firma importieren. „Das Duzangebot kommt immer von denen, die schon länger da sind“, weiß die Karriereberaterin und Buchautorin Anke Quittschau.

Beim Sport mit Kollegen ist man schnell per Du. Deshalb ist es aber noch lange nicht angebracht, den anderen auch am nächsten Tag im Büro zu duzen. „Da siezt man sich weiter“, sagt die Imagetrainerin Imme Vogelsang. „Sie können also nicht zu ihrem Chef sagen: 'Wir haben uns doch gestern beim Golf auch geduzt, das können wir doch jetzt weiter so machen.'“ Ein solches Angebot dürfe im Beruf immer nur der Ranghöhere machen. Angestellte müssten also zunächst beim Sie bleiben und abwarten, wie der Chef darauf reagiert.

Nicht nötig ist das dagegen, wenn jemand, den man zum Beispiel von einem früheren Job kennt, einem nach längerer Zeit erneut im Beruf begegnet. So etwas kann zwar irritierend sein, wenn man sich in einem anderen Kontext und eventuell in anderen Rollen wiedertrifft. Ein Duz-Angebot von damals gilt dann aber immer noch. „Einmal Du ist immer Du“, erklärt Vogelsang. Mancher dürfte in so einer Situation zwar unsicher sein, ob sich der andere wirklich noch an ihn erinnert. Eventuell biete sich dann zur Begrüßung ein Satz an wie: „Mensch, wir kennen uns doch noch von da und da.“ Ob sie den anderen immer noch duzen dürfen, müssten Berufstätige aber nicht fragen.

Derzeit ist in vielen Stellenanzeigen das „Du“ zu lesen. Statt „Sie sind motiviert“ steht dort beispielsweise: „Du bist motiviert und suchst die Herausforderung.“ Firmen wollen so gezielt junge Mitarbeiter ansprechen und sich als cool darstellen, haben die Karriereberater Jürgen Hesse und Hans Christian Schrader beobachtet. Nach Ansicht der Karriereberater ist es dann in Ordnung, zurückzuduzen und im Anschreiben konsequent „ihr sucht“ zu schreiben. Das sei für deutsche Bewerber zwar zunächst ungewohnt.

Es könne aber sein, dass das „Du“ in der Firma zur Unternehmenskultur gehört und Personaler darauf großen Wert legen, etwa bei ausländischen Firmen aus Skandinavien oder Amerika. Wer sich da zu sehr ans „Sie“ klammert, könne als spießig gelten. Bei sehr konservativen Unternehmen wie Anwaltskanzleien sollten Bewerber vom „Du“ allerdings trotz einer locker formulierten Stellenanzeige lieber absehen, empfehlen Hesse und Schrader. Es könne sein, dass der Vorgesetzte in der Abteilung mit der offenen Stelle den Text der Stellenanzeige nicht kennt. Dieser dürfte von einem „Du“ in der Bewerbung dann eher irritiert sein. Im Zweifel liegen Bewerber richtig, wenn sie telefonisch kurz nachfragen, welche Form der Ansprache gewünscht ist.

Zwar wird zum Beispiel das Duzen im Büro noch nicht als üblich anzusehen sein. Sofern die betrieblichen Umgangsformen aber im Einverständnis der Betroffenen akzeptiert werden, muss der Arbeitgeber sie später nicht auf Wunsch Einzelner wieder aufheben oder Ausnahmeregelungen treffen. Das gilt vor allem, wenn ein Arbeitnehmer die Unternehmensphilosophie erst nach Jahren und ohne triftigen Grund angreifen möchte (Az.: 14 Sa 1145/98).

Übrigens: Sofern ein Betriebsrat existiert, steht ihm bei der Frage, ob im Betrieb geduzt oder gesiezt wird, ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 I Nr. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zu.

Gastautorin Sandra Voigt ist Assessorin und Redakteurin bei anwalt.de.