Umstrittener MietboykottNach Adidas zieht jetzt der nächste Handels-Riese nach

Neuer Inhalt

Galeria Karstadt Kaufhof will keine Mieten mehr zahlen in der Corona-Krise.

Köln – 

Der umstrittene Mietboykott verursacht weiter hohe Wellen. Nachdem Adidas, H&M und Deichmann vorgeprescht waren, hat nun der nächste Handels-Riese erklärt, ab sofort die Mietzahlungen einzustellen: Galeria Karstadt Kaufhof.

Es bleibe „keine andere Wahl“, begründete der Kaufhauskonzern laut „Spiegel“ seinen Entschluss. In einem Schreiben an die Immobilienbesitzer, in deren Gebäude das Unternehmen Läden betreibt, kündigte Finanzchef Miguel Müllenbach an, von April bis zunächst Juni keine fälligen Mieten mehr zu bezahlen.

Alles zum Thema Corona

Der Konzern behalte sich sogar vor, die schon gezahlte Miete für den Monat März und vorausgezahlte Nebenkosten mindestens zur Hälfte von den Eigentümern zurückzufordern.

Der drastische Schritt werde in dem Schreiben damit begründet, dass ein Betrieb der gemieteten Flächen derzeit nicht möglich sei, so der Medienbericht weiter. „Da Sie uns Flächen ... vermietet haben, ein solcher Betrieb jedoch derzeit nicht möglich ist, gewähren Sie uns den Gebrauch der Mietsache nicht.“

Damit gibt der Kaufhauskonzern den Immobilienbesitzern quasi die Schuld an der derzeitigen Situation.

Wegen Corona-Krise: Adidas will keine Miete mehr zahlen

Als erstes Unternehmen hatte Adidas auf die Schließungen reagiert. Der Sportartikelhersteller will für seine derzeit geschlossenen Filialen keine Miete zahlen. Nach EXPRESS-Informationen folgen mindestens ein Mode- und ein Elektronik-Riese diesem Vorbild. Doch das sorgt für teils heftige Kritik.

Der Sportartikelhersteller sieht sich zu Unrecht angegangen und verteidigt sich. Es ginge lediglich um eine Stundung.

Am Freitag hatte eine Firmensprecherin des Sportartikel-Giganten Adidas bestätigt: „Es ist richtig, dass Adidas, wie viele andere Unternehmen auch, vorsorglich Mietzahlungen temporär aussetzt, wo unsere Läden geschlossen sind. Wir sind dazu mit den betreffenden Vermietern in engem Austausch.“

Ex-Bundesministerin Katharina Barley kritisiert Adidas

Das sorgt bei vielen Menschen für Unverständnis. So kritisierte beispielsweise die Vizepräsidentin des Europa-Parlaments, Katharina Barley (51, SPD), den deutschen Sportartikel-Riesen scharf.

Die Kölner Ex-Bundesministerin twitterte ein Bild ihrer Laufschuhe und schrieb: „Das hier waren übrigens die letzten Adidas, die wir gekauft haben. Als globaler Konzern mit 3,2 Milliarden Gewinn 2019 eine Schutzvorschrift für MieterInnen in Existenznot auszunutzen, ist schäbig.“

„Es irritiert, wenn große Unternehmen einfach so einen Mietzahlungsstopp verkünden. Jetzt ist die Zeit der Kooperation“, drückte sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (61, SPD) in der „Bild am Sonntag“ etwas diplomatischer aus. „Durch diese Krise kommen wir nur gemeinsam mit Rücksicht und Zusammenhalt. Corona lehrt uns, dass man mit Egoismus scheitern wird“, ergänzte Scholz. „Ich bin enttäuscht von Adidas. Ich bin sehr enttäuscht“, sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (45, SCU) derweil der „Bild“.

Wut gegen Mietenstopp: Adidas verteidigt sich

Der Stopp von Mietzahlungen für Ladengeschäfte großer Unternehmen hat eine Welle der Empörung ausgelöst.

Doch der Sportartikelhersteller Adidas sieht sich zu Unrecht angegangen. „Es geht uns nicht darum, die Miete für den April nicht zu bezahlen. Es geht lediglich um eine Stundung”, sagt Unternehmenssprecher Jan Runau gegenüber tagesschau.de.

Adidas sei dazu mit den betreffenden Vermietern in engem Austausch. „Unsere Vermieter, große Immobilienvermarkter und Versicherungsfonds, haben für diese Maßnahme überwiegend Verständnis gezeigt. Privatpersonen, vier an der Zahl, sind von dieser Stundung ausgenommen und erhalten Ihre April-Miete wie gewohnt”, so Runau.

Star-Koch Tim Mälzer ist außer sich über Adidas-Vorgehen

Wesentlich deutlicher wurde unterdessen Star-Koch Tim Mälzer (49) in der neuen Folge seines Podcasts „Fiete Gastro“. Dort platzte dem Wahl-Hamburger mal so richtig der Kragen: „F***t Adidas. Kauft keine Adidas-Schuhe mehr, wenn sich das wirklich bewahrheiten sollte, dass sie die Miete nicht mehr zahlen! Das ist für mich ein Unding, was da gerade passiert.“ Klare Worte.

Und Mälzer legte nach: „Wenn ein großes Unternehmen deutscher Herkunft in der Krise der Nation das erste macht, nämlich an sein Unternehmensergebnis zu denken. Dann brauchen wir doch gar nicht reden: Was ist das für eine beschissene Vorbildfunktion!“

Tim Mälzer ist stocksauer auf Adidas

Mälzer ist außer sich: „Wenn es kleine Läden gibt, die jetzt gerade ihre Miete nicht bezahlen können. Und es wird ein Gesetz entwickelt, das diesem Mieter, der jetzt keine Einnahmen hat, um seine Miete zu bezahlen, nicht gekündigt werden darf, dann ist das was sehr, sehr, sehr Gutes – und lässt einen erst mal drei Monate ruhiger schlafen.“

„Wenn jetzt ein Arschloch kommt, das sagt: Ja, ich könnt’s mir eigentlich leisten, aber ist doch ganz geil: Da hab ich 200 Läden in Deutschland. Da bezahl ich bestimmt auch 20 Millionen Euro Miete. Da halte ich die drei Monate zurück, leg das irgendwie an, hol mir bisschen dies oder das. Damit machen die Idioten Geld! Die missbrauchen das Angebot. Es ist das falsche Signal“, sagte der TV-Koch.

Auch in den sozialen Netzwerken äußerten zahlreiche Menschen ihr Unverständnis über die Vorgehensweise des deutschen Sportartikel-Giganten.

H&M: Auch Mode-Riese geht drastischen Schritt

Nach EXPRESS-Informationen gehören unterdessen auch der Mode-Riese H&M zu den Unternehmen, die ihre Mietzahlungen vorerst einstellen wollen. Alle 460 H&M-Geschäfte seien derzeit wegen der Corona-Krise vorübergehend geschlossen.

Die Mode-Kette sehe es „als eine gemeinsame Verantwortung zwischen uns und unseren Vertragspartnern an, eine finanziell stabile und nachhaltige Zukunft für unsere Unternehmen zu sichern“.

Hier lesen Sie mehr: Coronavirus: Hilfsgelder für kleine Betriebe, Selbstständige und Freiberufler

„Deshalb haben wir auch in Deutschland in der letzten Woche alle unsere Vermieter darüber informiert, dass wir die Zahlungen bis zur Klärung der Sachlage aussetzen“, erklärt eine Sprecherin des Unternehmens gegenüber EXPRESS.

Sars-CoV-2: Media Markt und Saturn setzen Miete aus

Die Filialen der Elektro-Giganten Saturn und Media Markt werden nach EXPRESS-Informationen einen ähnlichen Weg einschlagen.

„Wie viele andere stationäre Händler auch, setzt auch MediaMarktSaturn im April 2020 vorsorglich Mietzahlungen bei allen derzeit geschlossenen Märkten aus. Mit den betreffenden Vermietern stehen wir in engem Kontakt“, teilte ein Sprecher des Unternehmens auf Nachfrage mit.

Alle Media Markt- und Saturn-Filialen in Deutschland sind derzeit bis auf weiteres geschlossen. Das Unternehmen habe allerdings „bei allen Saturn-Märkten in Köln (mit Ausnahme des Marktes in Porz) eine Abholstation eingerichtet.“

Rhein-Center in Kontakt mit Mietern

Einkaufszentren wie das Rhein-Center in Köln-Weiden, könnten von Mietausfällen direkt betroffen sein. Das Center könne jedoch „erst im kommenden Monat sehen, ob und wenn ja welche Mieter ihre Miete in der aktuellen Situation eventuell nicht zahlen werden“, erläutert Center-Manager Stephan Antwerpen gegenüber EXPRESS.

Hier lesen Sie mehr: Coronavirus und Homeoffice: Die lustigsten Einblicke auf Twitter

„Unabhängig davon verstehen wir die Sorgen vieler Mieter sehr gut, da sie natürlich ganz besonders stark von den aktuellen Beschränkungen im Einzelhandel betroffen sind“, erklärt der Manager. Das Einkaufszentrum stehe daher mit den Eigentümern ihrer Center in Kontakt, um zu sehen, „wie die Mieter in der aktuellen Situation unterstützt werden können.“

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht ist empört

Inzwischen hat sich auch die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (54, SPD) zu dem Thema geäußert und ist empört: „Wenn jetzt finanzstarke Unternehmen einfach ihre Mieten nicht mehr zahlen, ist dies unanständig und nicht akzeptabel.“

Die Corona-Hilfsgesetze böten dafür keine Grundlage. Es gelte weiterhin: „Mieter müssen selbstverständlich ihre Miete zahlen. Falls sie tatsächlich infolge der Krise in ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten geraten, kann ihnen lediglich für einen begrenzten Zeitraum nicht gekündigt werden.“

Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke: Vermietern droht die Pleite

Das Mietenmoratorium der Bundesregierung sei keine Maßnahme des Mieterschutzes, sondern treibe Vermieter in die Pleite, heißt es in einer Erklärung des Eigentümerverbandes Haus & Grund. „Wir haben von Beginn an vor diesem Gesetz gewarnt. Ohne einen Fonds, der die Mietzahlungen übernimmt, stehen Millionen private Vermieter vor dem finanziellen Aus“, sagte Haus & Grund-Präsident Kai Warnecke. Wenn große Unternehmen wie Adidas, Deichmann und andere jetzt reihenweise ihre Ladenmieten nicht mehr bezahlten, sei das ein Dammbruch. Die Folgen würden nicht nur in der Immobilienwirtschaft verheerend sein, sondern weit darüber hinaus.

Warnecke machte die Bundesregierung und in erster Linie das SPD-geführte Bundesjustizministerium für diese Entwicklung verantwortlich. Er warf zudem den Konzernen vor, ihre Position der Stärke gnadenlos auszunutzen. „Wenn die Bundesregierung dieses Gebaren nicht umgehend stoppt und dafür sorgt, dass Verträge eingehalten werden müssen, haben wir über kurz oder lang Anarchie auf dem Wohnungsmarkt“, warnte der Verbandspräsident.