„100.000 Neuinfektionen pro Tag möglich”RKI-Chef warnt vor schlimmer Corona-Welle

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RKI-Chef Lothar Wieler (vorne) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnten am Freitag (26. März) vor der dritten Corona-Welle und sprachen ein Oster-Appell an die Bevölkerung aus. Wieler hält Hunderttausende Neuinfektionen pro Tag für möglich, sollte nicht weiter eingedämmt werden.

von Martin Gätke (mg)

Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Chef Lothar Wieler informierten am Freitag (26. März) ab 10 Uhr über die derzeitige Corona-Lage vor Ostern. Zuletzt vermeldete das RKI deutlich mehr Corona-Fälle bei Kindern. Zudem ging es auch um die strengeren Vorgaben für Tests, die für Urlauber und andere Reisende, die auf dem Luftweg nach Deutschland kommen, ab Dienstagfrüh gelten sollen.

  • Wieler und Spahn wenden sich mit Oster-Apell an die Bevölkerung
  • Wieler hält Hunderttausende Neuinfektionen pro Tag für möglich, wenn die Lage sich nicht ändert
  • Spahn mahnt Länder: Corona-„Notbremse” konsequent umsetzen

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Chef Lothar Wieler haben angesichts steigender Corona-Infektionszahlen weiter zu Vorsicht auch für die Osterzeit gemahnt.

Spahn und Wieler: Oster-Appell und Warnung vor der wachsenden Gefahr

Spahn appellierte an die Länder, die vereinbarte „Notbremse” bei hohem Infektionsgeschehen konsequent anzuwenden. Die Bürger bat er, sich an Ostern sowie davor und danach idealerweise nur draußen mit anderen zu treffen. Das Eindämmen von Ansteckungen bleibe auch bei anziehenden Impfungen wichtig.

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Auch Wieler warnte vor der wachsenden Gefahr durch die dritte Welle. „Es gibt sehr deutliche Signale, dass diese Welle noch schlimmer werden kann als die ersten beiden Wellen”, sagte der RKI-Chef. Und hält gar Hunderttausende Neuinfektionen pro Tag möglich, sollte nicht weiter eingedämmt werden. „Wir müssen uns darauf einstellen, dass wieder mehr Menschen schwer erkranken, dass Kliniken überlastet und dass viele Menschen auch sterben werden.”

Pressekonferenz am Freitag (26. März): Was sagen Spahn und Wieler zur Corona-Lage vor Ostern?

Wir fassen für Sie an dieser Stelle die wichtigsten Aussagen der Bundespressekonferenz mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in übersichtlichen Stichpunkten für Sie zusammen:

  • Ohne Lockdown geht es nicht, sagte Wieler einmal. Welcher Lockdown schwebt dem RKI-Chef da vor, um Inzidenzen tatsächlich zu senken? Wieler: „Der effektivste Lockdown, um die Zahlen zu senken, den hatten wir schon – und zwar im Frühjahr.” Auf die Nachfrage, ob ihm genau dieser harte Lockdown erneut vorschwebe, antwortet Wieler mit „Ja.”
  • Hält das RKI Hunderttausende Neuinfektionen pro Tag für möglich? Zuletzt warnte Virologe Christian Drosten vor derlei Szenarien, sollten die Corona-Maßnahmen enden, wenn die Alten geimpft sind. „Ja, das ist vorstellbar”, antwortet Wieler klar und deutlich. „Wenn die Maßnahmen so sind wie jetzt und nicht weiter eingedämmt wird.” Diese Prognose liege bereits in einem RKI-Bericht vor. Deshalb sei eine weitere Eindämmung jetzt so wichtig.
  • Wie bewertet Spahn das Vorhaben einiger Städte wie zuletzt Berlin, ab einer Inzidenz von 100 nicht die Notbremse ziehen zu wollen. „Ich kann nur sagen: Aus meiner Sicht ist die Notbremse ab 100 konsequent zu ziehen. Punkt.”
  • Wenn die Menschen ihre Impfangebote wahrnehmen, „dann werden wir diese Pandemie auch bald kontrollieren.” Das RKI werde kommende Woche eine Publikation veröffentlichen, die mit Blick auf die Impfungen in Deutschland Prognosen wagt.
  • Braucht es mehr Maßnahmen? Wieler erinnert an das Osterfest im vergangenen Jahr. „Erinnern Sie sich daran, wie ruhig es in den Städten war. Auf den Straßen war fast nichts los.“ Er erklärte: „Es wird ja niemand daran gehindert, das so wieder zu tun und einen Schutz zu betreiben.“ Zugleich machte er Mut: Man müsse noch einige Monate diese Wachsamkeit oben halten, „in den nächsten Wochen und Monaten wird die Anzahl der Impfdosen massiv nach oben schnellen.“
  • Es folgen die Fragen der Journalisten. Auf Nachfrage sagt Spahn, man habe „eine Grenze bereits überschritten“, deshalb sei die beschlossene Notbremse so nötig. Dass diese strengen Maßnahmen an Ostern umgesetzt werde, falle schwer. Doch die Hilfe der Bürger sei dabei unumgänglich, „staatliche Maßnahmen alleine reichen nicht aus.“
  • Die dritte Welle sei nicht zu verhindern, „aber die Folgen müssen jetzt abgeschwächt werden.“ Auch der RKI-Chef appelliert an die Bevölkerung, sich an Ostern möglichst draußen und mit Abstand zu treffen. Es gebe besonders viele Ansteckungen in privaten Haushalten, aber auch Kitas.
  • Wieler: „Auch die Zahl der Intensivpatienten ist in den letzten Wochen wieder deutlich gestiegen. Es ist davon auszugehen, dass auch die Zahl der Corona-Toten wieder ansteigen wird.“
  • Die dritte Welle sei nicht zu verhindern, „aber die Folgen müssen jetzt abgeschwächt werden.“ Auch der RKI-Chef appelliert an die Bevölkerung, sich an Ostern möglichst draußen und mit Abstand zu treffen.
  • Alle Indikatoren deuteten derzeit darauf hin, dass die Situation sich vorerst verschlimmern könnte.
  • RKI-Chef Wieler erklärt: „Uns stehen sehr schwere Wochen bevor.” Es gebe deutliche Signale, dass die dritte Welle viel stärker werden könne als die beiden vorangegangen. „Wenn wir nicht massiv gegensteuern, werden die Folgen gravierend sein.”
  • Spahn macht Hoffnung: „Wir sind im letzten Teil des Corona-Marathons angekommen. Aber eben auch im schwersten.” Nicht selten sei bei einem Marathon jeder letzte Schritt eine Tortur. Es gehe jetzt darum, jeden erreichten Kilometer nicht zu verspielen.
  • Je höher die Inzidenz, desto schwerer sei es auch, die hohen Zahlen „mit Impfungen zu drücken.” Es sei am wichtigsten, dass kein Impfstoff in den Bundesländern liegen bleibt.
  • Spahn über Familientreffen zu Ostern: „Wenn Sie andere treffen, dann idealerweise nur draußen.“ Man müsse zudem mit mehr Todesfällen wie im Winter rechnen.
  • Die Zahlen steigen zu schnell, „die Varianten machen das besonders gefährlich”, so Spahn. „Wenn das so weiter geht, dann kommt unser Gesundheitssystem im Laufe des Aprils an die Grenze seiner Belastung.” Spahn appelliert an die Länder, die vereinbarte Notbremse bei einer Inzidenz von 100 „konsequent umzusetzen“.
  • Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht zu Beginn auf die Einreiseverordnung ein: „Sie tritt Montagnacht in Kraft“, erklärt er. Damit gilt eine generelle Testpflicht bei Flug-Einreisen erst ab Dienstagfrüh (ab 00.01 Uhr). Die Verordnung sei noch einmal verschoben worden, um den Fluggesellschaften und Reisenden mehr Zeit zu geben, sich darauf einzustellen. Ursprünglich sollte die Verordnung ab Sonntag um 0.00 Uhr gelten. Flugpassagiere müssen sich vor dem Start nach Deutschland aus dem Ausland künftig generell testen lassen.

Spahn: Generelle Testpflicht bei Flug-Einreisen ab Dienstag

Angesichts der Corona-Pandemie sollen sich Flugpassagiere vor dem Start nach Deutschland künftig generell testen lassen müssen – und zwar ab Dienstagfrüh um 00:01 Uhr. Zuvor war von Sonntag die Rede, das Datum wurde aber verschoben, um Fluggesellschaften und Reisenden mehr Zeit zur Vorbereitung zu geben.

Die von Bund und Ländern beschlossenen strengeren Vorgaben sollen mit diesem Vorlauf in Kraft treten, damit sich Reisende und Fluggesellschaften darauf einstellen können, wie es am Donnerstag aus dem Bundesgesundheitsministerium hieß. Ins Flugzeug steigen können soll man dann nur noch mit einem frischen negativen Testergebnis. Dies soll auch unabhängig von den Infektionszahlen im Urlaubsland gelten.

Die neue Testpflicht soll vorerst bis einschließlich 12. Mai gelten. Die entsprechende neue Einreiseverordnung will Minister Jens Spahn (CDU) voraussichtlich am Freitag verkünden. Zuvor muss das Bundeskabinett zustimmen. (mg/dpa)