Absurde TheorieRussische Polizei gibt eigene Erklärung für Nawalnys Erkrankung

Nawalny _Krankenhaus_Foto

Alexej Nawalny lächelt, nachdem er seine Stimme bei der Stadtratswahl am 8. September 2019 abgegeben hat. Im Fall des vergifteten Kremlgegners Alexej Nawalny sieht Deutschland Russland in der Pflicht, Ermittlungen zur Aufklärung des Verbrechens einzuleiten.

Berlin – Die russische Polizei hat die Befunde europäischer Experten in Zweifel gezogen, nach denen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde.

Russische Ärzte seien in ihrem „abschließenden Befund“ zu dem Ergebnis gekommen, dass Nawalny an einer „Entzündung der Bauchspeicheldrüse“ und einer Störung des Kohlenhydrat-Stoffwechsels gelitten habe, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung der Polizei in Sibirien. Die Gift-Diagnose sei „nicht bestätigt“ worden.

Der Chef des russischen Auslandsgeheimdienstes, Sergej Naryschkin, erklärte unterdessen, Nawalny wäre im Falle seines Todes zu einer Art „Märtyrer“ geworden, was den westlichen Staaten Gelegenheit gegeben hätte, ihren "Proteststurm" gegen Russland fortzusetzen.

Alles zum Thema Russland

Russische Polizei gibt neue Erklärung für Erkrankung Nawalnys ab

Nawalny bezeichnete Naryschkin daraufhin via Twitter als „Dummkopf“. Wer der russischen Version folgen wolle, müsse annehmen, dass die Nato-Staaten ihn zu töten versucht hätten.

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch erklärte ebenfalls über Twitter, Nawalny sei „von den russischen Spezialeinsatzkräften auf Anordnung des Präsidenten auf russischem Staatsgebiet vergiftet worden“. Labore in Frankreich und Schweden hatten zuvor nach Angaben der Bundesregierung die deutschen Befunde zur Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny bestätigt.

Die Bundesregierung bekräftigte ihre Forderung, „dass sich Russland zu den Geschehnissen erklärt“. Nach Seiberts Angaben stellte Deutschland Speziallaboren in Frankreich und Schweden „Proben von Herrn Nawalny“ zur Verfügung. Die Ergebnisse „liegen nunmehr vor und bestätigen den deutschen Nachweis“, erklärte Seibert.

Nowitschok: Drei weitere Labore bestätigen die Vergiftung von Alexander Nawalny

Die russische Regierung hatte zuvor wiederholt Zweifel an den von einem Bundeswehr-Labor erstellten Befund geäußert. Die Bundesregierung hatte diese Ergebnisse so gewertet, dass Nawalny „zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff der sogenannten Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte von einem „versuchten Giftmord" an dem russischen Oppositionellen gesprochen und Russland zur Klärung aufgefordert.

Die russische Staatsführung hatte zuvor Anschuldigungen zu einer möglichen Verwicklung in den Fall des vergifteten Kremlkritikers zurückgewiesen.

„Es gibt keinen Grund, dem russischen Staat etwas vorzuwerfen“, sagte Kremlsprecher Dimitri Peskow der Agentur Tass zufolge. Deshalb sehe er auch keinen Anlass für irgendwelche Sanktionen, die gegen Russland oder gegen die Ostsee-Pipline Nord Stream 2 verhängt werden könnten.

Nawalny: Spezial-Labor der Bundeswehr weist Nervenkampfstoff nach

Die Regierung reagierte, nachdem bei dem in Deutschland in Behandlung befindlichen russischen Regierungskritiker Alexej Nawalny nach Angaben der Bundesregierung „der zweifelsfreie Nachweis“ eines chemischen Nervenkampfstoffes aus der Nowitschok-Gruppe erbracht wurde. Das erklärte die Bundesregierung am Mittwoch in Berlin.

Auf Veranlassung der Berliner Charité, wo Nawalny derzeit behandelt wird, hatte ein Spezial-Labor der Bundeswehr eine toxikologische Untersuchung anhand von Proben Nawalnys durchgeführt.

„Es ist ein bestürzender Vorgang, dass Alexej Nawalny in Russland Opfer eines Angriffs mit einem chemischen Nervenkampfstoff geworden ist“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Die Bundesregierung verurteilt diesen Angriff auf das Schärfste. Die russische Regierung ist dringlich aufgefordert, sich zu dem Vorgang zu erklären.“

Bundesregierung wendet sich an EU-Partner und NATO

Das Auswärtige Amt bestellte den russischen Botschafter Sergej Netschajew ein, um Russland zu einer Stellungnahme aufzufordern. Russland müsse die Verantwortlichen ermitteln und zur Rechenschaft ziehen, sagte Außenminister Heiko Maas.

Die Bundesregierung will ihre Partner in EU und NATO darüber informieren. „Ferner wird die Bundesregierung mit der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW) Kontakt aufnehmen“, erklärte Regierungssprecher Seibert.

Ärzte der Berliner Charité gingen bereits im Vorfeld davon aus, dass der Kremlkritiker Alexej Nawalny vergiftet wurde. Darauf wiesen klinische Befunde hin, teilte eine Sprecherin der Klinik am Montag, 24. August, in Berlin mit.

Der Gesundheitszustand Nawalnys war damals ernst, es bestand aber keine akute Lebensgefahr.

Alexej Nawalny wird mit Gegenmittel Atropin behandelt

Bereits die ersten Untersuchungen deuteten auf eine Substanz aus der Wirkstoffgruppe der Cholinesterase-Hemmer hin, hieß es. Nawalny werde nun mit dem Gegenmittel Atropin behandelt. Die Wirkung des Giftstoffs sei mehrfach und in unabhängigen Laboren nachgewiesen worden. Cholinesterase-Hemmer kommen normalerweise bei Alzheimer-Patienten zum Einsatz.

Der Ausgang der Erkrankung bleibe unsicher und Spätfolgen, insbesondere im Bereich des Nervensystems, könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden, so die Sprecherin.

In der Klinik wurde er von Beamten des Bundeskriminalamts (BKA) bewacht. „Schließlich handelt es sich um einen Patienten, auf den mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Giftanschlag verübt worden ist”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert, noch bevor die Charité ihre Untersuchungsergebnisse bekannt gab.

Es gab mehrfach Anschläge auf Putin-Kritiker

Nawalny ist seit Jahren einer der bekanntesten Widersacher von Kremlchef Wladimir Putin und der führende Kopf der liberalen Opposition. Auf den Regierungskritiker hatte es schon mehrfach Anschläge gegeben. Der Aktivist hat sich mit seinen Recherchen zu Korruption und Machtmissbrauch viele Feinde gemacht. Nawalny spricht dieses Thema so deutlich an wie kaum jemand sonst in Russland. (mit dpa)