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Natur als Teil der LösungWieso googlen mit Ecosia jetzt sinnvoll ist

Christian Kroll_CEO 1

Christian Kroll ist der CEO von Ecosia.

Berlin – Christian Kroll aus Wittenberg (Sachsen-Anhalt) will die Welt verändern. Für diesen Plan hat der 36-Jährige die Suchmaschine Ecosia erfunden, die quasi Bäume pflanzt.

Faustregel: 50 Suchanfragen entsprechen einem neuen Baum. Refinanziert wird dies durch eingeblendete Anzeigen.

Während über diesen Weg bereits mehr als 76 Millionen Bäume gepflanzt wurden, hat sich der monatliche Umsatz des Unternehmens auf knapp 2,5 Millionen Euro erhöht. Im Interview spricht Ecosia-Gründer Christian Kroll über die Anfänge, Visionen, den Klimawandel und den großen Vorteil gegenüber Google.

Alles zum Thema Pflanzen

Wie kam es zur Idee von Ecosia? Kroll: Oh, da muss ich etwas ausholen. Ich war 16 Jahre, hab bereits mit Aktien gehandelt, war fasziniert von Finanzen und der Börse. Mit Blick auf meine Karma-Punkte war ich sicher nicht der netteste Teenager. Durch Reisen und Erlebnisse z. B. in Indien, Südamerika und Nepal gab es bei mir ein Umdenken. Ich habe die innere Überzeugung entwickelt, Menschen zu helfen, die nicht dieselben Chancen haben wie wir in Deutschland. Ich wollte etwas Gutes und Sinnvolles tun.

Gab es ein Schlüsselerlebnis? Kroll: Es gab keinen Heureka-Moment, die Dinge haben irgendwann zueinander gefunden. Obwohl: Ich habe lange in Argentinien gelebt und bin dort mal mit einem Bus stundenlang an Soja-Plantagen vorbeigefahren, für die tausende Quadratkilometer Regenwald abgeholzt wurden. Da wurde mir angst und bange. So kam die Motivation, den Menschen zu helfen und etwas für unseren Planeten zu tun.

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Ecosia: Was Bäume mit der Suchmaschine zu tun haben

Suchmaschinen und Bäume passen trotzdem nicht direkt zueinander… Kroll: Die Faszination für Bäume habe ich in Südamerika entwickelt, und dass Suchmaschinen ein interessantes Geschäftsmodell sein können, war mir bereits vorher klar. Obwohl ich mit meiner ersten gnadenlos gescheitert bin…

Und zwar? Kroll: Ich wollte in Nepal eine Suchmaschine für Nepalis programmieren. Das war eine echt blöde Idee. Denn in Nepal nutzen nicht viele Menschen das Internet, es ist zudem sehr langsam. An drei Tagen der Woche hatten wir keinen Strom, und vom interkulturellen Kontext hatte ich ohnehin keine Ahnung.

Was passierte dann? Kroll: Ich habe zunächst den Code für „Forrestle“ geschrieben, was so etwas wie der Vorläufer vom 2009 gegründeten Ecosia war. Im Laufe der Zeit gab es eine kurze Kooperation mit Google, später mit Yahoo, und irgendwann hatten wir unter dem Namen Ecosia zumindest ein paar tausend Nutzer.

Ecosia-Gründer erzählt: Konnten lange Zeit keine Gehälter zahlen

Wann ging es für Ecosia steil nach oben? Kroll: Das hat wirklich gedauert, wir konnten lange Zeit keine Gehälter zahlen. Wir haben nur von der Vision gelebt. Irgendwann kam meine Schwester ins Unternehmen, hat den Bereich Kommunikation übernommen und die Bekanntheit von Ecosia gesteigert. Nach zwei, drei Jahren habe ich den Investor Tim Schumacher (zum XING-Profil) kennengelernt (Anm. d. Red.: Schumacher war Mitbegründer und langjähriger CEO der ehemals börsennotierten Kölner Sedo AG). Er hat die Anteile meiner Schwester übernommen, ein bisschen Kapital ins Unternehmen gesteckt und uns mit seinen Ideen beim weiteren Aufbau von Ecosia geholfen.

Daten und Fakten zu Ecosia

Wo pflanzt Ecosia die meisten Bäume?

Rein von der Anzahl in Madagaskar. Das meiste Geld geht wiederum nach Burkina Faso. Ecosia versucht dort, das Land wieder fruchtbar zu machen. In Deutschland pflanzt Ecosia derzeit  noch nicht, da pro Euro z.B. in Burkina Faso viel mehr bewirkt werden kann.

Wie viele Bäume wurden bereits gepflanzt?

Mehr als 76 Millionen Bäume. Die „Tree-Planting-Officer“ Peter und Edmund kümmern sich bei Ecosia um den  Kontakt zu den Gemeinden vor Ort und die anschließende Realisierung. Ecosia bezahlt dabei die  Menschen vor Ort, damit sie Bäume pflanzen.

Wie viele Bäume pro Sekunde pflanzt Ecosia?

Mittlerweile wird jede Sekunde ein Baum gepflanzt. Auf ecosia.org läuft sogar ein Counter, auf dem gezählt wird, wie viele Bäume von Ecosia-Nutzern gepflanzt worden sind. 

Welcher Effekt tritt ein, wenn Bäume gepflanzt sind?

Nach einigen Jahren kommt das Wasser zurück, die Bodenqualität steigt. Irgendwann können die Bewohner auch Nüsse von den Bäumen ernten.

Welche Bäume werden gepflanzt?

In der Regel heimische Baum-Arten. Nie Monokultur. Chemischer Dünger kommt dabei nicht zum Einsatz.

Wird kontrolliert, ob Bäume stehen bleiben?

Ja, pro Hektar lässt Ecosia mindestens ein Bild machen, um die Pflanzaktionen nachzuweisen. Es wird durch Kontrollen gewährleistet, dass die Bäume mindestens drei Jahre überleben.

War ihm nicht klar, dass Ecosia nicht auf Gewinn-Maximierung aus ist? Kroll: Doch, das hatte mich zunächst auch überrascht, aber er hatte richtig Bock auf Ecosia. Am Anfang, also 2013, war er zwei Tage in der Woche mit Ecosia beschäftigt. Mit ihm haben wir es innerhalb von vier Jahren geschafft, eine Million Bäume zu pflanzen und die Zielsetzung eine Milliarde bis 2020 ausgerufen. Mittlerweile ist er weniger für Ecosia im Einsatz, Tim ist für mich im Alltag der Sparingspartner und natürlich bei den großen Entscheidungen dabei.

Ecosia-Umsatz: Voraussichtlich 19 Millionen Euro im Jahr 2019

Ecosia verzeichnet in diesem Jahr voraussichtlich einen Umsatz von ca. 19 Millionen €. Vor gut einem Jahr, am 5. Oktober 2018, habt ihr Ecosia zur gemeinwohlorientierten Purpose AG umgewandelt. Ecosia wurde zu einem sich selbst gehörenden Non-Profit-Unternehmen. War es ein Problem für euch, auf eine Menge Geld zu verzichten? Kroll: Für Tim war es sicher ein großer Schritt, dem zuzustimmen. Er hat mit Blick auf die Zukunft und den Wert des Unternehmens auf viel Geld verzichtet. Er wollte, dass sich die Idee weiterentwickelt. Das rechne ich ihm hoch an. Mit dieser Konsequenz auf Geld zu verzichten. Respekt!

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Wie war das für Dich selbst? Kroll: Ich hatte schon vorher die Erkenntnis, dass ich keine Millionen auf dem Konto benötige, und das wird auch so bleiben. Selbst bei Ecosia zähle ich mit Blick auf mein Gehalt nicht zum oberen Drittel. Was mich glücklich macht, ist in den seltensten Fällen Geld.

Ecosia-Gründer Christian Kroll: Für kein Geld der Welt...

Was ist für Dich Glück? Kroll: Mit netten Menschen an einer erfüllenden Aufgabe zu arbeiten. Für mich ist es schöner, in der Natur zu sitzen als auf einer Luxusyacht.

Andere Jobangebote würden Dich nicht reizen? Kroll: Mich könnte man für kein Geld der Welt von Ecosia wegholen. Wenn ich hätte Millionär werden wollen, dann wäre es mit einem Exit bei Ecosia leicht gewesen. Und extern Millionär zu werden, ist für mich kein Ziel. Ich bin aber ohnehin nur einer von 45 Angestellten bei Ecosia. Man sollte mich nicht überschätzen. Es gibt auch andere, die das Unternehmen gut führen könnten.

Apropos: Wieso entwickelt sich Ecosia derzeit so erfolgreich? Kroll: Die Gesellschaft redet verstärkt über Klimawandel und Klimaschutz. Das hat auch dazu geführt, dass man über uns redet. Ein Beispiel: Wenn der Amazonas brennt und man mal eben schnell etwas Gutes tun will, dann kommt man an Ecosia nicht vorbei. Derzeit erleben wir ein exponentielles Wachstum, das ist großartig zu sehen, auch wenn wir in Deutschland nur einen Suchmaschinen-Anteil in Höhe von einem Prozent haben. Ich bin gespannt, was noch auf uns zukommt. Luft nach oben haben wir noch reichlich. 

Ecosia, Google oder Bing: Welche Unternehmen schon ökologisch suchen

Welche Unternehmen haben bereits von z. B. Google oder Bing auf Ecosia umgestellt? Kroll: Metro, Schenker, Ernst & Young – es werden immer mehr. Ecosia hat jetzt deutlich mehr Glaubwürdigkeit als noch vor ein paar Jahren, jetzt kommt Bewegung ins Spiel.

Wo ist Ecosia am erfolgreichsten? Kroll: Noch in Deutschland, aber in den USA, wo weltweit die Hälfte des Online-Umsatzes erzielt wird, machen wir bereits 20 Prozent vom Umsatz. Der deutsche Markt bleibt für uns weiter attraktiv. Aber die wahre Action, die spielt außerhalb Berlins. Wenn die Amerikaner erst einmal erfahren, wer wir sind und ihre Skepsis ablegen, dann…

Donald Trump und Ecosia: US-Präsident wird Öko-Suche wohl nicht nutzen

Donald Trump wird wahrscheinlich keinen Baum via Ecosia pflanzen… Kroll: Das mag sein, knapp die Hälfte der US-Amerikaner ist für die Dinge, die wir anbieten, sicher nicht empfänglich. Aber uns reicht es vollkommen, die andere Hälfte anzusprechen.

Wer ist der durchschnittliche Ecosia-Nutzer? Kroll: Da wir bewusst kaum Daten tracken, wissen wir es nicht so genau wie andere Suchmaschinen. Unterm Strich ist unsere Zielgruppe zu 55-60 Prozent weiblich und relativ jung. Mehr als ein Drittel unserer Nutzer ist unter 25 Jahren, womit wir jünger sind als die Google-Zielgruppe. Zu uns kommen gebildete, jüngere Menschen – quasi die „grüne Avantgarde“. Aber noch sind wir ein bisschen zu klein, um die Masse zu erreichen.

Ecosia vs. Google: Kohle-Symbol kennzeichnet nicht so nachhaltige Unternehmen

Wie erzielt Ecosia den Hauptumsatz? Kroll: Derzeit verdienen wir über Text-Anzeigen unser Geld. Wir wollen dahin kommen, dass wir mit „grünen Anzeigen“ auch „grüne Produkte“ empfehlen und ökologisch nicht so gute nicht hervorheben. Schon jetzt kennzeichnen wir nicht so nachhaltige Unternehmen mit einem Kohle-Symbol, nachhaltige wiederum mit einem grünen Blatt. Das ist unser erster Schritt, das Nutzerverhalten zu beeinflussen.

Denkbar ist, dass wir die Ergebnisse auf unserer Übersichtsseite auch durch andere Parameter wie den CO₂-Fußabdruck oder andere ökologische und soziale Themen anreichern. Wir wollen dabei nicht darüber entscheiden, wie grün ein Unternehmen ist. Wir hoffen aber auf externe Bewertungen, die wir zusammenfassen können, um auf ein transparentes Rating zu kommen.

Ecosia-Gründer Christian Kroll wünscht sich Reise-Feature

Was hättest Du gerne in 2020 bei Ecosia umgesetzt? Kroll: Ich hätte gern ein Feature, das Nutzern, die eine Reiseverbindung suchen, neben den Optionen und dem Preis direkt angezeigt, wie viel CO₂ bei der Reise mit dem Flugzeug oder der Bahn anfällt. Ähnliches kann ich mir auch im Online-Shopping vorstellen.

Wie abhängig ist Ecosia von Mircosoft? Kroll: Zu 99 Prozent. Zwingend unabhängiger wollen wir aber auch nicht werden.

Birgt das keine Gefahr? Kroll: Nein. Microsoft wird den Suchbereich als Schlüsseltechnologie nicht aufgeben, der ist ihnen zu wichtig. Für Microsoft ist Ecosia sogar vorteilhaft. Wir haben jüngere Zielgruppen, Microsoft eher ältere, auf deren Rechnern Bing vorinstalliert ist. Mittlerweile ist Ecosia für Microsoft in Europa der größte Suchpartner und ich habe das Gefühl, dass Microsoft für unser Thema richtig brennt.

Ecosia-Jahresziel 2019 bereits im Oktober erreicht

Überrascht Dich eigentlich der Erfolg? Kroll: Ich bin immer sehr optimistisch. Eine Metrik, nach der wir unsere Ziele bewerten, ist die Zahl der Suchanfragen pro Woche. 100 Millionen wollten wir in diesem Jahr schaffen, die hatten wir schon im Oktober 2019 erreicht.

Das Thema Klimaschutz ist endlich in der Gesellschaft angekommen… Kroll: Ja, ich hatte teilweise schon das Gefühl, wir rasen auf die Mauer zu und niemanden interessiert’s. Jetzt gibt es zumindest eine Debatte in Deutschland.

Hast Du das Gefühl, dass das Thema auch in der Politik angekommen ist? Kroll: Die Politiker haben verstanden, dass sie Wählerstimmen verlieren, weil Menschen das Thema wichtig ist. Den Klimawandel an sich haben sie noch nicht verstanden, sonst hätten sie nicht das Klimapaket in der Form verabschiedet. Auf mich wirkt es wie eine fundamentale Fehlwahrnehmung des Problems und dessen Lösungsmöglichkeiten, wenn ich mal ausschließe, dass Politiker Entscheidungen treffen, um selbst an der Macht zu bleiben. 

Ecosia-Gründer Christian Kroll: Mir fehlt Rückgrat in der Politik

Was fehlt Dir? Kroll: Mir fehlt Rückgrat. Mir fehlt ein Politiker, der inspiriert und nicht rückwärtsgewandt agiert. Ich bin gespannt, wie in 20, 30 Jahren über uns geurteilt wird. Wenn sich die Erde um 4 bis 5 Grad erwärmt, werden hunderte Millionen Menschen darunter leiden – oder sogar sterben. Die Spannung zwischen der jüngeren und älteren Generation wird zunehmen. Und da ist noch etwas, was mich stört.

Was? Kroll: Die Gesellschaft ist in der Regel darauf fokussiert, Dinge mit Technologie lösen zu wollen, anstatt die Natur als Lösung zu sehen. Ein Beispiel: Bill Gates versucht, Maschinen zu bauen, die CO₂ absorbieren oder einsaugen. Ich denke dann immer: Diese Maschinen haben wir schon, sie bauen sich selbst zusammen und funktionieren mit 100 Prozent Solarstrom: Bäume. 

Vision von Ecosia: Eines Tages Google ablösen

Zurück zu Ecosia: Was ist die Vision? Kroll: Wir können noch problemlos um den Faktor 100 wachsen, wenn die Nutzer es wollen. Eines Tages wollen wir nicht nur viele Milliarden Bäume pflanzen, sondern auch Google als Suchmaschine Nummer 1 ablösen.

Klingt sehr ambitioniert. Kroll: Ist es auch. Aber wenn wir technologisch immer näher herankommen, haben wir langfristig einen Wettbewerbsvorteil: Wir sind kein Profit maximierendes Unternehmen. Wir handeln im Sinne der Gesellschaft und des Planeten. Das kann Google nicht nachmachen. Wenn wir es nicht versauen, dann können wir die Reichweite von Google erreichen.

Externer Link-Tipp: Interview mit Christian Kroll bei Berlin Valley

Zum Abschluss: Welche Schlagzeilen möchtest Du 2020 von Ecosia lesen? Kroll: „Deutsche Regierung stellt komplett auf Ecosia um“, wäre was – und vor allem gut begründbar: Wir sind ein deutsches Unternehmen, das hier Steuern zahlt, welches Datenschutz betreibt. Im Such- oder Personal-Assistent-Bereich gibt es kein deutsches Unternehmen, das so viel Reichweite hat wie  wir.