Dramatische Situation wegen CoronaDer Albtraum in Schwellen- und Entwicklungsländern

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Freiwillige verteilen in Johannesburg Lebensmittel an Bedürftige. Südafrika ist in Afrika am stärksten von Corona betroffen.

von Maternus Hilger (hil)

Die Corona-Pandemie hat die Welt weiter fest im Griff. Doch während hierzulande der Alltag trotz aller Einschränkungen und den spürbaren wirtschaftlichen Folgen der Krise noch funktioniert, verschärft sich die Lage in den hoch verschuldeten Schwellen- und Entwicklungsländern – in Afrika, Lateinamerika, auf dem indischen Subkontinent oder in der Karibik.

Die Zahl der Armen und Unterernährten ist schon jetzt extrem hoch. Durch Corona dürfte sie noch dramatisch zunehmen.

Corona-Pandemie ist wie ein Brandbeschleuniger

Die Corona-Pandemie funktioniert wie ein Brandbeschleuniger für ohnehin schon bestehende Krisen. In der Folge droht die Zahl der Hungernden auch aufgrund des Klimawandels und der weltweiten Kriege auf eine Milliarde zu steigen.

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Die Vielzahl der Krisen könnte ein Ausmaß annehmen, wie wir es bisher noch nie erlebt haben. „Afrika südlich der Sahara wird darunter besonders leiden“, sagt Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe.

Corona-Krise: Afrika droht Nahrungsmittelknappheit

Der Kontinent verzeichnet laut der Afrikanischen Union (AU) inzwischen mehr als eine Million nachgewiesene Corona-Fälle – gut die Hälfte davon in Südafrika. In der weltweiten Statistik der Infektionsfälle liegt Südafrika an fünfter Stelle – hinter den USA, Brasilien, Indien und Russland.

Weitere Covid-19-Hotspots sind Ägypten, Nigeria, Algerien und der Sudan. Mehr als 22.000 Infizierte seien bereits gestorben, teilte die AU mit. Die Dunkelziffer, so schätzen Experten, dürfte auf dem Kontinent mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern weitaus höher liegen.

Der Grund: Anders als in den hoch entwickelten Industriestaaten ist die medizinische Versorgung oft mangelhaft. Gesundheitssysteme sind völlig überlastet. Es fehlt an ausreichenden Tests und Fachpersonal sowie in einigen Ländern auch an Krankenhausbetten. Hinzu kommt, dass in vielen dieser Länder Potentaten regieren, die die Corona-Pandemie verharmlosen.

Corona-Pandemie: Afrika gehen 30 Millionen Jobs verloren

Die Entwicklungsorganisation ONE warnt vor schlimmen Folgen: „Durch die Corona-Krise drohen in Afrika 30 Millionen Jobs verloren zu gehen; die Wirtschaft auf dem Kontinent bricht ein“, betonte Deutschland-Direktor Stephan Exo-Kreischer. Arbeitslosigkeit, die sich verschärfende Nahrungsmittelknappheit und steigende Preise bedrohen die Lebensgrundlage vieler Menschen.

Soziale Sicherungssysteme, wie wir sie in Deutschland kennen, gibt es nicht. Der Internationale Währungsfonds schätzt, dass am Ende dieses Jahres rund 170 Länder mit 90 Prozent der Weltbevölkerung wegen der Corona-Krise in die Rezession abgleiten werden.

Die Schuldenlast wird immer größer

Entwicklungsländer haben wenig bis gar keinen Spielraum, um die Krise mit milliardenschweren Hilfspaketen – wie in Deutschland und anderen Industrienationen – abzufedern. Ihre Schuldenberge waren bereits vor der Corona-Krise gigantisch.

„Wie angespannt die Lage ist, zeigt sich daran, dass 40 Prozent der armen Länder mit gravierenden Schuldenproblemen zu kämpfen haben. Und wieder trifft es Afrika besonders hart: neun von zwölf Staaten, die mittlerweile einen hoch-riskanten Schuldenstand erreicht haben, sind in Afrika südlich der Sahara“, heißt es bei der Welthungerhilfe.

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Hinzu kommt, dass sich Investoren in solch unsicheren Zeiten zurückhalten bzw. ihr Kapital abziehen. Auch der Währungsverfall und die ausbleibenden Touristen machen vielen dieser Staaten zunehmend zu schaffen.

Hungerkatastrophe droht

Wie in Afrika dürfte sich auf allen von großer Armut geplagten Kontinenten durch Corona die Nahrungsmittelknappheit verschärfen. Laut Welternährungsprogramm FAO der Vereinten Nationen leiden schon jetzt rund 821 Millionen Menschen weltweit an Hunger (Stand: 2017).

Jeden Tag sterben 24.000 Menschen an den Folgen, drei Viertel davon sind Kinder unter fünf Jahren. Durch die Corona-Pandemie drohen in diesem Jahr fast 180.000 Kinder unter fünf Jahren zusätzlich zu verhungern, so eine Studie von Derek Headey und seinen Kollegen vom US-Entwicklungspolitik-Institut IFPRI.

Armut in Entwicklungsländern wird wieder größer

Durch die Ausgangsbeschränkungen und Wirtschaftseinbrüche würden zudem etwa 140 Millionen Menschen zusätzlich in extreme Armut getrieben. Sehr viele müssen am Tag mit weniger als 1,90 Dollar (umgerechnet 1,62 Euro) auskommen.

In den ärmsten Ländern kommt die Covid-19-Krise noch zu anderen Katastrophen dazu – wie Kriegen, Seuchen, Klimawandel, verheerenden Unwettern oder – wie jüngst das Inferno von Beirut. Eine Folge: die Massenflucht von Menschen nach Europa – in der Hoffnung auf ein besseres Leben.

Corona-Krise in Schwellenländern: Was ist zu tun?

Nach Schätzungen der Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD benötigen die Entwicklungsländer in den kommenden zwei Jahren mindestens 2,5 Billionen Dollar an finanziellen Hilfen. Spenden und der enorme Einsatz von Hilfsorganisationen alleine werden nicht reichen.

Ein Ausweg wäre ein Schuldenschnitt der Industrieländer. Gläubiger sollten armen Ländern ihre Schulden bis mindestens Ende 2021 stunden, fordert etwa die Organisation ONE. Das Problem: Auch in den Industrieländern wächst in der Corona-Krise durch Billionen Euro schwere Hilfspakete der Schuldenberg, so dass manche möglicherweise neue finanzielle Risiken scheuen könnten.

Doch man sollte sich keine Illusionen machen: Die Corona-Pandemie ist eine globale Krise – und nur global zu lösen. Sonst stehen am Ende alle mit leeren Händen da.