„Das hat uns besonders begeistert”RKI-Chef macht uns allen Hoffnung im Corona-Kampf

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RKI-Chef Lothar Wieler gibt am Freitag (26. Februar) seine Einschätzung zur Corona-Lage.

von Martin Gätke (mg)

Berlin – Die Sehnsucht nach einem Ausbrechen aus dem Corona-Korsett ist groß. Doch Kanzlerin Angela Merkel hat Hoffnungen auf schnelle und umfassende Lockerungen der strengen Kontaktbeschränkungen mit der Einführung der Corona-Selbsttests gedämpft. Impfen, Testen, Lockern? Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und RKI-Präsident Lothar Wieler informierten am Freitag (26. Februar) über die aktuelle Corona-Lage im Lockdown.

  • RKI-Chef Lothar Wieler mahnt erneut zu großer Vorsicht
  • Dennoch hat er hoffnungsvolle Botschaften für uns
  • Eine Studie über Astrazeneca habe ihn besonders begeistert – sie stammt aus Schottland

Wenige Tage vor der nächsten Bund-Länder-Runde zur Corona-Politik hat Wieler zum einen erneut große Vorsicht bei möglichen Öffnungsschritten angemahnt. Die Bürgerinnen und Bürger müssten im Umgang mit der Pandemie „weiter wachsam“ sein, „ansonsten steuern wir in eine weitere, in eine dritte Welle hinein“, sagte er.

RKI-Chef Lothar Wieler macht uns Hoffnung im schweren Kampf gegen Corona

Dennoch hatte der RKI-Präsident hoffnungsvolle Botschaften: Zum einen verwies er darauf, dass es Hinweise auf erste messbare Positiv-Effekte der Impfkampagne gebe. Die Fallzahlen in der Bevölkerungsgruppe der Über-80-Jährigen nehme ab, sagte Wieler. „Das ist wahrscheinlich schon ein Effekt der Impfungen.“

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Eine schottische Studie zeige zudem, wie hochwirksam der von vielen noch verschmähte Astrazeneca-Impfstoff sei: Die Quote der Menschen, die nach einer Corona-Infektion in ein Krankenhaus mussten, ist demnach um 94 Prozent gesunken. „Fantastisch”, so Wieler.

Dennoch warnte Spahn vor zu großen Hoffnungen auf Lockerungen bei den Bund-Länder-Gesprächen kommenden Mittwoch. Zwar gebe es „ein Bedürfnis“ nach Schritten aus dem Lockdown, sagte er. Dabei müsse aber „behutsam“ vorgegangen werden.

Pressekonferenz am Freitag (26.02.) – was sagen Spahn und Wieler?

  • Gesundheitsminister Jens Spahn blickt zu Beginn der Pressekonferenz auf die ersten zwei Monate nach Beginn der Impfkampagne und benennt erste Erfolge: Fast alle Bewohner von Alten- und Pflegeheimen haben ein Impfangebot bekommen, viele haben schon eine Zweitimpfung bekommen.
  • Spahn: „Unsere Strategie, diejenigen zuerst zu impfen, die besonders verwundbar sind, geht auf. Es ist aufwendiger, aber es rettet Leben.“
  • Trotzdem lägen noch zu viele Impfstoffe im Kühlschrank. Aber auch das werde sich spätestens in den nächsten Wochen ändern.
  • Die Pandemie sei „kein Spaziergang”, so Spahn. „Die Mutationen machen Weg beschwerlich.” Wir müssten lernen, mit dem Virus zu leben. „Sicherheit kann uns da verstärktes Testen zu geben. Mit der Zulassung von Selbst- und Eigentests erhalten wir ein weiteres Instrument.” Es gebe „mehr Trittsicherheit“. Für den Einsatz brauche es praktikable, einfache Lösungen.
  • Tests gäben zwar mehr Sicherheit, aber keine „hundertprozentige Sicherheit”, so Spahn. Der PCR-Test bleibe der Goldstandard”.
  • RKI-Chef Wieler erklärt, es gebe einige positive Entwicklungen. Die Fahlzahlen nehmen bei Über-80-Jährigen ab. Trotzdem werden täglich immernoch „leider viele hundert Tote“ gemeldet. „Wir sehen leider seit einigen Tagen, dass die Fallzahlen stagnieren.“ Die Sieben-Tages-Inzidenz hat sich bei circa 60 eingependelt, in einigen Bundesländern steigen die Werte gar wieder. „Wir müssen davon ausgehen, dass die besorgniserregenden Varianten eine Rolle spielen.“ B.1.1.7 breite sich rasch aus und sei „ansteckender und gefährlicher“, in allen Altersgruppen. Besonders bei jüngeren Menschen steigen die Zahlen stellenweise sprunghaft an.
  • „Wir sehen deutliche Signale einer Trendumkehr.“ Es sei daher wichtig, die Maßnahmen einzuhalten, „sonst rollen wir alle in eine dritte Welle.“
  • Impfungen seien ein „mächtiges Werkzeug”. Wer ein Impfangebot bekomme, solle es unbedingt annehmen. Die Selbsttests werden die bisherigen Maßnahmen „nur ergänzen, nicht ersetzen”, erklärt Wieler.
  • Ein negatives Testergebnis schließe keine Infektion aus, so Wieler. Sie sei nur eine „Momentaufnahme”, kurz danach könnte man sich trotzdem anstecken.
  • Selbsttest seien keine „Wunderwaffe”, aber ein weiteres Werkzeug. „Das mächtigste Werkzeug, das sind wir selber. Wenn wir uns an die Maßnahmen halten”, mahnt Wieler.
  • Lisa Federle, leitende Notärztin und Pandemiebeauftragte der Stadt Tübingen, stellt „Tübinger Weg” vor. Die schwäbische Stadt begann früh, mit umfangenden Tests in Krankenhäusern, Schulen und Kitas.
  • 90 Prozent der Älteren leben zu Hause, bei kostenlos angebotenen Tests auf zentralen Plätzen seien teils Tausende gekommen. Die Aktion sei auch in Kitas und Schulen angeboten worden, um den Vollbetrieb zu ermöglichen, schildert Federle die Situation in Tübingen.
  • Federle erläutert, wie wichtig es ist, Menschen für Selbsttests zu sensibilieren. In Tübingen hätten sich einige postive Getestete geschockt gezeigt. Es sei wichtig, über die Verantwortung nach einem Positivtest aufzuklären.
  • Eine Journalist fragt nach den nicht genutzten Impfdosen von Astrazeneca: „Es mag den ein oder anderen geben, der das Angebot nicht annimmt – auch wenn wir dazu raten, weil auch dieser Impfstoff hinreichend schützt.” Es gebe aber ausreichend Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Prioritätengruppe 2 impfen lassen wollen, darunter auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen. Es brauche aber mehr Informationen für die Menschen, sodass die Impfung „Fahrt aufnimmt.”
  • Wieler merkt noch an, dass eine höhere Wirksamkeit bei späterer Zweitimpfung eine „großartige Nachricht” sei. „Eine Zahl hat uns besonders begeistert”, so Wieler: Schottland hat 500.000 Menschen mit Astrazeneca geimpft. Eine schottische Studie zeige, dass Astrazeneca die Quote der Hospitalisierung „um 94 Prozent” reduziert. Das heißt im Klartext: 95 Prozent weniger Klinikaufenthalte nach der ersten Impfdoses. „Eine großartige Zahl”, so Wieler. Das macht Hoffnung inmitten einer kritischen Lage.
  • Kritik an Astrazeneca sei deshalb „sachlich nicht gerechtfertigt.”  Wieler könne nicht verstehen, wenn Menschen diesen Impfstoff ablehnen. Der Wirkstoff sei „hochwirksam”.
  • Auch Nebenwirkungen wie „ein oder zwei Tage Kopfschmerzen“ seien besser, als „die verdammte Krankheit“ zu bekommen.
  • „Wir waren wochenlang auf einem guten Weg“, erklärt Spahn auf eine Nachfrage nach möglichen Lockerungen, „aber die Zahlen stagnieren jetzt.” Ab dem Advent spielten die Muationen in Deutschland eine Rolle. Spahn empfiehlt auch den Ministerpräsidenten bei ihren Lockerungsentscheidungen „größte Umsicht und Vorsicht“. Spahn: „Ich kann dafür nur werben, auf die Balance zwischen dem sozialen, wirtschaftlichen, menschlichen Bedürfnis und der Vorsicht zu achten.“
  • Zum Abschluss erklärt der RKI-Chef noch einmal, dass es sich bei dem Coronavirus um einen zoonotischen Erreger handle, also aus dem Tierreich komme. „Dieses Virus wird nicht mehr verschwinden. Wir werden mit dem Virus leben.” Wir werden Krankheitsverläufe abschwächen können, es kontrollieren und beherrschen können,. so Wieler „Aber: Wir können es nicht ausrotten.”

Spahn kündigte ursprünglich Selbsttests ab 1. März an, Merkel tritt auf die Bremse

Kanzlerin und Ministerpräsidenten beraten am Mittwoch (3. März) erneut. Der Druck aus der Wirtschaft ist groß, mehrere Bundesländer haben bereits für Anfang kommende Woche über Friseurläden hinaus die Öffnung etwa von Gartenmärkten und Blumenläden angekündigt.

Hoffnungen für mehr Normalität richten sich auch auf Schnelltests, die geschultes Personal vornehmen sollen, und auf Laien-Selbsttests. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte ursprünglich angekündigt, dass ab 1. März ein Angebot für alle Bürger kommen solle, sich kostenlos von geschultem Personal mit Antigen-Schnelltests testen zu lassen – etwa in Testzentren, Praxen oder Apotheken. Darüber soll nun aber erst bei den Bund-Länder-Beratungen gesprochen werden.

Merkel sagte am Donnerstagabend nach Beratungen beim EU-Gipfel, es müsse zunächst gründlich geprüft werden, „ob wir uns durch ein vermehrtes Testen auch mit diesen Selbsttests einen Puffer erarbeiten können, so dass wir in der Inzidenz etwas höher gehen können als 35”. Man könne trotz der Selbsttests weder auf Inzidenzen generell verzichten noch sofort öffnen. (mg/dpa)