Stefan L. raste 7 Menschen in den TodSchock-Gutachten: Opfer tragen eine Mitschuld

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Der Audi TT von Stefan L. kam auf einer Anhöhe zum Stehen, nachdem er vorher in eine Menschengruppe gerast war. Der Unfall ereignete sich am 5. Januar 2020.

Luttach – Am 5. Januar 2020 raste Stefan L. (27) mit seinem Audi TT durch den kleinen Ort Luttach in Südtirol und tötete dabei sieben deutsche Ski-Touristen, die eine Straße überquerten. Unter den Unfallopfern waren junge Urlauber aus Köln, Dortmund und Wuppertal.  Der 27-jährige soll betrunken (1,97 Promille) gewesen und viel zu schnell gefahren sein. Jetzt gibt es neue Erkenntnisse, muss der Raser doch nicht  in den Knast?

Luttach-Gutachten: Opfer sollen Mitschuld an ihrem Tod tragen

Ein Gutachten, das jetzt auftauchte, erstaunt: Die Opfer, so berichten italienische Medien, sollen eine Mitschuld an ihrem Tod tragen. Wenn diese Erkenntnisse im September dem Richter vorgelegt werden, könnte sich das positiv auf das Strafmaß für Stefan L. auswirken, meinen Experten. Von einer Haftstrafe bis zu 18 Jahren war anfänglich die Rede. Nach den neuen Erkenntnissen gilt: Hinter Gitter dürfte der Raser  kommen, die Strafe könnte aber geringer ausfallen.

Wie kommt es jetzt dazu? Anfang Juni hatte die italienische Justiz den Unfall nachstellen lassen, dabei kam heraus: Die Untersuchung kann den Unfallfahrer entlasten, zum Teil jedenfalls. Ein Sachverständiger bezweifelt, dass die Gruppe - oder Teile davon - den Zebrastreifen benutzt hat. Nur dieser Bereich sei in der Nacht durch eine Straßenlaterne gut einsehbar – laut der Zeitung „Dolomiten“ seien Personen außerhalb des Lichtkegels nur schemenhaft zu erkennen gewesen. Hatten die Touristen, die zuvor aus einem Shuttlebus ausgestiegen waren, die Straße in einem dunkleren, schwer einsehbaren Bereich passiert?

Der Fahrer und seine Freundin hatten sich vorher getrennt

Die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ hatte berichtet, dass der Fahrer seinem Anwalt Alessandro Tonon nach dem Unfall erzählt hatte, dass er in der Unfallnacht alleine auf dem Weg in den Pub „Hexenkessel“ gewesen sei. Und dass er und seine Freundin sich kurz zuvor getrennt hätten.

Der  „Hexenkessel“ ist vor allem bei jungen Skifahrern beliebt. Die Gruppe der getöteten jungen Leute hatte vor dem Unglück auch dort gefeiert.

Stefan L. bereute den Unfall

Nach Angaben von Anwalt  Tonon bereute Stefan L.  den Unfall,  sein Mandant habe sich für nicht so stark alkoholisiert gehalten. „Mir war nicht klar, dass ich betrunken war. Es kam mir nicht so vor, als hätte ich so viel getrunken.“ Dem Anwalt habe er  ungefähr auch folgendes anvertraut: „Es wäre besser gewesen, ich wäre gestorben anstelle der anderen Menschen.“

Der 27-Jährige war nach der Untersuchungshaft in Hausarrest geschickt worden, den er im Kloster Neustift bei Brixen verbrachte. Dort sei er auf eigenen Wunsch immer noch, obwohl der Hausarrest im Juli aufgehoben worden war.

Neue Erkenntnisse zum Tempo des Rasers

Die Nachricht vom Gutachten wird er jetzt im Kloster mit Interesse vernommen haben. Der Gutachter geht nämlich davon aus, dass der Unfallfahrer mit rund 90 Stundenkilometern unterwegs war. Das ist zwar deutlich mehr als die an jener Stelle erlaubten 50 Stundenkilometer, aber weniger als über 100 km/h, wie zunächst vermutet. „Im Moment sieht es für ihn, der dargestellt wurde wie ein Monster, nicht schlecht aus. Doch das Beweissicherungsverfahren ist bisher nicht abgeschlossen“, sagte Stefan L.s Anwalt der „Neue Südtiroler Tageszeitung“.

Könnte sich das Gutachten tatsächlich positiv für den Raser auswirken? „Im deutschen Recht ist es so, dass ein zivilrechtliches Mitverschulden auch bei der Frage des Grades der Fahrlässigkeit mitberücksichtigt wird“, sagt Uwe Lenhart, Fachanwalt für Verkehrs- und Strafrecht, auf Anfrage von uns. „Und was man dem Fahrer ja vorwirft, ist fahrlässig gehandelt zu haben.  Das ist per se die Alkoholisierung und die Geschwindigkeitsüberschreitung. Bei uns geht man ab 1,1, Promille unwiderlegbar davon aus, dass ein Fahrer nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen.“

Die Haftstrafe kann sich auf drei Jahre verringern

Wenn man jetzt belegen könnte, dass ein Idealfahrer, in ordnungsgemäßem Tempo und nicht alkoholisiert, den Unfall auch nicht hätte vermeiden können, stelle sich die Sache anders als bisher dar. Und was bedeutet das für das Strafmaß? „Es kann nach unten gehen. In Deutschland gibt es für die fahrlässige Tötung nach Paragraf 222, Strafgesetzbuch, bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe. Bei einem erheblichen Mitverschulden kann die Strafe sich auf drei oder dreieinhalb Jahre verringern.“ Dass der Fahrer ohne Strafe davon kommt, sei aber undenkbar.

Das gilt auch für die in diesem Fall maßgebliche italienische Rechtsprechung. Elke Hübner, für Verbraucherschutz und Recht beim ADAC Nordrhein zuständig: „Wenn der Täter mit 1,9 Promille gefahren ist, bekommt er auf jeden Fall eine Strafe wegen des Fahrens unter Alkoholeinfluss. Inwieweit die mehrfache Tötung der Fußgänger bestraft werden kann, wird sich erst im Gerichtsverfahren zeigen. Darin werden Gutachten, Arztberichte und insbesondere die Zeugenaussagen bewertet.“

Am Ende ist das ein Blick in die Glaskugel

Wenn die Ergebnisse der Beweisaufnahme nahe legten, dass auch für einen nicht alkoholisierten Fahrer der Unfall unvermeidbar gewesen wäre, dann würde das Auswirkungen auf eine Bestrafung haben. Am Ende aber käme das  alles einem Blick in die Glaskugel gleich.  „Was bei dem Verfahren herauskommt, ist noch nicht absehbar.“