Sein Geheimnis schockierteGefesselt und erschlagen lag Walter Sedlmayr im Bett

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Volksschauspieler Walter Sedlmayr im Jahr 1989 vor seinem Münchner Wirtshaus „Beim Sedlmayr“, das es auch heute noch gibt.

von Maternus Hilger (hil)

München – Walter Sedlmayr war ganz so, wie man sich den typischen Bayer vorstellt – ein bisschen füllig, heimatverbunden, grantelig und charmant zugleich. Ein Münchener Original, durch und durch, und einer der populärsten Schauspieler seiner Zeit.

Doch für diesen Ruhm zahlte er privat einen hohen Preis. Vor 30 Jahren wurde er in seiner Schwabinger Wohnung ermordet – einer der spektakulärsten Kriminalfälle in der Geschichte der Bundesrepublik.

Walter Sedlmayr lag gefesselt auf seinem Bett

Als die Polizei den 64-Jährigen am 15. Juli 1990 in seiner Schwabinger Wohnung findet, liegt er gefesselt auf seinem Bett, mit Messerstichen in Hals und Nieren grausam gefoltert und schließlich mit Hammerschlägen auf den Kopf hinterrücks erschlagen, wie die Obduktion später ergeben wird. Passiert ist das Verbrechen am Tag zuvor. Entdecken wird die Leiche der Privatsekretär.

Alles zum Thema Homosexualität

Viele sind überrascht, als bekannt wird, dass Sedlmayr homosexuell gewesen ist. In einer Zeit, als Homosexuelle noch vielfach diskriminiert werden, schüttelt so mancher im katholischen Bayern den Kopf. Der Urbayer Sedlmayr mit seinem konservativen Image – ein Schwuler? Das ist für sie ein Schock.

Walter Sedlmayr: In vielen Rollen großartig

Es war wohl Sedlmayrs schwierigste Rolle, seine Vorliebe für Männer über Jahrzehnte zu verbergen. Nur wenige trauten sich im damals noch herrschenden Klima der Intoleranz, sich zu outen. Sedlmayr gehörte nicht dazu.

Seine Karriere hat er nach der Rückkehr aus dem Krieg an Münchener Theatern gestartet. Engagements in Heimatfilmen folgen. Später werden die Rollen anspruchsvoller – in Filmen von Rainer Werner Fassbinder oder Hans-Jürgen Syberberg, aber auch in zahlreichen Fernsehproduktionen glänzt er – wie in „Münchner Geschichten“, „Monaco Franze“, dem „Tatort“, „Derrick“ oder „Der Millionenbauer“.

Richtig populär macht ihn die Serie „Polizeiinspektion 1“ (1977 bis 1988), in der als Kommissar Franz Schöninger auf Ganovenjagd geht.

Walter Sedlmayr war Multimillionär

Und nicht zuletzt schafft er sich mit seinen Plaudereien bei Reise-Dokus eine große Fangemeinde. In den 80er Jahren ist Sedlmayr ein gefeierter Star – und ein gemachter Mann obendrein.

Durch Film- und Werbeeinnahmen, Erbschaften und Geschäfte mit Antiquitäten und Immobilien häuft er ein Millionenvermögen an. Er eröffnet im Februar 1989 sogar ein Wirtshaus – „Beim Sedlmayr“ in München, dessen Leitung er seinem Ziehsohn überträgt.

Walter Sedlmayr und die falschen Freunde

Den hatte er einst in seiner Schattenwelt kennengelernt und in sein Herz geschlossen. Doch er vertraut dem Falschen, wie sich bald herausstellen soll. Es kommt zum Streit, der kurz vor seiner Ermordung im Mai/Juni 1990 eskaliert.

Sedlmayr wirft ihm Betrug vor, will ihn als Erben aus seinem Testament streichen.

Wenige Wochen später ist Sedlmayr tot. Der Privatsekretär (der noch am Tatort ein Testament Sedlmayrs zu seinen Gunsten gefälscht hat) scheidet schnell aus dem Kreis der Verdächtigen aus. Er wird später wegen Urkundenfälschung verurteilt.

Nachgeforscht wird natürlich auch im Strichermilieu, in dem der Schauspieler verkehrt hatte und in dem es Wochen zuvor ähnliche brutale Verbrechen gegeben hatte. Ohne Erfolg.

Auch Modezar Rudolf Mooshammer wurde ermordet

Dem damaligen Chef der Mordkommission, Josef Wilfing, der 15 Jahre später auch im Mordfall des ermordeten homosexuellen Modezaren Rudolf Mooshammer ermitteln wird, ist bald klar, dass am Tatort gezielt eine falsche Fährte ins Strichermilieu gelegt worden ist.

Der Münchner „TZ“ sagt der heute 73-Jährige: Es seien Gegenstände wie eine Peitsche dort drapiert worden, „die uns Glauben machen sollten, dass da was Sexuelles stattgefunden hatte. Dabei hatten diese Dinge überhaupt nicht zu seinen Präferenzen gepasst. Wir haben über 50 Stricher vernommen, die bei Sedlmayr waren. Und die haben uns natürlich ein Bild gezeichnet über seine wirklichen Verhaltensweisen.“ Ein Freund von Sado-Maso-Praktiken sei er überhaupt nicht gewesen.

Walter Sedlmayrs Ziehsohn wird zum Hauptverdächtigen

Wilfing und seine Kollegen nehmen verstärkt Sedlmayrs Ziehsohn in die Mangel. Er und ein Verwandter werden bald zu den Hauptverdächtigen. Die Ermittler finden heraus, dass unter anderem mit den Alibis der beiden zum Tatzeitpunkt etwas nicht stimmt.

Als dann noch herauskommt, dass die Mordwaffe, der Hammer, einem der Verdächtigen gehört, ergeht Haftbefehl gegen die Männer. Es folgt ein spektakulärer Indizienprozess. Am 21. Mai 1993 schließlich werden die beiden, die alle Vorwürfe bis heute bestreiten, zu lebenslanger Haft verurteilt.

Seit 2007 ist Sedlmayrs Ziehsohn wieder auf freiem Fuß, sein Komplize kommt ein Jahr später frei. Ihre Versuche, den Fall in einem Wiederaufnahmeverfahren neu aufzurollen, scheitern mehrmals.

Walter Sedlmayr: „Ein Opfer der Intoleranz“

Bis heute hat der Wirbel, den Sedlmayrs Tod damals – vor allem in Bayern – auslöste, einen üblen Beigeschmack. Vor allem deshalb, weil sehr viele Menschen die Homosexualität Sedlmayrs und die Schmuddelgeschichten, gegen die er sich nicht mehr wehren konnte, mehr interessierten als das eigentliche, grausame Verbrechen.

„Er war ein Opfer der Intoleranz der damaligen Gesellschaft. Sedlmayr war ein einsamer Mann. Wäre er nicht zu diesem Doppelleben gezwungen gewesen, hätte er sich nie mit diesen Kriminellen eingelassen“, so Mordermittler Josef Wilfling in der „TZ“.

Homosexualität war gesellschaftlich ein Problem

Es gehört zur Tragik Sedlmayrs, dass er in einer Zeit lebte, in der Homosexuelle im Volksmund noch als „175er“ stigmatisiert wurden – nach dem berüchtigten Paragrafen aus dem Strafgesetzbuch, der sexuelle Handlungen unter Männern seit der Kaiserzeit unter Strafe stellte. Er wurde zwar seit 1969 nach und nach entschärft, doch abgeschafft wurde er erst 1994.

Auf Sedlmayrs Beerdigung erschienen weder Prominente noch der damalige Ministerpräsident Max Streibl. Ein trauriger Abschied von einem zu Lebzeiten gefeierten Volksschauspieler, der Millionen Menschen begeistert und zahlreiche Auszeichnungen erhalten hatte – darunter den Bundesfilmpreis und das Bundesverdienstkreuz.