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Prostituierte spricht über Corona„Wäre ich ein Mensch, würde ich hier nicht stehen”

Prostituierte_Berlin

Unser Symbolbild zeigt eine Prostituierte, die an einer Berliner Straße im Mai 2002 auf Kundschaft wartet.

von Mirko Wirch (wir)

Berlin – Sie gehören in unserer Gesellschaft zu den Schwächsten und in der aktuellen Corona-Pandemie zu den meist gefährdeten Personen: Obdachlose und Prostituierte.

Wenn jemand beides gleichzeitig ist, verschlimmert sich die Ausgangslage umso mehr. So wie bei Zhana.

Risikogruppen setzen sich Corona-Infektion aus

Die Corona-Pandemie hat den Alltag der meisten drastisch geändert. Eltern arbeiten seit Wochen von zu Hause aus, Kinder werden daheim unterrichtet und erhalten ihre Hausaufgaben digital.

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Doch was ist mit den Menschen, die kein Zuhause haben, obdachlos sind und die, damit sie Geld verdienen können, sich dem Risiko einer Corona-Infektion aussetzen müssen? 

Trotz Coronavirus: Zhana geht auf den Strich

Das Reportage-Team von „STRG_F“ ist dieser Frage nachgegangen. Es traf dabei auf Zhana, einer obdachlosen Prostituierten, die auch in Zeiten von Prostitutionsverbot nur so überleben kann. Das ist ihre Geschichte. 

Hier können Sie sich das knapp 20 Minuten lange Video anschauen:

Zhana ist eine Prostituierte aus Bulgarien. Seit sieben Jahren lebt sie bereits auf den Straßen von Berlin und verkauft ihren Körper gegen Geld.

Sie hat keine Papiere, keine Wohnung, keine Familie. Nur sich selbst.

„Alle fragen mich, was ist das für ein Leben? Es ist ein Hundeleben“, sagt sie. „Wäre ich ein Mensch, würde ich hier nicht stehen. Ich würde nicht jedem sagen: Komm mit mir.“

Für Prostituierte und Freier bleibt oft nur der Park

Die Orte, an denen sich Zhana mit ihren Freien normalerweise trifft, sind alle geschlossen. Die Kneipe mit der Matratze im Hinterzimmer eines Cafés, das Sex-Kino, die Stundenhotels. Für Zhana bleibt meist nur noch der Park, eine Toilette oder in heimliches Versteck.

An dem Tag als das Reportage Team von „STRG_F“ mit Zhana unterwegs ist, herrscht schlechtes, kaltes Wetter mit Schneeregen in Berlin.

Nach drei Stunden ohne einen einzigen Cent verdient zu haben, hat Zhana ihren ersten Freier. Sie trifft ihn im Park. „Ich habe 30 Euro bekommen. Ich danke Gott, dass ich wenigstens einen Kunden hatte. Bei dem Wetter läuft es nicht so gut.“

Trotz Vergewaltigung keine Strafanzeige

Die Zahl der Armuts-Prostituierten in Deutschland wird nicht erfasst. Schätzungen von Experten gehen von 150.000 Frauen aus.

Die meisten kommen wie Zhana aus Osteuropa und sind auch obdachlos, haben keinen Zuhälter und leben auf der Straße. Diese Frauen sind die Schwächsten – und Corona trifft sie am härtesten.

Es gibt Frauen, die vergewaltigt werden und es nicht zur Anzeige bringen, weil sie sonst nicht mehr auf der Straße stehen können, erzählt Streetworker Gerd dem Reportage-Team, der viele dieser Frauen kennt.

„Manchmal kommen Männer in Gruppen. Sie verfolgen dich, kommen auf dich zu und niemand ist da“, sagt Zhana. Ihr Gesicht erzählt den Rest, den sie nicht sagen will.

Ein Kaffee hilft Berliner Prostituierten aus

Doch allein sind diese Frauen trotzdem nicht. Normalerweise erhalten die Frauen beim Verein „Neustart“ was zu essen, können sich dort umziehen und ihre Post abholen.

Doch jetzt ist die Räumlichkeit wegen des Coronavirus geschlossen. Um den Frauen trotzdem ein wenig helfen zu können, haben sich Leiter Gerhard Schönborn und freiwillige Helfer etwas einfallen lassen.

Sie bringen jeden Tag eine Notversorgung für die Frauen, die vorbeikommen – auch Zhana.

Gerhard Schönborn erklärt, warum die Frauen trotz Corona und des Berufsverbots draußen stehen: „Wenn die Frauen einen Platz in einer Pension finden, müssen sie diesen bezahlen. Außerdem brauchen sie Geld für Essen und wenn sie Drogen konsumieren auch für diese. Deswegen sind sie gezwungen, hier zu bleiben und irgendwie Geld zu verdienen.“

Ein Dach über den Kopf – doch nicht für lange

Der Verein „Kältehilfe Berlin“ hilft Obdachlosen wie Zhana im Winter. Dank des Verein hat Zhana in den Wintermonaten ein Dach über dem Kopf, ein Bett zum Schlafen, etwas zu essen und Kleidung.

Wegen der Corona-Krise sind die Räume des Vereins bis jetzt auch im Frühling geöffnet. Einzelzimmer gibt es wegen zu hoher Nachfrage nicht.

Wegen Corona schlafen die Obdachlosen in einem Zehner-Zimmer nur zu dritt – eng ist es trotzdem.

Gesundheitsamt entscheidet bei Corona-Infektion

Was würde passieren, wenn es in so einer Institution einen Corona Fall geben würde? Malaika Neu, Leiterin des Hauses, kann es nicht sicher sagen.

„Ich wüsste nicht, was passieren würde, wenn hier eine Person Corona-Symptome zeigen würde”, sagt sie. „Wir würden die Person in einem Zimmer isolieren und dann müsste das Gesundheitsamt entscheiden, was passiert.“

Jetzt nach Ostern hat die Unterkunft wieder geschlossen. Und Frauen wie Zhana müssen sich ihre Schlafstellen wieder neu suchen.

Weiß Zhana, was Corona ist?

„Ich muss dann einen guten Platz finden. Im Park gibt es zurzeit keine Schlafmöglichkeiten, da es nachts viel zu kalt ist“, sagt Zhana.

Weiß Zhana eigentlich, was das Coronavirus ist, warum es gefährlich ist und wie sie sich schützen muss? „Keiner hat mir gesagt, wie man Corona bekommt oder was das ist. Wenn du mit jemandem redest, musst du dir ihn genau anschauen. Wenn er einen Schnupfen hat beim Reden oder wenn seine Augen etwas gelb sind, ist er mit Sicherheit krank.“

„Ich habe kein Respekt für meine Mutter“

Gefragt nach ihrer Familie, öffnet Zhana ihr Herz und erzählt ehrlich: „Ich habe keinen Respekt für meine Mutter, sie hat sich nicht um mich gekümmert bis sie gestorben ist. Sie hat immer gesagt, sie hätte kein Geld und hat uns fünf Geschwister uns selbst überlassen. Ich habe ihr gesagt, sie wisse, dass wir arm sind und auf dem Boden schlafen. Warum hast du uns zur Welt gebracht?“

Zhana wird auch weiterhin auf den Strich gehen, weiterhin sich mit Freiern im Park oder in einer Toilette treffen. Sie muss Geld verdienen, um zu überleben. Ist auf sich allein gestellt.

Ob sie Träume hat, wird sie von der Reporterin gefragt. Ihre Antwort ist erschreckend: „Für mich wäre es das Größte, wenn Gott mich zu sich nimmt, damit ich bei ihm lebe.“ (mir)