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Nach EklatWeiße Rose-Expertin: Das würde Sophie Scholl zu Jana aus Kassel sagen

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Dr. Kronawitter, Vorsitzende der Weiße Rose Stiftung

von Markus Krücken (krue)

Köln/München – Es war eine Ansprache, die fassungslos machte.

Eine junge Aktivistin hatte sich am Wochenende auf einer Querdenker-Demo in Hannover mit Sophie Scholl verglichen und für einen Sturm der Entrüstung gesorgt.

Ein junger Mann mit Ordnerweste unterbrach die Rednerin und quittierte aus Protest sogleich den Dienst. Die Bilder gingen durch die ganze Republik.

Und sie landeten natürlich in München bei der Weiße Rose-Stiftung, die das Gedenken an Sophie Scholl seit Jahrzehnten bewahrt.

Wir haben mit der Vorsitzenden Dr. Kronawitter (73) über den Vorfall von Hannover und mögliche Ursachen sowie Folgen gesprochen. Das Interview.

Frau Dr. Kronawitter, Sie arbeiten für die Weiße Rose Stiftung, die das Andenken von Sophie Scholl schützt. Was geht in Ihnen vor, wenn sie Auftritte wie den von Jana aus Kassel sehen und die Querdenker-Vergleiche mit ihr hören? 

Dr. Kronawitter: Seit Monaten versuchen jene, die sich als Querdenker verstehen, in ihrem Protest einen Bezug zum Widerstand zur Weißen Rose herzustellen, um die eigene Legitimität des Vorgehens glaubhafter rüberzubringen und merken nicht, wie missbräuchlich und leichtfertig das ist. 

Sind die, die das tun, einfach historisch völlig unwissend? 

Dr. Kronawitter: Die Assoziation hatte ich auch, als ich dieses Mädchen gesehen habe. Sie hat Empathie für Sophie Scholl, aber kann nicht nachvollziehen, was eine Diktatur bedeutet. 

Wie empfinden Sie das Verhalten des Ordners in dieser Szene, der spontan protestierte? 

Dr. Kronawitter: Im Moment eines missbräuchlichen Bezugs, dass jemand sofort aufsteht und sagt: „Das will ich nicht, Sie haben keine Ahnung“,  das finde ich vorbildlich und meinungsstark!

Sollten Besuche von Schulklassen in KZ-Gedenkstätten vor diesem Hintergrund mehr denn je Pflicht werden? 

Dr. Kronawitter: Bei uns in Bayern gibt es eine Vorgabe, dass in einer bestimmten Klasse Besuche in KZ-Gedenkstätten stattfinden. Die Frage ist: Bringt der reine Besuch etwas? Ich denke nicht der Besuch an sich, sondern die Befassung mit der NS-Diktatur im Ganzen ist entscheidend. Ich kann mir vorstellen, dass eine gelungene Unterrichtsstunde in Verbindung mit dem Besuch einer Gedenkstätte sehr aufklärend ist und das Begreifen fördert.

Was macht die Vergleiche so abstrus? 

Dr. Kronawitter: Wir haben in der Welt Diktaturen, die mit einem Repressionsapparat jede freie Meinung unterdrücken. Wenn die jungen Menschen da genauer hinschauen würden, könnten sie leichter lernen, wie sehr es wertzuschätzen ist, seine Meinung vertreten zu können. 

Würden sie sich wünschen, dass in den sozialen Netzwerken, ähnlich wie bei Donald Trump, mit Factsheets eingegriffen wird, wenn historisch falsche Vergleiche gezogen werden? 

Dr. Kronawitter: Ja. Die Reaktionen im Netz auf diesen Vorgang sind schon bemerkenswert korrigierend und aufklärend. Auch die Presse schreibt dazu. Es ist sicherlich richtig: Wenn ein Protest im demokratischen Umfeld sich mit dem Widerstand der Weißen Rose identifiziert, wäre es angemessen zu kennzeichnen: Der Widerstand der Weißen Rose war gegen eine Diktatur, die keine Meinungsfreiheit zuließ.

Wofür kämpfen Sie? 

Dr. Kronawitter: Wir wollen die Erinnerung an die Widerstandsgruppe Weiße Rose wachhalten, also auch an Sophie Scholl. Dieses Erinnern ist verbunden mit Werten, die für unser heutiges Zusammenleben wichtig sind: Freiheit, Toleranz und Zivilcourage. Freiheit ist nicht selbstverständlich, Toleranz muss gelebt werden, Zivilcourage ist auch im Alltag einer Demokratie notwendig. Dafür hoffen wir, mit unserer Arbeit Anstöße zu geben.

Letzte Frage: Was hätte wohl Sophie Scholl der Jana aus Kassel gesagt?

Dr. Kronawitter: Solch eine Antwort ist eigentlich nicht zu geben; aber ich mutmaße, sie würde sagen: Prüfe die Fakten, achte auch auf die Argumente der ‚anderen‘ Seite und wäge ab in deinem Urteil.