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Lebensgefährliche FluchtAls Werner in die Freiheit robbt, lauert unter ihm der Tod

Werner Fischer

Werner Fischer zeigt die Stelle, wo er vor 55 Jahren in die Freiheit flüchtete.

von Markus Krücken (krue)

Mitwitz – Tiefe Nacht im fränkischen Wald. Keine Menschenseele weit und breit. Zwei junge Männer liegen bäuchlings auf dem Boden. Nur keinen Pieps verursachen. Meter für Meter schlängeln sie sich vorwärts. Für die Strecke von 1200 Metern benötigen sie über vier Stunden.

Dann ist er erreicht, der Grenzzaun. Sie schneiden ihn und durch und haben es unbemerkt geschafft, ehe der Morgen graut: Den Weg aus der DDR in die BRD gefunden. In die Freiheit.

Rentner beschreibt seine gefährliche Flucht aus der DDR

Werner Fischer (74) steht heute angelehnt an einen Baum an jenem Punkt, wo er 1965 die innerdeutsche Grenze illegal überschritt und damit sein Leben aufs Spiel setzte.

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Bewaffnete Wachposten, Minenfelder: Hunderte kostete der Fluchtversuch in der düsteren Zeit des Kalten Krieges das Leben. Fischer und sein Freund aber überlebten wie durch ein Wunder – und robbten unbeschadet durch das Minenfeld bei Sichelreuth nach Mitwitz herüber. „Wenn ich hier heute stehe und mir überlege, was ich damals riskiert habe, dann weiß ich, welches unfassbare Glück ich hatte“, sagt er dem EXPRESS.

Als die Stasi ins Wirtshaus kam, konnte Fischer nicht mehr

Von klein auf sei er eine rebellische Natur gewesen, schildert er. Auch sein Vater sei mit dem System im Unrechtsstaat überhaupt nicht klar gekommen, habe oft Selbstmordgedanken geäußert.

Studieren? Durfte er trotz guter Noten nicht. Galt er dem Rat des Kreises doch nicht als zuverlässig genug. Der junge Fischer sah als Elektriker-Lehrling im 80-Seelen-Dorf hinter dem Eisernen Vorhang so keine Perspektive. Als er schließlich von zwei Stasi-Mitarbeitern aufgefordert wurde, Gäste aus dem Wirtshaus seiner Eltern zu denunzieren und ein Walter-Ulbricht-Porträt aufzuhängen, war das Fass übergelaufen, er konnte nicht mehr.

Darum fasste er sich an diesem 18. Oktober vor fünfundsechzig Jahren ein Herz. „Es ist ein Wahnsinnssystem gewesen. Ich hatte keine Chance, fühlte mich wie eingesperrt. Ich liebe die Freiheit. Ich hatte die Nase voll und musste raus“, sagt er, „Heute weiß ich, dass mich die Stasi ja auch längst beobachtet hatte. In meiner Akte, die ich nach der Wende ja einsehen konnte, steht solch ein Unfug drin, ich sei beispielsweise Zuhälter gewesen und hätte unter Brücken geschlafen.“

Und als „Straftat“ ist im dicken Ordner tatsächlich vermerkt: „Gelungener ungesetzlicher Grenzübertritt aus der DDR in den Westen durch Überwinden der Grenzsicherungsanlagen. Tatort: Grenzgebiet des Kreises Sonneberg.“

Werner Fischer 4

Die Karte zeigt die damalige Grenzlinie.

Hier ist er nach der spektakulären Flucht auch dort geblieben. Als Elektriker fasste er beruflich in Bayern Fuß, lernte seine heutige Frau dort kennen. Erst im Mai 2008 zog er zurück in sein Elternhaus.

Werner Fischer: Wenn sie mich erwischt hätten, hätte ich mich aufgehängt

Würde er mit dem Wissen von heute noch einmal das Risiko der Flucht auf sich ziehen? „Ja“, schießt es aus ihm heraus, „in der DDR wäre ich auf jeden Fall im Gefängnis gelandet. Allein deshalb, weil ich nicht zur Armee gegangen und den Dienst verweigert hätte. Wenn sie mich erwischt hätten, hätte ich mich aufgehängt. Ich musste den Versuch unternehmen. Es hat sich gelohnt: Ich hab ein tolles Leben hinter mir, es ist ein fantastisches gewesen. Und ich hatte das Glück, dass meine Eltern für meine Flucht nicht bestraft wurden.“

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Notiz aus der Stasi-Akte: Die Flucht ist als Straftat vermerkt.

Das Glück sieht man ihm auch heute an. Wenn der Rentner wöchentlich bei seinem Stammtisch im schnuckeligen Waldhotel Bächlein mit Freunden beim Bierchen zusammensitzt, erzählt er gerne die Geschichte seiner Flucht.

Bildband erinnert an die Geschichte

Für seine Familie hat er mit der Hilfe eines Bekannten in einem liebevoll illustrierten Bildband, der im Hotel für die Gäste ausliegt, seine Lebensgeschichte aufgeschrieben. Sie soll auch eine Mahnung für die jüngeren Generationen sein, die heutige Freiheit zu schätzen. Wie die historischen Grenzsteine, die sich am Wald noch heute befinden.