Messer-Terror in NizzaAbscheuliche Details bekannt – möglicher Komplize verhaftet

Nizza Terror 29. Oktober

Polizisten haben den Bereich nach dem tödlichen Messer-Angriff in Nizza am Donnerstag, 29. Oktober 2020, abgesperrt.

von Béla Csányi (bc)

Nizza – Nach dem mutmaßlich terroristischen Messerangriff in Nizza mit drei Toten haben Ermittler einen 47-jährigen Mann festgenommen und in Gewahrsam genommen. Er soll am Vorabend der Tat Kontakt mit dem Angreifer gehabt haben, bestätigten Justizkreise der Deutschen Presse-Agentur am Freitag in Paris. Der Verdächtige sei am Donnerstagabend gestellt worden, hieß es weiter.

Anti-Terror-Staatsanwalt Jean-François Ricard hatte am Donnerstagabend gesagt, dass Ermittler herausfinden wollen, ob der Angreifer von Komplizen unterstützt wurde. Sie wollen auch genauer wissen, wie der Mann, der aus Tunesien stammen soll, nach Südfrankreich kam. Der von Polizisten schwer verletzte Angreifer kam in ein Krankenhaus und schwebt in Lebensgefahr.

Terror-Sorgen in Frankreich nach mehreren Attacken am Donnerstag

Die Vorfälle am Donnerstag sorgten für neue Terror-Sorgen in Frankreich. Binnen weniger Stunden gab es gleich drei Anschläge an verschiedenen Orten. Am schlimmsten verlief ein Messer-Angriff in Nizza am Morgen, bei dem drei Menschen getötet und weitere verletzt wurden.

Alles zum Thema Polizeimeldungen

Der Bürgermeister von Nizza, Christian Estrosi, schrieb auf Twitter: „Alles deutet auf einen Terroranschlag im Umfeld der Basilika Notre-Dame von Nizza hin.“

Präsident Macron spricht von islamistischem Terroranschlag 

Auch laut Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron ein war die Attacke ein „islamistischer Terroranschlag“. Frankreich sei angegriffen worden, sagte der 42-Jährige am Donnerstag in der südfranzösischen Küstenmetropole.

Er kündigte einen verstärkten Schutz von Kirchen und Schulen an. Der schon länger laufende inländische Anti-Terroreinsatz „Sentinelle“ des Militärs solle von bisher 3000 auf nun 7000 Soldaten aufgestockt werden. Macron war nach dem Anschlag in Begleitung von Ministern nach Nizza gereist.

Mehrere Attacken sorgen in Frankreich für Unruhe

Der Täter soll in der Kirche eine Frau und einen Wachmann getötet haben. Eine weitere Frau schleppte sich schwer verletzt aus der Kirche in eine nahegelegene Gaststätte, erlag dort aber ihren Verletzungen.

Staatsanwaltschaft mit schockierenden Details zu Verletzungen der Opfer

Am Donnerstagabend erläuterte der Antiterror-Staatsanwalt Jean-François Ricard, wie die Verletzungen der Opfer aussahen: Einer 60-jährigen Frau sei tief die Kehle durchgeschnitten worden. Er sprach von einer Art Enthauptung.

Auch der getötete Küster wurde schwer an der Kehle verletzt. Ein drittes schwer verletztes Opfer sei noch geflüchtet. Die 44-Jährige sei dann außerhalb der Kirche ihren Verletzungen erlegen.

Gegen neun Uhr habe die Polizei eingegriffen, den mutmaßlichen Angreifer verletzt und festgenommen. „Die Beamten haben zweifellos ein noch dramatischeres Ergebnis vermieden“, sagte Ricard. Der Angreifer sei schwer verletzt und schwebe in Lebensgefahr.

Angriff in Nizza: Identität des Angreifers offenbar geklärt

Die Einsatzkräfte hätten einen Koran und Telefone gefunden. Außerdem habe man in der Nähe des Angreifers die Mordwaffe, ein rund 17 Zentimeter langes Messer, entdeckt. Ebenfalls seien zwei unbenutzte Messer gefunden worden, so Ricard.

Offenbar ist auch die Identität des Angreifers geklärt: Er habe ein Dokument des Italienischen Roten Kreuzes bei sich getragen, das auf einen 1999 geborenen tunesischen Staatsbürger ausgestellt gewesen sei. Er sei im September über die italienische Insel Lampedusa eingereist, so Ricard weiter.

Islamisten schlugen an mehreren Orten in Frankreich zu

Doch nicht nur in Nizza schlugen offenbar Islamisten zu. In Avignon bedrohte ein Mann mehrere Menschen mit einer Pistole und rief Medienberichten zufolge „Allahu Akbar“. Er wurde von Sicherheitskräften erschossen.

Proteste in islamischen Ländern wegen Mohammed-Karikaturen in Frankreich

In der französischen Botschaft im saudi-arabischen Dschidda wurde ein Wachmann mit einem Messer attackiert und verletzt. Er wurde nach der Tat ins Krankenhaus gebracht und schwebt nicht in Lebensgefahr.

Die französische Regierung wurde durch die Fälle in Alarmbereitschaft versetzt. Sie verhängte umgehend die höchste Terrorwarnstufe im Land. In den vergangenen Tagen gab es vermehrte Proteste in islamischen Ländern gegen Frankreich, nachdem dort in Medien wiederholt Karrikaturen des Propheten Mohammed gezeigt worden waren.

Täter bei Anschlag in Nizza angeschossen und verletzt

Der mutmaßliche Täter in Nizza wurde bei seiner Festnahme angeschossen und schwer verletzt. Er wird auf der Intensivstation behandelt. „Der Täter hörte nicht auf, 'Allahu akbar' zu wiederholen, während er vor uns medizinisch behandelt wurde“, berichtete Estrosi. In einer kurzen Rede vor der Kirche drückte er den Angehörigen am Morgen sein Mitgefühl aus. Er bedauerte, dass Nizza noch immer „Opfer des islamistischen Faschismus“ sei.

Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin kündigte auf Twitter eine Krisensitzung des Kabinetts an, Regierungschef Jean Castex verließ dafür die laufende Parlamentsdebatte über den neuen Lockdown. Präsident Emmanuel Macron solle im Laufe des Tages in Nizza eintreffen, berichtete die Tageszeitung „Nice Matin“.

Letzter schwerer Terroranschlag in Nizza im Jahr 2016

Die Basilika Notre-Dame ist die größte Kirche von Nizza und liegt im Stadtzentrum. Sie wurde zwischen 1864 und 1868 errichtet und knüpft an gotische Vorbilder an.

Vor gut vier Jahren hatte es in Nizza bereits einen schwerwiegenden Anschlag gegeben, damals riss ein Terrorist am französischen Nationalfeiertag (14. Juli) 87 Menschen in den Tod. Er war während der Feierlichkeiten mit hoher Geschwindigkeit in einem Lkw über die Promenade des Anglais am Ufer des Mittelmeers gefahren.

In Frankreich herrschte schon vor knapp zwei Wochen nach einem Messer-Angriff Entsetzen. In der Nähe von Paris war ein Geschichtslehrer enthauptet worden, weil er mit seinen Schülern im Unterricht Mohammed-Karrikaturen besprochen hatte. Tausende Menschen hatten in den Tagen nach dem entsetzlichen Mord in ganz Frankreich demonstriert. (bc/afp)