Clan-Mitglieder aus KölnDas Luxus-Leben als Hartz-IV-Empfänger

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Köln – Sie kannten sich noch aus Schulzeiten, drehten bald die ersten krummen Dinger. Nach ihren Millionencoups etwa als falsche Mitarbeiter eines Geldtransportunternehmens erwarben die drei mutmaßlichen Gangster über Strohleute jeweils einen Mercedes AMG 63, mit denselben Ziffern im Kennzeichen: Die 63 für das hochgetunte Modell und die 93 für denselben Geburtsjahrgang.

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Das mutmaßliche Hirn des Trios wurde zuweilen „der Kopf der Maschine“ genannt. Asier S., ein gebürtiger Spanier, bezeichnete sich selbst in einem belauschten Gespräch als „clanzugehörig“. Man stehe zusammen, man falle zusammen.

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Drei Schulfreunde als AMG-Gang

Mit seinen beiden Klassenkameraden gründete er eine Bande, die nur große Sachen „ab 100.000 Euro“ anpackte. Dabei soll sich die AMG-Gang nach Informationen des Kölner Express auf den Schutz des im Ruhrpott ansässigen, libanesischen El K.-Clans gestützt haben.

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Einer der drei Hauptprotagonisten, Housein El K. aus dem westfälischen Marl, galt als das Bindeglied zwischen der AMG-Bande und seiner kriminellen Großfamilie.

So soll Letzterer mit seinen Cousins aus Berlin einen Verantwortlichen eines Sparklubs in Gevelsberg überfallen und gut 77.000 Euro geraubt haben. Ein Bandenmitglied erzählte in einem abgehörten Telefonat, dass der Clan stets seinen Anteil von den Straftaten anderer erhalte.   

Am 4. Dezember 2018 wurden sieben führende Mitglieder der AMG-Gang verhaftet. Sie sollen mit dreisten Überfällen und Bandendiebstählen binnen zwei Jahren 2,575 Millionen Euro erbeutet haben.

Zwei Angeklagte aus Köln

Anfang Juni hat die Staatsanwaltschaft Essen Asier S. nebst Clanmitglied Housein El K. sowie vier weitere Männer und eine Frau in 14 Fällen angeklagt. Zwei der Angeschuldigten kommen aus Köln. Neben den Raubzügen geht es ferner um unerlaubten Waffenbesitz, Geldwäsche und dem Betreiben einer illegalen Marihuana-Plantage. Er sei gestresst, jammerte ein Kölner Gangmitglied in einem abgehörten Gespräch. In zwei Wochen sei Ernte, er brauche Hilfe. Zugleich schwärmte er von den Gewinnspannen: 100.000 Euro pro Pflückaktion seien da schon drin. 

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Bei einer Razzia in Köln stieß die Polizei auf diese Cannabis-Plantage. 

Fahndung bei „Aktenzeichen XY“

Der Fall der AMG-Gang sorgte bundesweit für Schlagzeilen, als die TV-Sendung „Aktenzeichen XY ungelöst“ Ende 2018 nach einem der noch flüchtigen Täter fahndete, der letztlich aber dank anderer Hinweise gefasst wurde. Burkhard Benecken, einer der Strafverteidiger, meint: „Die Staatsanwaltschaft hat - wie in Clan-Verfahren mittlerweile üblich - sehr umfangreich ermittelt. Im Hinblick auf das laufende Verfahren möchten wir die Vorwürfe selbst zu diesem Zeitpunkt nicht kommentieren.“

Die 89seitige Anklage, die dieser Zeitung vorliegt, schildert ein ausgeklügeltes Beuteschema, das meist mit Insidertipps arbeitete.

Schmuckraub in Mönchengladbach

Im April 2016 etwa soll der mutmaßliche Bandenchef Asier S. von einem befreundeten Juwelier einen heißen Tipp bekommen haben.  Tagelang observierte der Spanier mit zwei Kumpanen das Haus einer Schmuckhändlerin in Mönchengladbach. Schließlich näherten sie sich der Frau und forderten sie auf, ihren Kofferraum zu öffnen. Der Schmuck in dem Koffer sei zwar versichert, nicht aber ihr Leben, drohten die Männer ihrem verängstigten Opfer. Die Händlerin tat wie ihr geheißen. Den Koffer gepackt, zwangen die Täter die Frau wieder ins Auto, sprühten ihr Pfefferspray ins Gesicht, zerstachen einen Reifen und flüchteten mit Pretiosen im Wert von 300.000 Euro.

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Finanzpolster für Scheidung

Im Herbst 2016 stand das personelle Gerüst der AMG-Bande letztlich fest. Fortan plante man akribisch Coups mit sechsstelligen Gewinnspannen. Dazu hatte das Führungstrio einen Mitarbeiter einer Geldtransporter-Firma aus dem Ruhrgebiet angeheuert. Ahmad A., ein gebürtiger Libanese, gab die Tipps auf sich lohnende Beute. Sein Motiv wird er später im Verhör schildern: Die Ehe schien am Ende, für die Scheidung wollte sich der 44-Jährige ein finanzielles Polster schaffen.

Laut Anklage beschaffte der Tippgeber einen Nachschlüssel für einen Werttransporter, der stets auf der Mittagsroute am Dortmunder Stadthaus Station machte und entgegen der Vorschriften für 15 Minuten von beiden Wachmännern verlassen wurde. Gut 570.000 Euro Beute sprangen heraus.

Verkleidet im Geldtransporter 

Im Juni 2017 plünderten die Angeklagten einen Geldautomaten der Postbank in Werne aus. 254.000 Euro waren das Ergebnis.

Das Meisterstück lieferte die Gang aber in Gronau ab. Ein halbes Jahr baldowerte die AMG-Bande die Gegebenheiten bei der westfälischen Supermarktgruppe K+K aus. Als falsche Mitarbeiter des Geldtransporter-Unternehmens getarnt, luchsten Gangmitglieder der Supermarkt-Zentrale am 19. Dezember 2017 die Tageseinnahmen in Höhe von 1,8 Millionen Euro ab. Die Infos lieferte erneut der Insider.

Goldbarren versteckt bei Mutti

Den Löwenanteil sollen die drei Schulfreunde der AMG-Gang eingesteckt haben. Offiziell als Hartz-IV-Empfänger registriert, führten sie ein opulentes Luxusleben. Teure Rolex-Uhren, Goldbarren, Shopping-Touren auf der Düsseldorfer Königsallee - einer erwarb gar Immobilien im heimischen Pakistan. Ein anderer Angeklagter verwahrte Bargeld nebst Goldbarren im Wert von etwa 126.000 Euro und Schusswaffen bei seiner Mutter in Köln auf.

Lange Zeit wussten die Ermittler nicht, wer hinter den Beutezügen steckte. Nur durch Zufall gerieten sie auf die Spur der Gang. Die hiesigen Strafverfolger erhielten einen Tipp von ihren Schweizer Kollegen. Bei den Eidgenossen waren Mitglieder des Libanesen-Clans El K. wegen Drogenhandels und Betrügereien mit der Masche „falscher Polizist“ aufgefallen. Darunter auch das Mitglied der AMG-Bande, Housein El K.. Letzterer saß zeitweilig in Bern ein.

Fahrzeuge vom Libanesen-Clan

Im Juli 2018 verwanzte die neugegründete Ermittlungskommission (EK) „Rose“ die Autos verdächtiger Clan-Mitglieder. Auch wurden GPS-Sender angebracht, da die Familienangehörigen via Handy kaum über ihre kriminellen Aktionen sprachen.

Letztlich führte die Spur zur AMG-Gang. Es stellte sich heraus, dass die Bandenbosse Fahrzeuge des Libanesen-Clans benutzten. Und so redete sich der Angeklagte Asier S. um Kopf und Kragen, prahlte Anfang Oktober 2018 gegenüber seiner Freundin mit seinen Verbrechen, die satte drei Millionen Euro eingebracht hätten. In etlichen Einzelheiten schilderte er den Ablauf der Taten.    

Polizei positioniert Wanzen 

Durch die Wanzen im Auto erfuhr die Kripo auch, was die Bande als Nächstes plante. Zum einen wollten die Angeklagten vermutlich die Sparkasse in Köln-Ostheim ausnehmen.

Auch waren weitere Zielobjekte angedacht: Bei der Volksbank in Kamen und Werne plante man laut Anklage offenbar, einen Geldboten zu überfallen. Auch geriet die Sparkasse in unmittelbarer Nachbarschaft ins Fadenkreuz. Im Gespräch war, dass sich einer der Gangster mit einer Pistole am Kassenschalter postieren sollte, um den Geldkurier der Bundesbank abzufangen.

Schließlich hatte es die Bande auch noch auf ein Geldtransport-Unternehmen in Stuttgart abgesehen. So wurde der Plan diskutiert, nachts eine Wand einzureißen und die gehorteten Einnahmen zu entwenden. Ein ähnlicher Modus operandi wie 2015 im Phantasialand nahe Köln. 

Traum von Flucht nach Dubai

Zugleich arbeitete die Bande den Ermittlungen zufolge an Plänen, die Europäische Zentralbank in Frankfurt/Main zu erleichtern. Der Plot klang simpel: Zwei Autos stoppen einen Werttransporter, die Gangster springen heraus, zerstechen die Reifen des Fahrzeugs, zerteilen mittels Schneidbrenner die Seitenwand und erbeuten zehn Millionen Euro. Danach sollte es direkt nach Dubai gehen, wo es sonniger ist als in Deutschland.

Razzia im Dezember 2018

Sämtliche Vorhaben wurden durch die Razzia im Dezember 2018 gestoppt. Bei der Durchsuchung fand sich ein Schnellhefter mit den Daten von 420 Banken und Sparkassen in NRW. Akribisch hatte die Bande die Entfernung zur nächsten Polizeiwache oder die Anfahrtswege aufgelistet.

Bandenchef Asier S. gelang es sich in der Essener Haftanstalt illegal ein Handy zu beschaffen. Als die Ermittler dies mitbekamen, zapften sie es an. Seine Freundin ermahnte er, sie möge sich nur ja von den Brüdern seines Clankumpels El K. fernhalten. „Die sind sauer, weil sie von den Millionensachen nichts wussten.“