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„Wir machen uns strafbar“Unzumutbare Rechtslage: Retter über schlimmsten Notfall

Felix_Haehne_Screenshot_Youtube

Felix Haehne singt auf Youtube über seinen Job als Notfallsanitäter. 

von Martin Gätke (mg)

Köln/Kassel – Sie retten jeden Tag Leben, helfen in Notsituationen, versorgen kranke und schwer verletzte Personen – und verstoßen damit tagtäglich gegen das Gesetz: Notfallsanitäter. Felix Haehne (26) ist seit anderthalb Jahren in diesem Job tätig und macht jetzt mit seinem Song auf Youtube auf diese Missstände aufmerksam. Ein Song, der im Internet sofort viral ging.

Youtube-Hit: Retter singt über unzumutbare Probleme in seinem Job

Felix Haehne sitzt mit seiner Ukulele ganz entspannt im Rettungswagen. Er wirkt ausgelassen und fröhlich, während er in seiner Sanitäterjacke sein Lied trällert. Es wirkt, wie eine lustige Comedy-Nummer, über 260.000 Mal wurde das Video auf Youtube bereits angeklickt. Doch der Inhalt ist alles andere als witzig.

Notfallsanitäter sind oft als allererstes am Unfallort. Sie sind es, die sich um den Schwerverletzten kümmern, bis ein Notarzt kommt. Manchmal sind sie ganze 15 Minuten vor ihm da. Doch wenn es darauf ankommt, dürfen Notfallsanitäter Patienten nicht einmal Schmerzmittel geben. Das Gesetz verbietet es ihnen schlichtweg, selbst im Notfall. Das dürfen nur ausgebildete Notärzte.

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Im Video, das er sarkastisch „Krankenwagenbelademeister“ nennt, wirkt der junge Notfallsanitäter gut gelaunt. Doch wenn er über die unzumutbaren Probleme in seinem Beruf spricht, ist er frustriert. „Das Lied soll auf das riesige Problem aufmerksam machen, vor dem meine Kollegen schon seit eh und je stehen: Denn sie dürfen im Notfall weder invasive noch andere medizinische Maßnahmen am Patienten durchführen“, erklärt der 26-Jährige, der in Niedersachsen Leben rettet.

Krankenschwester-Foto auf Facebook zeigt, wie hart der Job ist(hier mehr erfahren) 

Notfallsanitäter beklagt: „Wir machen uns mit invasiven Maßnahmen strafbar“

Im Notfall sieht der Alltag von Felix Haehne dann so aus: Sobald er als erstes am Unfallort ankommt, führt er umgehend alle wichtigen Maßnahmen durch, erklärt er. Das Messen von Blutdruck oder der Körpertemperatur zum Beispiel. „Wenn diese Maßnahmen beendet sind, darf ich aber laut Gesetz nicht mehr tun, selbst in der schlimmsten Situation. Müssen wir anschließend noch immer auf den Notarzt warten, dann betreue ich den Patienten und muss im Fall des Beiseins von Angehörigen auch ihnen erklären, warum ich nicht noch mehr helfen darf – obwohl ich es könnte. Das sind die heiklen Situationen, die den ohnehin schon gewaltigen Druck in unserem Job noch einmal erhöhen.“

Und so begehen die rund 40.000 Notfallsanitäter und Rettungsassistenten und die zusätzlichen 20.000 bei den Feuerwehren in Deutschland täglich tausende Male einen Rechtsbruch. „Geht es um Leben und Tod, bei einer Reanimation zum Beispiel, dann sind invasive Maßnahmen für uns Notfallsanitäter ganz selbstverständlich. Gesetz hin oder her. Wir wollen ja Leben retten“, erklärt Felix Haehne. „Doch wir machen uns mit solchen Maßnahmen eben strafbar.“

Retter erklärt: „Wir verstoßen bei unseren Einsätzen mehrere Tausend Mal am Tag gegen geltendes Recht“

Denn jeder Eingriff in den Körper sei eben auch eine Körperverletzung. „Wir gehen zwar als Notfallsanitäter davon aus, dass der Notstand den Eingriff rechtfertigt. Denn sonst droht uns ein Verfahren wegen unterlassener Hilfeleistung. Doch theoretisch könnte uns auch nach der erfolgreichen Rettungsaktion ein Verfahren drohen: Zum Beispiel wenn der Patient einen Schaden am Arm erlangt hat, weil wir dort einen Venenzugang gelegt haben. Er hätte – theoretisch – Anspruch zu klagen.“

Eine Zwickmühle. Und eine unzumutbare Rechtslage. Das findet nicht nur Felix Haehne, der mit seinem Youtube-Song eine Debatte losgetreten hat, sondern auch Marco König, Vorstand des Deutschen Berufsverbands Rettungsdienst e.V.: „Wir arbeiten in Deutschland in einem rechtlichen Graubereich“, erklärte er im „Spiegel“. „Natürlich verabreicht ein Notfallsanitäter auch selbstständig Adrenalin, wenn ein Patient einen Herzstillstand erleidet. Wir verstoßen deshalb bei unseren Einsätzen mehrere Tausend Mal am Tag gegen geltendes Recht.“

Bundesgesundheitsministerium will Gespräche mit Notfallsanitätern

Kurz nachdem das Video von Felix Haehne viral ging, kündigte das Bundesgesundheitsministerium an, mit Notfallsanitätern und Ärzten in den Dialog treten zu wollen. Rechts- und Handlungsunsicherheiten für Sanitäter müssten beseitigt werden, hieß es in der Stellungnahme des Bundesrats.

Doch es braucht endlich mehr als nur ein Gespräch darüber, findet Haehne. „Ich begrüße es sehr, dass die Regierung vorhat, mit den Notfallsanitätern in den Dialog zu treten. Doch die Lage ist wirklich akut. Das Heilpraktikergesetz, das schon Jahrzehnte alt ist, muss ganz dringend angepasst werden.“ Notfallsanitäter würden sich permanent in einem Zwiespalt befinden. „Ich rate der Regierung deshalb dazu, unseren Berufsstand endlich ernst zu nehmen. Und zu wertschätzen.“