„So hat Anna Sorokin mich gelinkt“Freundin der Hochstaplerin aus NRW packt aus

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Designerklamotten – Michael Kors, Victoria Beckham, YSL – statt Gefängniskleidung, so erschien Anna Sorokin vor Gericht.

New York/Eschweiler – Ihr Prozess war ein weltweites Ereignis. Eine junge Frau aus Eschweiler – Vater Lkw-Fahrer, Mutter Hausfrau – schafft es, sich in der New Yorker High Society  als russische Milliardärstochter auszugeben, nimmt statt Taxis den Helikopter, logiert in Luxus-Hotels – und hat nix auf der Tasche. 

High Society ausgetrickst: Anna Sorokin bekommt harte Strafe (hier mehr über den Prozess lesen)

Viele feiern Anna Sorokin als Heldin eines modernen Instagram-Märchens. Nicht so Rachel DeLoache Williams (32). Denn Anna hat auch sie übel gelinkt.

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Anna Sorokin: Mehr als 62.000 Dollar abgezockt

„Ich mochte Anna wirklich gern. Und so dauerte es sechs Monate, bis mir bewusst wurde, dass meine liebe Freundin eine Hochstaplerin war. Dabei hat sich alles direkt vor meinen Augen abgespielt“, erinnert sich Rachel traurig an die schlimmste Zeit ihres Lebens.

Immer wieder war sie eingesprungen, vor allem im gemeinsamen Marrakesch-Urlaub, als Anna ein Problem mit der Kreditkarte oder dummerweise ihre Tasche im Hotel vergessen hatte. Mehr als 62.000 Dollar (umgerechnet 56.000) Euro zockte Anna auf diese Weise allein bei ihrer Freundin Rachel ab.

Das war mehr, als sie in einem Jahr verdiente. Die Fotografin konnte schließlich nicht mal mehr die Miete bezahlen – und rächte sich auf ihre Weise. Sie brachte die Polizei auf die Spur der Deutsch-Russin, die sich in einer vornehmen Entzugsklinik in Palm Springs versteckt hatte.

Bei Geld hört die Freundschaft auf, heißt es. Wie kann man nur so blöd sein, immer wieder die Kreditkarte zu zücken? Wie kann man an einer Freundschaft festhalten, wenn man offensichtlich ausgenutzt wird? Fragen, die Rachel sich heute auch stellt.

Rachel DeLoache Williams: „Sie war so fesselnd“

„Sie hatte etwas an sich, eine rätselhafte Andersartigkeit, die seltsam fesselnd war.“ Diese stahlblauen Augen, die alles wie eine Schlange fixierten, was sie haben wollte. Anna wollte alles. Und zwar sofort.

„Mit ihr war die Welt wie verzaubert, normale Regeln schienen nicht mehr zu gelten“, schreibt Rachel DeLoache Williams in ihrem Buch.

Anna lebte im Luxus-Hotel

Als sie sich kennenlernten, war Rachel eine Fotografin aus Knoxville, Tennessee, die langsam versuchte, in der New Yorker Szene Fuß zu fassen. Und da war Anna, der Star, das It-Girl, das überall auftauchte, wo die Reichen und Schönen sich treffen: Auf Vernissagen, in Sterne-Restaurants und Rooftop-Bars.

Anna wohnte im Soho-Hotel „11 Howard“ (ab 300 Euro die Nacht), flanierte mit Gucci- und Prada-Einkaufstaschen durch die Lobby, bestellte für sich und ihre Freundin eine Fitnesstrainerin, die 300 Dollar die Stunde nahm.

Die Kunstkennerin nannte sich Anna Delvey, wollte angeblich eine „Anna Delvey Foundation“ gründen und sei nach New York gekommen, um ein repräsentatives Gebäude zu finden, erzählte sie gern. Die junge Frau ließ zudem durchblicken, dass sie monatlich einen fetten Scheck vom Herrn Papa bekomme.

Mal eben den Heli ordern

Da konnte man ja mit Geld um sich werfen. Die „Millionenerbin“ orderte den teuersten Wein für alle, verschenkte Klamotten, die sie einmal getragen hatte, orderte per Handy Privatjets, Hubschrauber und Luxuslimousinen. Was für ein tolles Leben, in dem der gesellschaftliche Status in Instagram-Posts und -followern gemessen wird, oder?

Wer Anna kannte, steigerte seinen eigenen Marktwert in der Stadt, die niemals schläft. „Kannst du die Rechnung mal eben übernehmen, mit meiner Kreditkarte stimmt etwas nicht“, konnte sie mit einer wegwerfenden Handbewegung nach einem feuchtfröhlichen Abend sagen. Klar sprang man da ein, auch wenn es – huch – mal eben 2.000 Dollar waren.

Luxus-Urlaub in Marrakesch brachte Klarheit

Die gemeinsame Reise nach Marrakesch sollte Rachel schließlich die Augen öffnen. Anna hatte sie und zwei Freunde auf den Trip eingeladen. Nicht in irgendein Hotel, sondern in den „La Mamounia“-Palast mit eigenem Butler. Man gönnt sich ja sonst nichts.

An dem Morgen, als sie New York verlassen wollten, waren die Flüge immer noch nicht gebucht. Sie sei in Meetings aufgehalten worden, teilte Anna ihrer Freundin mit. Ob sie mal eben die Flüge buchen könne. Na logo! So ging es den ganzen Urlaub weiter.

Restaurantrechnungen, maßgeschneiderte Klamotten vom Souk, die Übernachtungen, alles streckte Rachel vor, weil Anna Probleme mit der Bank hatte. „Du hast das Geld in einer Woche auf dem Konto, wenn wir wieder in New York sind “, sagte die nur gelangweilt. Von wegen!

Letzter Ausweg: FBI

Rachel verzweifelte in den kommenden Monaten mehr und mehr, bettelte, drohte. Schließlich setzte sie sich mit dem FBI in Verbindung. Der Rest ist Geschichte.

Die Hochstaplerin aus Eschweiler, die sich mit ungedeckten Schecks, unbezahlten Hotelrechnungen und Pump ihr Luxusleben finanzierte, wurde im Mai zu vier bis zwölf Jahren Haft verurteilt.

Netflix sicherte sich angeblich für 100.000 Dollar die Filmrechte. Doch auch die geleimte Freundin Rachel geht nicht leer aus: Laut „Telegraph“ soll sie 300.000 Dollar für den Buchvertrag bekommen haben. Und Geld stinkt bekanntlich nicht – auch nicht, wenn es wegen der unehrlichen Anna aufs Konto kommt.