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Schon bemerkt?Wer jetzt zu Supermarkt-Obst greift, kauft unsichtbare Haut mit

von Julia Bauer (jba)

Hamburg/Köln – Früher galten Plastikverpackungen als beste Möglichkeit, Obst und Gemüse vor dem Verderben zu bewahren. Doch längst ist Plastik in Verruf geraten, drei Viertel des Mülls in den Weltmeeren besteht aus Plastik. Es ist dringend notwendig, auf Alternativen zu setzen. 

Rewe und Edeka wollen Früchte ohne Plastik länger frisch halten

Dabei steckt der Lebensmittelhandel in der Zwickmühle. Plastikverpackungen für Gurken, Avocados und Co. sind für immer mehr Kunden tabu. Doch ohne die schützende Kunststoffhülle werden Obst und Gemüse oft schneller unansehnlich und lassen sich dadurch schlechter oder gar nicht mehr verkaufen.

Rewe und Edeka setzen deshalb neue Techniken ein, um Obst und Gemüse auch ohne Kunststoffverpackung länger frisch zu halten. Aktuell testen die Supermarkt-Ketten eine aufgespritzte, essbare Schutzschicht. Die hauchdünne Schicht wird direkt auf die Schale der Früchte aufgetragen und soll das Plastik ersetzen. Das Verfahren nennt man Coating.

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Edeka und Netto testen essbare Schutzschicht seit Ende 2019 

Bereits Ende 2019 begann Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka in ausgewählten Supermärkten und Netto-Filialen – Netto ist ein Tochterunternehmen von Edeka – Avocados zu verkaufen, die mit einer solchen „zweiten Haut” versehen sind. Sie soll den Wasserverlust der Früchte und das Eindringen von Sauerstoff verlangsamen. Beides sind Hauptursachen für den schnellen Verderb der Früchte.

Dank der neuartigen Beschichtung sollen die empfindlichen Früchte zwei- bis dreimal so lange frisch bleiben wie ohne den Schutzüberzug.

Der vom US-Konzern Apeel Sciences entwickelte Schutzmantel besteht laut Hersteller aus rein pflanzlichen Materialien, die in Schalen, Samen und im Fruchtfleisch verschiedener Obst- und Gemüsesorten vorkommen. Er sei geschmacks- und geruchlos und problemlos essbar.

Kunden reagieren positiv auf neuartige Methode

EXPRESS hat bei Edeka nachgefragt, wie die Plastik-Alternative von den Kunden angenommen wird. Laut einer Pressesprecherin sei die Resonanz bisher sehr positiv. 

„Die Kunden in den Testmärkten zeigen sich sehr interessiert. Vor allem die Aspekte „weniger Verschwendung” und „weniger Plastik” werden häufig positiv hervorgehoben.”

Gleiches gelte für die Edeka-Kaufleute, die bei dem Test mitmachen und in ihren Märkten Früchte mit der essbaren Schutzschicht anbieten. „Neben den positiven Kundenreaktionen bemerken sie, dass deutlich weniger Avocados weggeworfen werden müssen. Das liegt vor allem darin begründet, dass sich die Haltbarkeit der Produkte dank des Apeel-Schutzmantels ungefähr verdoppelt”, so die Sprecherin.

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Edeka-Kaufmann aus Düsseldorf ist begeistert von der essbaren Schutzschicht für Früchte 

Der Edeka-Kaufmann Falk Paschmann verkauft die behandelten Avocados bereits seit einigen Wochen in seinem Supermarkt in Düsseldorf-Bilk und schwärmt: „Das ist eine Lösung für ein wichtiges Problem unserer Zeit.”

Sie biete für alle Beteiligten Vorteile: Für die Kunden, weil die Ware auch daheim noch länger frisch bleibe, und für ihn als Händler, weil er deutlich weniger Verluste habe. Wohl auch deshalb treibt Edeka das Projekt zügig weiter voran.

In ersten Märkten sind ab sofort auch Orangen und Mandarinen im Angebot, die mit der neuen Technik länger haltbar gemacht wurden, wie Edeka am Montag (27. Januar) mitteilte.

Auch Rewe und Penny testen Früchte mit essbarer Schutzschicht

Der Konkurrent Rewe zieht nach – mit Avocados, die mit einem ähnlichen System behandelt sind.

Der Überzug besteht hier aus natürlichem Zucker, Zellulose und pflanzlichen Ölen und stammt vom britischen Hersteller AgriCoat NatureSeal. Auch er soll essbar und gut verträglich sein.

Seit Montag (27. Januar) können Kunden in rund 360 Penny-Märkten in NRW und Rheinland-Pfalz Avocados (Ursprung Marokko) kaufen, die mit einer zusätzlichen Schutzhülle auf Fruchtzucker-Basis ummantelt sind. Penny gehört seit dem Jahr 1989 vollständig zur Rewe Group.

Rewe (REWE Feine Welt) startete am Mittwoch (29.01.) mit mehreren Hundert Märkten den Verkauf.

Rewe: Kunden werden auf neue Schutzschicht hingewiesen

Kunden werden entweder am Regal (Penny) bzw. am Regal und am Produkt selbst (Rewe) auf die neuartige Schutzschicht hingewiesen, wie Rewe-Sprecher Andreas Krämer EXPRESS erklärt.

Weiter sagt er: „Wir sehen das Coating primär als Maßnahme gegen die Lebensmittelverschwendung. Avocados haben wir schon vorher lose verkauft. Sollten auf lange Sicht Produkte wie die Passionsfrucht auch ummantelt werden, dann ergibt sich auch ein positiver Effekt auf die Verpackung.” 

Insgesamt testen Rewe und Penny in bis zu 860 Märkten das sogenannte Coating-Verfahren, um die Haltbarkeit von ausgewählten Früchten zu verlängern.

„Wir hoffen sehr, dass uns unsere Kunden in unserem Kampf gegen Lebensmittelverschwendung durch ihre Kaufentscheidung unterstützen”, betont Rewe-Manager Eugenio Guidoccio.

Jeder Deutsche wirft etwa 85 Kilogramm Lebensmittel pro Jahr weg

Jährlich landen nach einer aktuellen Studie des Bundesforschungsinstituts für ländliche Räume, Wald und Fischerei (Thünen-Institut) über 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Der Großteil der Abfälle – 7 Millionen Tonnen – entsteht in Privathaushalten.

Jeder Bundesbürger werfe im Durchschnitt etwa 85 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg, schätzen die Wissenschaftler.

Und die Bemühungen um Plastikvermeidung haben das Problem eher noch verschärft. Nach Informationen der «Lebensmittel Zeitung» hat etwa der Verzicht auf Kunststofffolien bei Salatgurken dazu geführt, dass im vergangenen Herbst deutlich mehr spanische Gurken vernichtet werden mussten, weil sie den langen Transportweg nicht unbeschadet überstanden hatten. «Gurken für die Tonne», titelte das Fachblatt.

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Bisher wird Schutzschicht nur bei Früchten angewendet

Bisher werden die neuen Beschichtungsverfahren in Deutschland nur bei Früchten eingesetzt, deren Schale nicht verzehrt wird. Doch auf Dauer könnte der Überzug auch bei anderen Produkten üblich werden.

Das US-Unternehmen Apeel, mit dem Edeka zusammenarbeitet, hat nach eigenen Angaben Rezepturen für 30 verschiedene Obst- und Gemüsesorten entwickelt, darunter Erdbeeren, Tomaten, Äpfel und Paprika. Es bereitet laut Edeka bereits einen Zulassungsantrag bei der Europäischen Kommission vor.

Der Edeka-Händler Paschmann kann sich gut vorstellen, dass sich die neue Technologie in Zukunft auch bei Früchten durchsetzt, deren Schale man mitisst. „Wie oft passiert es heute, dass man Erdbeeren kauft, ein paar davon isst und dann am nächsten Tag die Hälfte wegwirft, weil sie vergammelt sind. Das wäre dann nicht mehr der Fall.”

Essbare Schutzschicht nur ein Element im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung

Für den Händler ist allerdings auch klar, dass vorher noch einige Überzeugungsarbeit nötig sein wird. Auf keinen Fall dürfe man die neue Methode heimlich anwenden oder dem Kunden aufzwingen, betont er.

Doch hofft Paschmann, dass die Vorteile die Verbraucher letztlich überzeugen. Denn das könne nach seiner Überzeugung dazu führen, „dass auf allen Stufen weniger Lebensmittelverschwendung stattfindet”.

Auch Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg begrüßt grundsätzlich den Vorstoß der Supermarktketten. Doch könne dies nur ein Element sein im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung. Hier müsse der Handel an vielen Schrauben drehen.

„Es wird noch immer zu viel weggeworfen. Da ist der Handel gefragt – mit allem was geht, nicht nur mit einer Methode”, meint der Lebensmittel-Experte. (dpa/jba)