Sind wir in NRW bereit für E-Autos?An der Ladestation gab's die große Überraschung

Justin Nolting

EXPRESS-Reporter Justin Nolting war eine Woche lang mit einem Renault Zoe im Rheinland unterwegs. 

Köln – Mit dem eigenen Wagen auf den ersten Metern einen Porsche abhängen. Hört sich gut an, oder? Ein kurzer Tritt aufs Gaspedal und schon düse ich davon. Doch statt eines satten Motordröhnens kommt nur ein leises Surren. Bis zu 30 km/h hört es sich mehr an, als sitze man in einem Bienenschwarm – und nicht in einem Auto. Und danach: Stille.

Zugegeben: Für einen deutschen Autofahrer wie mich ist es völlig ungewohnt, aufs Gaspedal zu drücken und fast nichts zu hören. Auch für die Fußgänger. Deshalb wird das Summen als künstliches Fahrgeräusch erzeugt, um Fußgänger zu warnen – das hat der Gesetzgeber so verordnet. Doch so soll die Zukunft klingen, auch bei Renault.

Neue Rubrik „Zukunft” auf EXPRESS.de

Seit dem vergangenen Jahr haben wir bereits regelmäßig unter dem Logo „Future fit” über Zukunftsthemen berichtet. Wir haben in dieser Zeit sehr viel Zuspruch erhalten, uns auch weiterhin mit den Bereichen Mobilität, Energie, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Klima und Klimakrise zu beschäftigen.

Auf express.de/zukunft werden wir daher ab sofort unsere Inhalte unter den neuen Rubriken „Natur & Klima”, „Mobilität & Energie” und „Mensch & Gesellschaft” bündeln und uns auf diese Themen fokussieren. Mit der gebotenen journalistischen Distanz und frei davon, Ängste vor Veränderungen zu schüren, sondern sie sachlich einzuordnen und positive Lösungswege aufzuzeigen.

Zugegeben, wir wollen auch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten, Tipps geben, wie jeder von uns ein Stück weit „besser leben“ kann, ohne sich komplett zu verbiegen. Denn persönlicher Verzicht ist zwar löblich, dadurch retten wir aber nicht die Welt. Für die große und nachhaltige Lösung muss die Politik sorgen.

Und die lassen wir als Wähler bei diesen Zukunftsthemen nicht mehr vom Haken.

2020 als Schlüsseljahr für die E-Autos: Wie praktisch sind die Stromer?

2020 wird das Schlüsseljahr für Elektroautos werden, sie sollen endlich massentauglich werden. Und alltagstauglich. Der Renault Zoe war einer der ersten massentauglichen E-Autos in Europa, das vor sieben Jahren auf den Markt kam. Und nun komplett überarbeitet auf den Markt kommt.

Das E-Auto gilt als der Hoffnungsträger für eine grüne, saubere Zukunft. Zehn Millionen Stück sollen 2030 auf Deutschlands Straßen unterwegs sein, an einer Million Ladepunkten soll man sie mit Strom versorgen können. Zudem hat die Bundesregierung die E-Auto Prämie auf 4000 Euro erhöht. Doch wie mobil sind die Stromer wirklich? Hält die Reichweite überhaupt die versprochenen Kilometer ein? Und wo kann ich mein Auto laden, wenn es zu Hause nicht geht?

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Ich ließ für eine Woche meinen Benziner zu Hause stehen und tauschte den Wagen gegen einen Renault Zoe ein. Und fand heraus: Wir Verbraucher haben noch mit zahlreichen praktischen Problemen zu kämpfen, wenn wir Stromer fahren wollen. 

Haben Elektroautos eine Zukunft in Deutschland?

Baugleich zum Verbrenner-Modell bietet das E-Modell von Renault schon mal eine komfortable Innenausstattung mit jeglichen Features, die Auto-Fans aufhorchen lassen. Mit einer Reichweite bis zu 300 Kilometern sollte im alltäglichen Verkehr einiges möglich sein. Oder nicht? EXPRESS machte den großen E-Auto-Test. 

Autobahn ein „Reichweiten-Killer“ fürs Elektroauto?

Ob auf der Autobahn oder im Stadtverkehr, das Auto lässt sich sehr angenehm fahren und man ist flott unterwegs. Im alltäglichen Stadtverkehr in Köln verbraucht das Elektroauto erstaunlich wenig, bei laufender Heizung und Musik.

Auf der Autobahn sieht es hingegen anders aus: Bei einer geplanten Route von 100 Kilometern muss man etwa 15 bis 20 Kilometer mehr Reichweite einplanen, bei einem durchschnittlichen Tempo zwischen 120 bis 140 km/h. Bei einer Geschwindigkeit von 145 km/h ist dann Schluss, mehr geht nicht. Ob man auf Deutschen Autobahnen im Durchschnitt schneller fahren kann, sei mal dahin gestellt, aber für eine gemütliche Fahrweise ist das E-Auto perfekt.

Dennoch wird die Reichweite auf der Autobahn schnell weniger, was zu Problemen führen kann. Bei noch 50 Kilometer Reichweite sollte der Fahrer schon einmal nach der nächsten freien Ladestation auf dem Navigationssystem Ausschau halten. Denn wohl niemand möchte an einer Ladestation anstehen, um sein Auto laden zu können. Bei Routen über 250 Kilometern kann das E-Auto schon sehr stressig sein, wenn die gewünschte Ladestationen nicht frei sind. Reisestress garantiert. 

Dennoch rüstet sich die Autobahn für die E-Mobilität. Viele Informationstafeln auf den Autobahnen in Deutschland weisen auf die nächstmögliche Ladestation und den jeweiligen Anbieter hin, sodass der Fahrer ganz bequem über die nächste Möglichkeit zum Laden informiert wird. 

Navigationssystem im Elektroauto unverzichtbar 

Das eingebaute Navigationssystem ist im Elektroauto das wichtigste Gadget. Wo sind die nächsten Ladesäulen? Ist die Ladestation besetzt? Wann könnte ich meine Ladepausen einlegen?

All diese Fragen beantwortet das Navigationssystem. Der Fahrer muss dementsprechend nicht in „Kleinstarbeit“ zu Hause seine Route planen, sondern das Auto übernimmt diese Aufgaben. Radio, Heizung und die Klimaanlage werden separat von einer Batterie betrieben, darunter leidet die Reichweite in keiner Art und Weise.

Einziger Nachteil ist, dass einem nicht angezeigt wird, ob jene Ladestation kostenlos ist oder nicht. Sowohl im Navigationssystem, als auch auf der Säule selbst. Des Weiteren wird im Display nicht angezeigt, von welchem Anbieter die jeweilige Ladestation ist. 

Vorteile für ein Elektroauto im Rheinland

Kostenlose Ladestationen gibt es in Köln zuhauf. Zum Beispiel am Decksteiner Weiher, am Rheinufer in Deutz oder auch in der Nähe vom Friesenplatz. Dazu gibt es viele weitere kostenpflichtige Ladesäulen in der Kölner Innenstadt oder vereinzelnd in weiteren Stadtteilen. In Düsseldorf und Bonn sind kostenlose Ladestationen eher selten zu finden. Der Energieanbieter RheinEnergie stellt ausschließlich den Verbrauchern in Köln seinen Strom kostenlos an den Ladestationen zur Verfügung.

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E-Auto laden: Kosten im Vergleich zum Benziner

Eine „Volltankung“ kostet maximal 30 Euro für eine Reichweite von 500 Kilometern (abhängig von der Batterie und dem Anbieter). Der Preisunterschied zum Verbrenner macht sich im Portemonnaie dementsprechend bemerkbar. 

Ein Beispiel: Der Automobilhersteller Tesla baut im Moment die schnellsten Ladestationen auf der Welt. Innerhalb einer halben Stunde ist das Elektroauto wieder vollgeladen. Für eine Reichweite von 300 Kilometern zahlt man an einer solchen Ladestation 18 Euro (0,33 Euro pro kWh). Bei einem Benziner wären es 28 Euro (1,51 Euro pro Liter).

Ein Preisunterschied von 10 Euro, welcher sich bei mehreren Ladevorgängen natürlich noch weiter summiert. 

Im Rheinland sind diese „Super Charging Stationen“ nur in Düsseldorf und Erftstadt zu finden. In Köln sucht man vergeblich nach jenen Schnell-Ladestationen. Sollten diese Stationen nicht die Zukunft sein? In Deutschland sind bislang keine neuen „Super Charging Stationen“ geplant. Deutlich mehr neue Standorte sind in Spanien, Frankreich, Italien und Großbritannien vorgesehen. Jedoch versuchen BMW, Siemens und Porsche gemeinsam, vergleichbare Stationen herzustellen. 

Hier lesen Sie mehr: E-Auto laden in Düsseldorf

Kostenlose Park- und Ladeplätze für Elektroautos 

Vor allem in Innenstädten und Ausflugsgebieten stehen eigene Parkplätze für E-Autos zur Verfügung. Einfach via Smartphone an der Ladestation anmelden, dafür müssen Sie den QR-Code scannen und schon werden Sie zur jeweiligen Seite des Anbieters weitergeleitet.

Das Ladekabel, das sich häufig unter der Kofferraum-Ablage befindet, muss mit einem Stecker in den Anschluss am Auto, das andere Ende wird an der Ladesäule befestigt. Der Ladevorgang wird an der Säule selbst, durch ein kleines Display, ebenfalls erklärt. Alles in allem lässt sich ein E-Auto sehr leicht laden. 

Hier lesen Sie mehr: Alle kostenlose Ladestationen in Köln auf einen Blick

Die Bezahlung erfolgt ausschließlich online (PayPal, Kreditkarte, VISA oder Mastercard).

Elektroauto perfekt für Ausflüge geeignet

Im Rahmen der Test-Woche habe ich einen Ausflug mit dem E-Auto zum Phoenixsee nach Dortmund gemacht. Sogar eine vierköpfige Familie hätte in dem Elektroauto genügend Platz und Komfort.

Wie in vielen anderen Ausflugsgebieten kann man vor Ort sein Auto direkt laden. Die Zeit vergeht nach einem Kaffee und einem kleinen Spaziergang wie im Flug.

Nach eineinhalb Stunden war das Auto wieder vollgeladen. Den Ladevorgang hatten wir bei noch 20 Kilometer Reichweite gestartet. Es kursiert das Gerücht, dass man an Ladestationen bis zu vier Stunden Wartezeit mitbringen müsse bis das Auto wieder voll geladen wäre, davon kann in keinster Weise die Rede sein. 

Sie können via Smartphone den Ladevorgang verfolgen: Wie viel Prozent wurden bislang geladen? Möchte ich den Ladevorgang schon beenden?

Hat man das Smartphone einmal nicht bei sich, kann man sich beim jeweiligen Anbieter im Vorfeld registrieren. Per Post erhält man eine Kundenkarte, welche an die jeweilige Kontaktfläche an der Ladesäule gehalten werden muss. Das Problem: Es gibt einfach zu viele Anbieter. Bis zu 15 verschiedene Anbieter können für ein pralles Portemonnaie an Kundenkarten sorgen. Ein einziges Chaos. 

Nachteile bei einem Elektroauto

Zu viele Anbieter, Tarife und Abos sorgen für ein „Wirrwarr“ bei der E-Mobilität. Als Verbraucher ist es deutlich leichter, wenn der Besitzer fixe Ladepunkte hat, denn nicht jeder Anbieter ist deutschlandweit vertreten. Dadurch reicht oft ein einziges Abo nicht aus, um in seinem Alltag Geld zu sparen. Auf der Autobahn sind die meisten Ladesäulen von EnBW und Innogy. Dadurch müssen viele Pendler mindestens zwei Abos besitzen, damit der Fahrer eventuell an der Säule bei mehreren Ladevorgängen Geld spart.  

Viele Anbieter werben mit ihren eigenen Modellen für ihre Ladestationen. Von einer Grundgebühr von fünf bis 35 Euro, dafür bezahlt man entweder gar nichts oder weniger pro Ladevorgang bis hin zu Rabatt-Aktionen an den Tanksäulen. 

Abgerechnet wird an den meisten Säulen pro geladenem Kilowatt (KW). Pro geladenem Kilowatt zahlt man ca. 0,30 Euro. An Autobahn-Rastätten ist es häufig so, dass für 60 Minuten Laden ein Fixpreis berechnet wird, der zwischen sieben und 20 Euro variiert. Unabhängig davon, ob der Ladevorgang vorher beendet wird oder nicht. 

Kosten: E-Auto zu Hause laden

Entspannt sein Auto in der heimischen Garage aufladen, während man schläft oder zu Hause ist – hört sich gut an, oder? Leider nicht so leicht wie gedacht. In Großstädten hat nicht jeder eine eigene Garage oder einen Stellplatz mit einer Ladestation oder Steckdose. 

Auf dem Land sieht es auch nicht besser aus. Es wird problematisch, wenn Sie in einem Mehrfamilienhaus wohnen. Laden Sie ihr Auto im hauseigenen Hof, genauer gesagt in der Garage, läuft der Steckdosen-Anschluss meistens über den Hausanschluss. Den verbrauchten Strom bezahlen also alle Mieter. Eine eigene Ladestation („Wallbox“) kostet dagegen zwischen 500 bis 700 Euro. 

Hinzu kommen noch Stromkabel, die neu verlegt werden müssen, dass der verbrauchte Strom bei den anderen Mietparteien nicht auf der Abrechnung landet. Das ganze Vorhaben muss mit dem Vermieter und der Stadt abgeklärt werden, ob an der Stelle neue Stromkabel verlegt werden dürfen. Dazu stellt man sich noch die Frage: „Wo stelle ich meine Ladestation hin?“ Nicht jedes Mehrfamilienhaus besitzt einen Hof oder Garagen, demnach müsste man ins „Niemandsland“ fahren, wo eventuell ein Ladepunkt ist.   

Bei einem eigenen Grundstück kann man problemlos sein Auto an der Steckdose anschließen – innerhalb von sechs bis acht Stunden ist das Auto wieder vollgeladen.

Mit dem Elektroauto durch Europa?

Und wie sieht es mit Verreisen aus?

Bei guter Planung und gewissen „Ladepausen“ lässt sich eine Reise mit dem E-Auto durchaus angehen. Das Ladekabel müsste auf der Kofferraum-Ablage verstaut werden, da sonst bei jeder Vollladung das halbe Gepäck aus dem Kofferraum geräumt werden muss.

Viele Länder in Europa versuchen die E-Akzeptanz weiter nach vorne zu treiben. Zum Beispiel: In den Niederlanden oder in Norwegen gibt es bis zu dreimal mehr Ladestationen als in Deutschland. Dennoch können weit entfernte Reisen mit dem E-Auto eine Tortur werden, vor allem mit Kindern.

Denn die vielen Pausen zum Laden (bis zu zwei Stunden) können dafür sorgen, dass man gewisse Check-in-Zeiten nicht erreicht, sei es in Hotels oder bei Ferienwohnungen. Die komplette Autofahrt wird in die Länge gezogen. 

Batterie beim Elektroauto

Automobilkonzerne bieten zwei Möglichkeiten, wie der Kunde das Thema mit der Batterie handhaben kann. Beim Kauf eines Elektroautos gilt die Garantie für die Batterie meistens drei Jahre. Die Lebensdauer für eine Batterie liegt bei 150.000 bis 200.000 Kilometern. 

Auch eine Option: Wenn der Kunde auch nach drei Jahren eine Garantie haben möchte, kann er eine Batterie mieten. Solange der Leihvertrag gültig ist, kommt der Hersteller für jegliche Kosten auf. 

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Mein Fazit zum Elektroauto

Die E-Mobilität ist auf dem Vormarsch. Die Autos werden immer besser und erreichen höhere Reichweiten. Während die Bürger in Deutschland digitaler werden, liegen viele Innenstädte dem eigentlichen Anspruch weit zurück. Man könnte sagen: Der beste Freund des E-Autos ist das Smartphone.

Denn sollte das Smartphone einmal leer sein oder man hat nicht die passende Kundenkarte dabei, steht man an vielen Ladestationen blöd da.

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Die Ausstattung eines E-Autos unterscheidet sich kaum noch von der eines Verbrenner-Modells – E-Autos überzeugen mit Komfort und Fahrspaß. Für den Alltag, die Arbeit oder zum Einkaufen eignet sich das E-Auto perfekt. Ausflüge oder Kurztrips können ebenfalls problemlos angegangen werden. Lediglich lange Autofahrten können zu einem „Lade-Marathon“ werden. 

Viele Ladestationen im und ums Rheinland sorgen dafür, dass der Verbraucher nicht leer ausgeht – im wahrsten Sinne des Wortes.

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Jedoch müssten Ladestationen und Ladesäulen besser gekennzeichnet sein. Oder anders gesagt: Die Unterschiede zwischen den einzelnen Anbietern müssten minimiert werden. Dann steht einer E-Mobilität in Deutschland nichts mehr im Weg.