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Er verbannte PlastikGetränkehändler erlebte extreme Reaktionen von allen Seiten

Getraenke_Plastikmuell_Flaschen_Stuttgart

von Julia Bauer (jba)Martin Gätke (mg)

Stuttgart – Hans-Peter Kastner (41) war der erste deutsche Getränkehändler, der Plastik komplett aus seinem Sortiment geworfen hat – aus Überzeugung. Dem Umweltschutz zuliebe.  

Die Kunden und Industrie reagieren unterschiedlich auf den radikalen Schritt des Stuttgarters. Seit dem 1. August 2019 konnten Kunden beim Getränkemarkt Kastner in Stuttgart keine einzige Plastikflasche mehr kaufen.

Der „Bild” sagte der Getränkehändler damals: „Die Resonanz unserer Kunden ist sensationell! Gefühlt tragen hundert Prozent unseren Entschluss mit und unterstützen uns.“

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Stuttgarter Getränkemarkt verzichtet auf Plastik: Industrie meidet Hans-Peter Kastner

Auch der Verband des Deutschen Getränkefachgroßhandels (GFGH) stehe hinter ihm. Anders sieht es bei der Industrie aus.

Zudem erklärte Kastner gegenüber „Bild”:

An die Politik hat der Getränkehändler aus Stuttgart konkrete Vorschläge, wie man das Plastik-Problem angehen könnte oder wie man zumindest versuchen könnte, den Plastik-Konsum zu minimieren:  

Die ganze Geschichte: Hans-Peter Kastner will auf Plastik verzichten

Zum Hintergrund, was zu Kastners Entschluss führte, kein Plastik mehr anzubieten: Zwölf Wochen lang hatte sein Team Einwegplastikflaschen und -dosen gesammelt. Und dann ein Foto des riesigen Plastik-Müllbergs auf Facebook gepostet. Dazu hatte der Markt knallhart mit seinen Kunden abgerechnet. 

In Deutschland werden Einwegplastikflaschen für Säfte und Nektare nach wie vor nicht bepfandet. Jedes Jahr landen deshalb Millionen Flaschen unnötigerweise in der Restmülltonne oder direkt in der Umwelt.

Für viele Firmen ist Plastikvermeidung ein großes Thema: In Vancouver lässt ein Supermarkt seinen Kunden mit Porno-Tüten keine andere Wahl.

In Deutschland versucht der Discounter Aldi mit einem neuen Schritt, Plastik zu reduzieren.

In zwölf Wochen hatte allein Kastners Getränkemarkt in Stuttgart 10.400 Stück Leergut gesammelt. Die Einwegplastikflaschen und -dosen hatte das Team auf dem firmeneigenen Hof gestapelt – heraus kam ein widerlicher Müllberg.

Getränkehandel Stuttgart: Geschäftsführer schreibt offenen Brief an die Kunden

Ein Foto dieses Müllhaufens hatte der Geschäftsführer Hans-Peter Kastner dann auf der Facebook-Seite seines Getränkemarkts gepostet. Dazu schrieb er einen offenen Brief, in dem er sich direkt an „alle Kunden und Nichtkunden” wandte, und an ihr Umweltbewusstsein appellierte. Eine Botschaft, die offenbar ankam: Innerhalb von zwei Tagen wurde der Post über 1000 Mal kommentiert und fast 13.000 Mal geteilt.

Der Geschäftsführer hatte sich in dem Post entsetzt darüber gezeigt, dass so viele Menschen noch Einweg-Plastikprodukte kaufen.

Stuttgarter Geschäftsführer Kastner: „Geiz ist geil und nach mir die Sintflut”

Er hatte darauf hingewiesen, dass wir in Zeiten leben, „wo viele von Umweltschutz und Nachhaltigkeit reden, wo eine kleine Schwedin es schafft, die ganze Welt zum Zuhören zu bringen”. Gemeint ist natürlich die junge Aktivistin Greta Thunberg. „Wo Freitag die Schule zweitrangig ist und wir täglich Gedanken austauschen, wie wir das Klima und die Umwelt retten können“, fuhr er fort.

Doch obwohl das Thema Umwelt so heiß diskutiert werde, herrsche eben Bequemlichkeit vor. „Umweltschutz? Unterstützung der Nahversorgung? Nachhaltiges Denken? Nein, es geht um Bequemlichkeit, Geiz ist geil und nach mir die Sintflut”, hatte der Chef weitergeschimpft.

Getränkemarkt musste 500 Euro in zwölf Wochen zahlen

Der kleine Stuttgarter Getränkemarkt selbst lehne es ab, Einwegflaschen zu verkaufen. Aus Prinzip. Trotzdem sei er gesetzlich dazu verpflichtet, auch anderes Pfand anzunehmen.

Aus Bequemlichkeit gäben also viele Kunden ihren Pfand nicht beim Automaten im Supermarkt ab, sondern in seinem Getränkemarkt. Für ihn würden 5 Cent pro Flasche für die Entsorgung anfallen – macht 500 Euro in den letzten zwölf Wochen.

Getränkemarkt zieht knallhart durch und verbannt Plastik komplett

Kastner zog am Ende knallharte Konsequenzen und verbannte das Plastik komplett aus seinem Sortiment, also auch Mehrweg. Der „Bild“ sagte der Händler:

„Das Problem ist: Wenn ich die PET-Flaschen behalte, bin ich weiterhin verpflichtet, den Discounter-Müll anzunehmen. Also gehe ich komplett weg.“

Die Entscheidung für die Umwelt, könnte für ihn persönlich weitreichende Folgen haben. Denn er verzichtet damit auch auf 30 bis 35 Prozent seines Umsatzes. „Wenn ich betriebswirtschaftlich an den Punkt komme, dass ich Plastikmüll verkaufen muss, um zu überleben, dann schließe ich meinen Betrieb“, fasst der Chef zusammen. Denn er wolle seinen Kindern nicht sagen müssen, dass er nichts gegen Umweltverschmutzung getan habe.

„Wir fordern alle Kunden auf, diesen Wahnsinn zu beenden! Es liegt in Ihren Händen und Sie haben die Wahl: Stärken Sie den Fachhandel! Kaufen Sie Mehrweg anstatt Einweg! Helfen Sie mit, die Umwelt zu verbessern! Reduzieren Sie unnötigen Plastikmüll! Sichern Sie die Nahversorgung und somit auch die Nachhaltigkeit”, fordert Kastner.

Deutsche Umwelthilfe fordert Mehrwegquote für Getränkeverpackungen 

Der EU-Ministerrat verabschiedete erst im Mai 2019 ein Verbot von Plastikstrohhalmen, Einweg-Besteck und Tellern. Zur Verringerung von Plastikmüll. Die Deutsche Umwelthilfe hatte in diesem Zusammenhang ebenfalls betont, noch mehr gegen unnötige Abfallberge zu tun: Zur Lösung des Gesamtproblems von zu viel Plastikabfall reiche das Verbot einiger Einwegprodukte nicht aus.

Hierzu sei ein verbindliches Abfallvermeidungsziel, die Umsetzung der Mehrwegquote für Getränkeverpackungen, Wiederverwendungsquoten für alle Verkaufsverpackungen und eine deutliche Verteuerung von Kunststoffen aus Neumaterial notwendig.

Auch das Einwegpfand auf Plastikflaschen und Dosen sollte unabhängig vom Getränk erhoben werden, damit weniger Müll in der Umwelt landet”, erklärte die Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. (mg/jba)