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Opern-Debakel, Schulbau, CoronaZehn Jahre Kölner OB: Bilanz von Henriette Reker

Eine Frau in einer Karnevalsuniform steht vor einem Karnevalswagen und breitet die Arme aus.

Zehn Jahre lang war sie Kölner Oberbürgermeisterin, jetzt ist für Henriette Reker (hier beim Rosenmontagszug 2025) Schluss. 

Zehn Jahre lang hat Henriette Reker die Geschicke Kölns gelenkt, jetzt ist Schluss. Eine bewegte Amtszeit geht zu Ende.

Es ist ein unscheinbares Stück Plastik, doch es erzählt eine unfassbare Geschichte. Eine zerbrochene Fahnenstange in einer Vitrine des Stadtmuseums ist stummer Zeuge des 17. Oktober 2015. Der Tag, an dem Henriette Reker ihre Kandidatur für das höchste Amt der Stadt fast mit dem Leben bezahlte.

Ein Attentäter mit rechtsextremen Motiven rammte ihr ein Messer in den Hals. Mutige hielten den Angreifer mit ebenjener Fahnenstange in Schach, bis die Polizei kam.

Während Reker noch im künstlichen Koma lag, wählten die Kölnerinnen und Kölner sie mit überwältigender Mehrheit zur neuen Oberbürgermeisterin. Als sie im November 2015 ihr Amt antrat, verbarg ein Tuch die Narben am Hals. Doch die Hoffnung auf einen Neuanfang war riesig.

Nun, nach zehn Jahren und zwei Amtszeiten, übergibt sie den Staffelstab an ihren Nachfolger Torsten Burmester (SPD). Ihr Versprechen damals: ein neuer Politikstil, mehr Transparenz, mehr Bürgerbeteiligung. Doch die Realität sah schnell anders aus.

Opern-Debakel: Reker übernimmt am Ende als Einzige die Verantwortung

Die Anfangs-Euphorie verflog schnell. Zuerst die schreckliche Silvesternacht 2015/16: Hunderte Männer jagten, belästigten und nötigten Frauen rund um den Dom. Rekers unglücklicher Ratschlag von der „Armlänge Abstand“ sorgte für einen Sturm der Entrüstung. Später nannte sie die Äußerung selbst einen Fehler.

Dann das nächste Desaster: das Opern-Debakel. Die Sanierung wurde zum Milliardengrab, ein Symbol für Missmanagement und Chaos in der Verwaltung. Immerhin: Reker war die Einzige, die am Ende Verantwortung für das Schlamassel übernahm und mit neuen Personalentscheidungen die Wende einleitete.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker steht im Foyer der Oper.

Das Opern-Debakel am Offenbachplatz wurde zu einer der größten Belastungen ihrer Amtszeit.

Auch ihr großes Ziel, die Stadtverwaltung zu reformieren, scheiterte weitgehend. Wer heute einen Termin im Bürgeramt braucht, weiß: Die Warteschlangen sind lang, die Frustration ist groß. Rekers selbstbewusste Aussage, ihr Nachfolger finde „eine ganz andere Verwaltung vor“, dürfte bei vielen Kölnerinnen und Kölnern nur für Kopfschütteln sorgen.

Doch es gab auch Lichtblicke. Vor allem beim Schulbau packte Reker entschlossen an. Nach anfänglichen Pannen und dem Protest verzweifelter Eltern wurden in ihrer Amtszeit so viele Schulen gebaut und saniert wie lange nicht mehr. „Ins Museum muss man nicht gehen, in die Schule schon“, so ihre pragmatische Begründung.

Ihre größte Stärke zeigte Reker im Krisenmanagement. Während der Corona-Pandemie organisierte ihr Krisenstab schnell und effektiv Test- und Impfzentren und erntete dafür bundesweit Anerkennung. Auch als Russland die Ukraine überfiel, zeigte sie Haltung: Der Rosenmontagszug wurde kurzerhand zur größten Friedensdemo, die Köln je gesehen hat – mit der Oberbürgermeisterin an der Spitze.

Die Friedensdemo des Festkomitees auf dem Zugweg des Rosenmontagszugs.

Statt Karneval: Die große Friedensdemo am Rosenmontag 2022 nach dem russischen Angriff auf die Ukraine.

Klar und konsequent war auch ihr Umgang mit Mitgliedern von rechtsaußen im Stadtrat. In einer Zeit, in der das gesellschaftliche Klima rauer wird, hat sie immer wieder für Offenheit und Vielfalt gekämpft.

Der Abschied vom Amt fällt ihr sichtlich schwer. Sie hat den Job nicht nur gemacht, sie hat ihn gelebt – mit allen Höhen und Tiefen. Als Vorsitzende des Fördervereins für die romanischen Kirchen bleibt die Herzenskölnerin ihrer Stadt aber erhalten. Ihre Stimme wird in Köln also auch in Zukunft zu hören sein. (red)