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Yilmaz Dziewior, Direktor des Ludwig„Ist Köln so tolerant, wie es sich gerne sieht?“

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Yilmaz Dziewior ist Direktor des Museum Ludwig.

Köln – Mehr multi-kulti geht kaum: Vater Türke, Mutter Deutsch-Polin, geboren in Bonn, heute Chef in Köln. Das ist in Kurzfassung der Lebenslauf von Yilmaz Dziewior (56). Seit fünf Jahren ist er Leiter des Museums Ludwig. Es ist ein Leben zwischen den Werken eines Pablo Picasso, eines Andy Warhol oder eines Gerhard Richter. Aber Dziewior will nicht nur zeigen, sondern verändern. Transparenz, Offenheit, auf das Publikum zugehen – das sind seine Ziele. darüber und mehr haben wir mit ihm gesprochen.

EXPRESS: Herr Dziewior, in einem Museum für moderne Kunst wie das „Ludwig“ hört man sicher öfter den Satz: „Ist das Kunst, oder kann das weg?“. Nervt Sie das?

Yilmaz Dzievior: Gerade bei zeitgenössischen Ausstellungen wie der aktuellen mit Werken von Wade Guyton bedarf es großer Vermittlungsarbeit. Anders ist das bei Werken von Picasso oder Warhol. Da ist das Publikum etwas unvoreingenommener.

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Kann man Kunstbetrachtung lernen?

Auf jeden Fall, das ist auch mein persönliches Anliegen, da ich, wie man heute neudeutsch sagt, aus einer „bildungsfernen“ Familie komme. Meine Eltern hatten mit Kunst wenig zu tun. Wir bieten im Museum Ludwig Führungen für Kinder an. Die gehen meistens viel spielerischer an die Sache heran. Da spielt die Frage: „Ist das Kunst?“ eigentlich gar keine Rolle.

Sie sind 1964 in Bonn geboren, damals noch Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland.

Und habe davon auf mehreren Ebenen profitiert. Ich war zum Beispiel als Student Statist an der Bonner Oper und Jean-Claude Riber. Ich stand in „Aida“ als ägyptischer Sklave neben der damals weltberühmten Sängerin Katia Riciarelli.

Sie waren in Bregenz, Hamburg und London beruflich tätig. Wie und wo ordnen Sie da Köln ein?

Was die Kunst betrifft, ist es eine der wichtigsten Städte Deutschlands. Interessant ist der Vergleich mit Hamburg, wo es mehr reiche Menschen gibt als hier. Dennoch ist in Köln die Bereitschaft des Bürgertums, uns finanziell zu unterstützen, ungleich größer. Außerdem bin ich sehr froh darüber, dass auch das Interesse an experimenteller Kunst in dieser Stadt groß ist. Es gibt eine spielerische Offenheit, die ich aus anderen Städten nicht kenne.

Also ist Köln tatsächlich so tolerant, wie es sich gerne sieht?

Absolut und mehr noch. Man weiß auch die Stärken unterschiedlicher Lebensentwürfe und Vorlieben zu schätzen. Viele Firmen zeigen ja ganz deutlich, dass Diversität auch eine Steigerung der Ökonomie bedeutet. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir einen auffallenden politischen Rechtsruck feststellen müssen, ist Kunst besonders wichtig, weil wir durch sie aufmerksamer und sensibler für gesellschaftliche Fragestellungen werden.

Das Museum liegt in der Nähe des Roncalliplatzes. Paul Bauwens-Adenauer hatte sich im Vorfeld von Weihnachten darüber aufgeregt, dass dort ein Weihnachtsmarkt stattfindet. Teilen Sie seine Auffassung?

Obwohl ich mit Bauwens-Adenauer befreundet bin, möchte ich ihm fundamental widersprechen. Schon im Mittelalter gab es vor den Kathedralen wie dem Dom Märkte. Außerdem fand ich die Stände durchaus geschmackvoll, da habe ich schon trashigere Weihnachtsmärkte gesehen.

Viele Museen, Ihres, zeigen hauptsächlich Werke weißer, heterosexueller Maler…

…und dagegen muss man was unternehmen. Wir brauchen eine größere Vielfalt. Als ich vor fünf Jahren hier angefangen habe, hatten wir zum Beispiel kein Werk von Gabriele Münter in der Sammlung, obwohl sie eine hervorragende Malerin und 1911 eine Mitbegründerin der Künstler-Vereinigung „Blauer Reiter“ war. Wir konnten ein Gemälde erwerben und einige Arbeiten von Maria Marc, der Frau von Franz Marc. Sie war eine hervorragende Malerin und gehörte ebenfalls zum „Blauen Reiter“.

Wie ist Ihr Kontakt zu Gerhard Richter, dem derzeit teuersten Maler der Welt?

Bestens. Noch bevor ich meinen ersten Tag im Museum hatte, habe ich Richter hier in Köln in seinem Atelier besucht. Schon bei diesem Treffen habe ich ihn zu einer Einzelausstellung anlässlich seines 85. Geburtstags eingeladen. Vier Monate vor deren Eröffnung rief er an und meinte: „Herr Dziewior, ich habe in den letzten Monaten einige neue Bilder gemalt. Was halten Sie davon, wenn Sie die in der Ausstellung zeigen?“ Das war natürlich ein Geschenk des Himmels!

In Ihrem Büro hier hängt kein einziges Kunstwerk. Wieso?

Erstens bin ich täglich umgeben von Kunst, außerdem stimmt das nicht ganz, denn hinter Ihnen hängt eine Fotografie von Rosemarie Trockel, die den Kölner Videokünstler Marcel Odenbach zeigt. Er schaut mir immer zu, dass ich meinen Job auch ordentlich mache.

Die Fünfte Jahreszeit ist angebrochen. Wie halten Sie’s mit dem Karneval?

Witzig, dass Sie das gerade jetzt fragen. Denn in den Jahren davor habe ich die närrischen Tage, wenn hier sowieso nichts los ist, zu beruflichen Reisen, beispielsweise nach Mexiko, genutzt. Aber diesmal hat mir ein Freund eine Karte für die Altstädter Kostümsitzung besorgt. Und darauf freue ich mich auch.

Sie lieben rheinische Küche. Was heißt das genau?

Auf jeden Fall Sauerbraten, Rouladen und Rievkoche. Sie merken: Ich bin weder Vegetarier noch Veganer. Und Himmel und Ääd mit einem frischen Kölsch finde ich auch sehr lecker.

Sie sind jetzt im fünften Jahr im Amt, Ihr Vertrag läuft über sieben Jahre. Möchten Sie den gerne verlängern?

Mir gefällt es im Museum Ludwig sehr gut, ich denke, wir haben auch schon einiges erreicht. Ich habe dennoch noch weitere Ziele für das Museum und könnte mir daher gut vorstellen, mich noch eine ganze Weile hier zu engagieren.

Das ist Yilmaz Dziewior

Nach der Promotion an der Humboldt-Universität in Berlin kam Yilmaz Dziewior erstmals 1997 ans Museum Ludwig und gestaltete dort eine Ausstellung mit Werken von Sarah Lucas. Nach Stationen in Hamburg, London und Bregenz wurde er 2015 zum Chef des „Ludwig“ berufen. Demnächst stehen die Verhandlungen für eine Vertragsverlängerung an.